Joachim Denner vom Institut für Virologie der Freien Universität Berlin fühlt sich an die erste weltweite Herztransplantation durch Christian Barnard 1967 erinnert.
Wie am Dienstag bekannt wurde, ist es einem Ärzteteam der Universität von Maryland (USA) gelungen, erstmals ein genetisch verändertes Schweineherz erfolgreich in einen Menschen zu transplantieren. Dem 57-jährigen Patienten geht es wenige Tage nach dem Eingriff am Freitag offenbar gut. Zu einer akuten Abstoßungsreaktion kam es laut Uni nicht.
Einzige Möglichkeit der Lebensverlängerung
Wie das in Köln ansässige Science Media Center Germany weiter berichtet, war die Operation nach Angaben der Chirurgen die einzige Möglichkeit, das Leben des Patienten zu verlängern. Der 57-Jährige litt an einer Herzinsuffizienz im Endstadium. Die US-Arzneimittelbehörde hatte zuvor eine Notfallgenehmigung erteilt.
In dem Spenderschwein wurden drei Gene "ausgeschaltet", die für eine schnelle Abstoßung von Schweineorganen durch den menschlichen Körper verantwortlich sind. Um ein übermäßiges Wachstum des Schweineherzens zu verhindern, wurde ein weiteres Gen stillgelegt. Sechs menschliche Gene wurden dagegen in das Erbgut eingefügt, weil sie die Akzeptanz für das fremde Organ verbessern sollen.
Seit Jahrzehnten gibt es Forschungsprojekte dazu, wie man menschliche Körper mit Ersatzgewebe aus Tieren reparieren könnte. Das ist in einem Teilbereich bereits üblich: Patienten bekommen Herzklappen von Schweinen oder Rindern eingesetzt. Auch Schwein-Inselzellen zur Behandlung von Diabetes erfüllen ihren Zweck.
Die Transplantation ganzer tierischer Organe - auch Xenotransplantation genannt - wurde erstmals in den 80er-Jahren versucht - aber nach dem berühmten Fall von Stephanie Fae Beauclair - bekannt als Baby Fae - weitgehend aufgegeben. Das Kind, das mit einem tödlichen Herzfehler geboren wurde, erhielt ein Pavianherz und starb innerhalb von 21 Tagen, weil das Immunsystem das fremde Herz abstieß.
Mangel an menschlichen Spenderorganen
Dennoch ist der Mangel an menschlichen Spenderorganen in vielen Ländern ein großer Anreiz, die Forschungen fortzusetzen. In den USA warten etwa 110.000 Patienten auf ein Organ, etwa 25 Prozent sterben, ohne ein Organ erhalten zu haben. In Deutschland standen zuletzt rund 9.000 Patienten auf der Warteliste für ein Spenderorgan.
Fortschritte in der Gentechnik machten das Forschungsfeld wieder attraktiver. Auch in Deutschland befasst sich ein von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderter Sonderforschungsbereich mit Sitz in München mit Xenotransplantation.
Der Berliner Virologe Denner betont denn auch mit Blick auf den Erfolg in den USA: "Dieser ersten klinischen Xenotransplantation sind zahlreiche präklinische Studien an nicht-humanen Primaten vorangegangen, nicht nur in Baltimore, sondern auch in Deutschland." Diese Studien hätten gezeigt, dass ein Schweine-Organ längere Zeit in einem Pavian funktionieren kann. In München seien bis zu 195 Tage erreicht worden.
Verschiedene Ansätze
Es gibt verschiedene Ansätze unter den Xenotransplantationsforschern. Die einen wollen kaputte Organe des Menschen einfach mit tierischem Gewebe reparieren. Eine Alternative ist der Komplettaustausch von Organen: Manche Wissenschaftler verfolgen das Ziel, dass man tierische Organe durch Gentechnik so weit verändern kann, dass sie dem menschlichen Immunsystem möglichst wenig Probleme bereiten. Die anderen wollen gleich menschliche Organe in Tieren züchten.
Dass bei den Experimenten möglicherweise Mischwesen aus tierischen Embryonen und menschlichen Zellen entstehen und geboren werden könnten, hat für ethische Debatten gesorgt. Die Medizinethikerin Christiane Woopen beispielsweise erklärte 2019 mit Blick auf Experimente in Japan, bei Mischwesen rege sich zwar ein ungutes Gefühl. Entscheidend sei aber, dass es zu keiner Artüberschreitung komme und die spezifischen Charakteristika von Mensch und Tier sich nicht verunklarten.