Eine kleine Geschichte der Transplantationsmedizin

Legenden und medizinische Standards

Die Geschichte der Transplantationsmedizin ist eine Geschichte mit vielen Misserfolgen. Mittlerweile sind Transplantationen Standard. Der Mangel an Spendern ist das größte Problem.

Autor/in:
Christoph Arens
Nach einer Operation  / © Felix Kästle (dpa)
Nach einer Operation / © Felix Kästle ( dpa )

Es ist ein alter Menschheitstraum: verletzte oder verlorene Körperteile auszutauschen. Mythen und Legenden handeln davon. Eines der ältesten Dokumente stammt aus Indien und ist mehr als 3.000 Jahre alt. Darin wird vom hinduistischen Gott Ganesha berichtet, dem der Kopf eines Elefanten transplantiert wurde.

Auch die beiden als christliche Heilige verehrten Zwillingsbrüder Cosmas und Damian gehören dazu: Sie sollen im dritten Jahrhundert in der heutigen Türkei Kranke unentgeltlich behandelt haben und werden deshalb als Schutzpatrone der Pharmazie verehrt. Die Legende berichtet von einem Beinwunder: Cosmas und Damian sollen das verfaulte Bein eines weißen durch das eines verstorbenen schwarzen Menschen ersetzt haben.

Erste Transplantationen wohl in Idien

Tatsächlich fanden Transplantationen angeblich schon vor etwa 2.500 Jahren in Indien statt. Heiler transplantierten Haut von einer Stelle des Körpers an eine andere und halfen damit Menschen, deren Nasen oder Ohren verstümmelt wurden. Berichte darüber erreichten Europa im 16. Jahrhundert; die Methoden wurden etwa in Italien weiterentwickelt. Im alten Rom experimentierten Mediziner mit Zahntransplantationen. Sklaven mussten ihre Zähne dafür hergeben.

Die Ära der modernen Transplantationsmedizin brach im 19. Jahrhundert an. 1883 verpflanzte der Schweizer Chirurg Theodor Kocher einem Mann Schilddrüsengewebe unter die Haut des Halses. Kurzzeitig linderte das Wachstums- und Entwicklungsstörungen. Lange überlebte das transplantierte Gewebe jedoch nicht. Kochers Pionierarbeiten trugen dennoch dazu bei, diesen Zweig der Medizin zu etablieren. Er erhielt 1909 den Nobelpreis für Medizin.

Erste Versuche beim Hund

1902 verpflanzte der Wiener Arzt Emerich Ullmann einem Hund dessen eigene Niere in den Nackenbereich. Immerhin fünf Tage arbeitete das Organ. 1906 scheiterte die Übertragung einer Niere von Tier zu Menschen. Die erste Mensch-zu-Mensch-Transplantation mit einer Niere führte der sowjetische Chirurg Yuriy Yurievich Voronoy 1933 durch - allerdings ohne Erfolg.

Für einen Meilenstein sorgte der Chirurg Joseph Murray, der 1954 in Boston eine Niere zwischen eineiigen Zwillingen übertrug. Die Transplantation glückte, da die Gewebemerkmale der Geschwister identisch waren. Die Zwillinge lebten noch länger als 20 Jahre. Einen weiteren Meilenstein setzte Murray wenig später durch die erste erfolgreiche Nierenlebendspende bei zweieiigen Zwillingen mit unterschiedlichem Erbgut. Er verabreichte Kortison und führte eine Ganzkörper-Röntgenbestrahlung durch, um Abstoßungsreaktionen zu verhindern.

Erste Herztransplantation in Kapstadt

1967 glückte dem südafrikanischen Chirurgen Christiaan Barnard in Kapstadt die weltweit erste Herztransplantation. Eine Pioniertat, die mit der Mondlandung verglichen wurde. Dennoch überlebten die meisten Patienten nicht besonders lang.

Erst das Wissen um die Funktion des menschlichen Immunsystems eröffnete der Transplantationsmedizin neue Möglichkeiten. Der Pariser Arzt und spätere Nobelpreisträger Jean Dausset entdeckte 1958 das HLA-System, mit dessen Hilfe das Immunsystem zwischen fremdem und eigenem Gewebe unterscheidet. Der Durchbruch kam mit der Entwicklung von Ciclosporin. Das Medikament unterdrückt das Immunsystem. Es wird seit Anfang der 1980er Jahre eingesetzt und hat - wie weitere Medikamente - dazu beigetragen, die Erfolgsraten deutlich zu erhöhen.

Inzwischen sind viele OPs Standard

Transplantationen wurden von nun zum Standard. 1989 erfolgte die weltweit 100.000ste Nierentransplantation. Zur Jahrtausendwende waren weltweit bereits rund 470.000 Nieren, 74.000 Lebern, 54.000 Herzen und etwa 10.000 Lungen transplantiert worden. Heute werden weltweit jedes Jahr mehr als 100.000 Organtransplantationen durchgeführt.

Damit ist die Transplantationsmedizin gewissermaßen ein "Opfer" ihres Erfolges geworden: In immer mehr Fällen ist eine Transplantation möglich und sinnvoll, aber es gibt nicht genügend Spenderorgane. Daher werden Alternativen gesucht und neue Verfahren getestet. Beispielsweise wird untersucht, inwieweit sich tierische Organe und Gewebe für Transplantationen eignen (Xenotransplantation). Dass sich aus Stammzellen Gewebe und vielleicht sogar Organe züchten lassen, ist noch Zukunftsmusik.


Quelle:
KNA