Die Zahlen sind alles andere als positiv: 2019 haben in Deutschland 932 Menschen nach ihrem Tod ein oder mehrere Organe gespendet, teilte die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) am Montag in Frankfurt mit. "Zahl der Organspender in 2019 nahezu unverändert" - versicherte die Stiftung und sprach von einer Stabilisierung.
Tatsächlich müsste man aber von einem Rückgang sprechen: 2018 waren es 955 Spender. Von einem moderaten Aufwärtstrend war damals die Rede, nachdem 2017 der absolute Tiefpunkt mit 731 Spendern erreicht worden war. Dieser Aufwärtstrend ist nun erstmal gestoppt.
Ähnliche Zustimmungswerte für beide Entwürfe
Stellt sich die Frage, wie sich die neuen Zahlen auf die am Donnerstag anstehende Bundestagsabstimmung zur Reform der Organspende auswirken. Bislang steht es Spitz auf Knopf: Die radikale Lösung der Widerspruchsregelung hat derzeit bei den Bundestagsabgeordneten nur wenig mehr Unterstützer als die kombinierte Zustimmungs-/Entscheidungsregelung. Mehr als 200 Abgeordnete haben sich noch nicht festgelegt.
Der Unterschied zwischen beiden Gesetzentwürfen: Bei der Widerspruchsregelung, für die vor allem Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) wirbt, gilt jeder Bürger als potenzieller Organspender - außer er hat ausdrücklich widersprochen. Bei einer weiterentwickelten "Zustimmungslösung", die von einer Abgeordnetengruppe um die Grünen-Parteichefin Annalena Baerbock gefordert wird, können nur dann Organe und Gewebe entnommen werden, wenn die verstorbene Person zu Lebzeiten einer Organspende ausdrücklich zugestimmt hat.
"Neue Zahlen sollten uns aufrütteln"
"Es ist Zeit für die Einführung der Widerspruchslösung", forderte am Montag denn auch die Deutsche Transplantationsgesellschaft. Die medizinische Gesellschaft versuchte, maximalen Druck auf die Abgeordneten auszuüben: Die Einführung sei eine "ethische Pflicht".
Ein "Weiter so" sei nicht länger hinnehmbar. Auch wenn der Rückgang statistisch gesehen klein sei, zeige sich, dass die bislang beschlossenen Reformen die kritische Organspendesituation nicht behöben, sagte Generalsekretär Christian Hugo zur Begründung. "Die neuen Zahlen sollten uns alle aufrütteln, hoffentlich auch die Politiker."
DSO für Widerspruchslösung
Auch die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) warb für die Widerspruchsregelung, weil sie die Bürger stärker zur Auseinandersetzung mit der Frage der Organspende und zur Dokumentation ihres Willens zwinge. Zugleich registriert sie jedoch "erste Signale einer positiven Entwicklung", wie der Medizinische DSO-Vorstand Axel Rahmel erklärte.
Grund zum Optimismus sieht er insbesondere durch die verbesserte Zusammenarbeit der DSO mit den rund 1.300 Entnahmekrankenhäusern in Deutschland. Sie meldeten 2019 rund 3.020 potenzielle Organspender - 7 Prozent mehr als im Vorjahr. Damit begännen die 2019 vom Bundestag beschlossenen Strukturverbesserungen der Transplantationsmedizin offenbar zu greifen, so Rahmel. "Wir hoffen, dass mit den zunehmenden Kontaktaufnahmen mittelfristig auch die Zahl der Organspenden steigt."
Angehörige hätten kein Mitspracherecht
Spannend an der neuen DSO-Statistik sind die Erkenntnisse, wie sich die Angehörigen verhalten. Eine schriftliche Willensbekundung liegt danach derzeit nur bei 15 Prozent der möglichen Organspender vor. In rund 40 Prozent der Fälle entscheiden die Angehörigen nach dem mutmaßlichen Willen des Verstorbenen und in rund 19 Prozent nach ihren eigenen Wertvorstellungen. Der Anteil der Ablehnung einer Organspende ist im letztgenannten Fall besonders hoch: 2019 beruhten 41 Prozent der Ablehnungen auf einer alleinigen Entscheidung der Angehörigen.
Aus Sicht der DSO sind es damit bislang die Angehörigen, "auf denen oft die Bürde einer Entscheidung lastet". Doch man kann es auch anders sehen: Die Angehörigen bremsen den Weg zu mehr Organspenden. Ihr Einfluss würde aber gerade durch die Einführung einer Widerspruchslösung verringert. Der Gesetzentwurf sieht nämlich vor, dass sie zwar im Falle eines Falles gefragt werden, ob sie von Äußerungen des potenziellen Spenders zur Organspende wissen. Ein eigenes Mitspracherecht - wie sie es derzeit haben - schließt der Entwurf aber ausdrücklich aus.