Pfarrer in Günzburg berichtet von prekärer Hochwasserlage

"Damit konnte in der Massivität keiner rechnen"

Die Stadt Günzburg im Bistum Augsburg ist vom Hochwasser schwer getroffen. Christoph Wasserrab ist Pfarrer der dortigen Pfarreiengemeinschaft. Er musste selber das Pfarrhaus räumen. Nun hofft er auf baldige Entwarnung.

Die Hauptstraße in Günzburg nahe der Donaubrücke ist überflutet. / © Matthias Balk (dpa)
Die Hauptstraße in Günzburg nahe der Donaubrücke ist überflutet. / © Matthias Balk ( dpa )

DOMRADIO.DE: Sie sind ja auch vom Unwetter betroffen. Wie geht es Ihnen persönlich?

Christoph Wasserrab (Pfarreiengemeinschaft Günzburg)

Pfarrer Christoph Wasserrab (Pfarrer in der Pfarreiengemeinschaft Günzburg): Ich muss sagen, erstaunlich gut. Ich bin eigentlich ganz zufrieden, denn ich konnte Gott sei Dank in einem anderen Pfarrhaus unserer Pfarreiengemeinschaft in einem Gästezimmer unterkommen.

Gestern haben wir den ganzen Tag das Pfarrhaus und das Pfarrbüro ausgepumpt und sind ganz gut vorankommen. Wir mussten aber am Abend abbrechen, weil eine Gefahrenmeldung kam. Wir haben auch gemerkt, dass das Grundwasser ein bisschen nachfließt. Wir haben uns dann zurückgezogen und schauen, was am Tag wieder funktioniert und geht.

Christoph Wasserrab

"Ich glaube, mit dem konnte in der Massivität keiner rechnen. "

DOMRADIO.DE: Menschen mussten von den Rettungskräften aus ihren Häusern gerettet werden. Haben Sie was davon mitbekommen?

Wasserrab: Ja. Bei mir war die Feuerwehr am Sonntag um 6 Uhr und hat geläutet. Ich sollte sofort das Haus verlassen und nur ein paar notwendige Sachen mitnehmen. In anderen Teilen der Stadt wurden die Leute schon in der Nacht evakuiert. Das Wasser ist am Sonntag einfach extrem angestiegen. Damit konnte in der Massivität keiner rechnen. 

Am Mittag habe ich mich noch mal ein bisschen in die Richtung zu unserem Pfarrhaus über die Donaubrücke herangewagt. Das war der einzige Weg. Da lief noch die Evakuierung mit Booten, ein Hubschrauber ist geflogen und manche konnten auch so raus. Das war schon verrückt. Das läuft ein bisschen wie im Film ab.

DOMRADIO.DE: In Oberbayern ist ein Feuerwehrmann bei einem Rettungseinsatz ums Leben gekommen. Insgesamt sind vier Tote aus den Katastrophengebieten geborgen. Was machen solche Nachrichten mit Ihnen?

Christoph Wasserrab

"Das ist erschütternd."

Wasserrab: Ich habe gestern noch mit jemandem telefoniert, der auch einen Feuerwehrmann kennt, der im Nachbarort Offingen noch vermisst wird. Das ist erschütternd. Vor allen Dingen, wenn es ein Helfer ist, der sich ja für andere einsetzt. Ich habe gestern vor dem ganzen Schutt gestanden. Klar ist das irgendwie dramatisch und schwierig, aber das ist kein Vergleich zum Menschenleben.

DOMRADIO.DE: Sind Sie gerade als Seelsorger besonders angefragt oder haben die Menschen im Moment ganz andere Sorgen?

Wasserrab: Überall arbeitet gerade jeder so gut er kann. Gestern wurden viele Häuser ausgepumpt. Da war die ganze Straße voll mit Leuten, die ihre Häuser gesäubert haben. Es gibt viele Gespräche, manchmal auch mit Nachbarn, die man schon ewig nicht mehr gesehen hat oder denen man sonst vielleicht nur "Guten Morgen" sagt. Auf einmal kommt man bisschen näher ins Gespräch. 

Wenn man so im gleichen Boot sitzt, dann steht man sich gegenseitig bei. Auch mit dem Team vom Kindergarten haben wir gestern ein Gespräch gehabt und überlegt, wie es weitergeht. Natürlich versucht man da auch miteinander gut durchzukommen.

Christoph Wasserrab

"Die Feuerwehr hat auch gesagt, sie kann da gar nichts machen."

DOMRADIO.DE: Die Kirche steht im Trockenen, aber der Kindergarten ist unter Wasser?

Wasserrab: Ja, genau. Die Kirche liegt ein bisschen höher und hat keinen Keller. Da ist das Wasser sozusagen drumrum geflossen oder besser gesagt seitlich vorbei geflossen. Aber der Kindergarten dahintersteht hat ein Stockwerk, das in eine Senke runtergeht. Die ist ganz vollgelaufen. Da war gestern ans Abpumpen überhaupt nicht zu denken, weil das alles nach geflossen wäre. Die Feuerwehr hat auch gesagt, dass sie da gar nichts machen kann. Das ist ein größerer Bereich. Da ist zu viel Wasser drin. 

Im darüberliegenden Stockwerk des Kindergartens ist tatsächlich nichts. Aber da herrschte gefühlt 100 Prozent Luftfeuchtigkeit. Da ist Wasser von der Decke oder von den Lampen getropft, weil unten alles voll steht.

DOMRADIO.DE: Haben Sie das Gefühl, dass Sie in Günzburg besser hätten geschützt werden müssen?

Wasserrab: Ich kann niemandem einen Vorwurf machen. Wir haben gar nicht gewusst, wo das Wasser in der Geschwindigkeit überhaupt herkommt. Natürlich wissen wir, dass wir an Donau und Günz wohnen. Leute, die schon viel älter sind als ich und länger da wohnen, kennen auch Hochwasser, aber jeder von ihnen sagt, so was hätten sie noch nie gesehen. 

Ich kann mir nicht vorstellen, was man da anders hätte machen können. Aber ich bin diesbezüglich auch nur ein Laie.

Die Hauptstraße von Günzburg nahe der Donaubrücke ist überflutet. (dpa)
Die Hauptstraße von Günzburg nahe der Donaubrücke ist überflutet. / ( dpa )

DOMRADIO.DE: Gehen Sie davon aus, dass das Schlimmste überstanden ist?

Wasserrab: Ja, davon gehe ich aus. Es gibt momentan strahlenden Sonnenschein. Ich kann mir aber vorstellen, dass es in der Unterstadt noch schlimm ausschaut. Der Teil ist noch gesperrt.

Der Kaplan war gerade unten im Pfarrhaus, die Polizei hat ihn durchgelassen. Aber die Sperrung ist noch nicht aufgehoben. 

Der Wasserstand der Donau sinkt leicht. Anscheinend hat es keinen Rückstau gegeben. Das war die Sorge, darum hat man noch mal geräumt. Ich könnte mir vorstellen, dass die Maßnahmen im Laufe des Tages vielleicht wieder ein bisschen gelockert werden. 

Die Günz ist auf jeden Fall wieder ganz gut in ihr Flußbett zurückgegangen. Jetzt hoffen wir einfach das Beste, das man vielleicht ab Mittag wieder arbeiten können.

Das Interview führt Tobias Fricke.

Quelle:
DR