Freude und Kritik nach Geiselbefreiung im Gazastreifen

Hohe Anzahl palästinensischer Opfer

Nach acht Monaten können vier israelische Familien aufatmen: Ihre verschleppten Angehörigen sind gerettet. Sie sollen gesundheitlich stabil sein. Doch die Zahl der Opfer bei der Militäraktion sorgt auch für Proteste.

Autor/in:
Christoph Schmidt
Die israelische Geisel Shlomi Ziv, links, umarmt Familienangehörige im Sheba Tel-HaShomer Medical Centre, nachdem er von der israelischen Armee aus der Gefangenschaft im Gazastreifen befreit wurde.  (dpa)
Die israelische Geisel Shlomi Ziv, links, umarmt Familienangehörige im Sheba Tel-HaShomer Medical Centre, nachdem er von der israelischen Armee aus der Gefangenschaft im Gazastreifen befreit wurde. / ( dpa )

Die Befreiung von vier Hamas-Geiseln im Gazastreifen durch israelische Spezialkräfte sorgt für Freude und Erleichterung. Wie die Armee am Samstag mitteilte, wurden die Geiseln "im Rahmen einer komplexen Operation" der Streitkräfte, des Inlandsgeheimdienstes Shin Bet und der Yamam-Einheit der israelischen Polizei in der Flüchtlingssiedlung Nuseirat gerettet. International reagierten führende Politiker erfreut auf die geglückte Aktion. Allerdings gab es auch Kritik an einer hohen Zahl palästinensischer Opfer.

Die Geiseln Noa Argamani (25), Almog Meir (21), Andrey Kozlov (27) und Shlomi Ziv (40) waren bei dem Terroranschlag der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 in den Gazastreifen entführt worden. Ihr Gesundheitszustand sei stabil, hieß es. Für weitere medizinische Untersuchungen seien sie in das Sheba-Gesundheitszentrum in Tel HaShomer gebracht worden.

Hunderte Tote und Verletzte

Armeesprecher Daniel Hagari berichtete im israelischen Fernsehen, bei der Operation seien die Befreier unter Beschuss der Hamas in zwei Einrichtungen in Nuseirat eingedrungen. Wie das der Hamas unterstellte Gesundheitsministerium im Gazastreifen Medienberichten von Sonntag zufolge mitteilte, wurden bei dem Angriff auf die Flüchtlingssiedlung mindestens 274 Palästinenser getötet und 698 verletzt, darunter auch Kinder. Diese Zahlen lassen sich nicht unabhängig überprüfen. Ein Yamam-Soldat, der zunächst schwer verletzt in ein Krankenhaus gebracht worden war, starb am Samstag, wie israelische Medien berichteten.

"Wir werden weiterhin alles tun, um die 120 Geiseln, die noch immer in Gaza festgehalten werden, zu befreien", so Sprecher Hagari. Die Militäroperation im Gazastreifen werde nicht enden, bevor nicht alle Geiseln wieder zuhause seien.

Positive Rückmeldungen aus der Politik

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zeigte sich erfreut über die Rettungsaktion. "Ein wichtiges Zeichen der Hoffnung - besonders für die vielen Familien in Israel, die nach wie vor um ihre Angehörigen bangen", schrieb er auf der Plattform X. Die Hamas müsse endlich alle Geiseln freilassen. "Der Krieg muss enden."

Bundeskanzler Olaf Scholz / © Michael Kappeler (dpa)
Bundeskanzler Olaf Scholz / © Michael Kappeler ( dpa )

Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Sonntag), die Befreiung sei ein "fast nicht mehr erhoffter Moment des Glücks". Die Hamas habe es in der Hand und müsse dem Vorschlag für ein Abkommen über eine Feuerpause zustimmen. "Es liegt auf dem Tisch und kann der Einstieg in das Ende des Kriegs sein."

Auch US-Präsident Joe Biden, sein französischer Amtskollege Emmanuel Macron und der britische Premier Rishi Sunak sowie UN-Generalsekretär Antonio Guterres äußerten sich erleichtert über die Befreiungsaktion und forderten die Hamas auf, die übrigen Gefangenen freizulassen, um den Krieg zu beenden.

Völkermordvorwürfe

Daneben gab es aber auch Kritik am Vorgehen der Israelis und der hohen Zahl palästinensischer Opfer. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell verband seine Erleichterung über die Geiselbefreiung auf X mit dem Protest: "Berichte aus Gaza über ein weiteres Massaker an Zivilisten sind empörend. Wir verurteilen dies auf das Schärfste. Das Blutbad muss sofort enden."

EU-Außenbeauftragter Borrell / © Francisco Seco/Pool AP (dpa)
EU-Außenbeauftragter Borrell / © Francisco Seco/Pool AP ( dpa )

Kritik kam auch aus arabischen Staaten. Das ägyptische Außenministerium bezeichnete die Militäraktion als Verletzung des internationalen Rechts und der Menschenrechte. UN-Sonderberichterstatterin Francesca Albanese schrieb auf X: "Das ist die Absicht zum Völkermord. Kristallklar." Israel nutze den Kampf zur Befreiung der Hamas-Geiseln für die Tötung von Palästinensern.

Franziskus mahnt Hilfslieferungen an

Unterdessen lenkte Papst Franziskus den Blick auf die Frage der humanitären Hilfe. "Die humanitären Hilfslieferungen müssen zu den Menschen kommen, die sie brauchen, und niemand darf das behindern!", sagte er beim Angelus-Gebet am Sonntag auf dem Petersplatz. 

Ohne auf den aktuellen Fall einzugehen, wiederholte er seine Forderung nach Freilassung aller Geiseln und einem sofortigen Waffenstillstand. Der Papst betonte dabei seine Unterstützung für die internationale Gaza-Konferenz, die am Dienstag in Jordanien stattfindet.

Quelle:
KNA