Sachsens CDU-Spitzenkandidat sieht in Wahlergebnis Weckruf

"Müssen Themen in der Politik klären"

Die AfD und andere europakritische Parteien haben bei der Europawahl deutlich zugelegt. Der sächsische CDU-Spitzenkandidat Oliver Schenk sieht darin ein deutliches Signal an die Politik zu handeln. Auch die Kirchen seien hier gefragt.

Oliver Schenk, Spitzenkandidat der CDU Sachsen bei der Europawahl 2024 / © Jan Woitas (dpa)
Oliver Schenk, Spitzenkandidat der CDU Sachsen bei der Europawahl 2024 / © Jan Woitas ( dpa )

DOMRADIO.DE: Sie persönlich haben es ins EU-Parlament geschafft, aber die Gewinne der AfD dürften Sie mehr als beunruhigen. Wie lautet Ihre Erklärung für diesen Wahlausgang? 

Oliver Schenk (Spitzenkandidat der CDU Sachsen für die Europawahl 2024): Es war ein ernüchternder Abend gestern. Es hat sich ja schon in den Tagen und Wochen vorher ein bisschen abgezeichnet, dass dieser Frust, diese Unzufriedenheit in der Bevölkerung über die Politik, die in Berlin gemacht wird, auch an vielen Stellen die Europadebatten immer wieder überlagert hat.

Ich habe selbst viele Veranstaltungen gehabt, wo man mit Europa begonnen hat, und am Ende ist man bei Energiepolitik und Bürokratie und auch der Sorge, wie es mit dem Standort Deutschland und seiner Wettbewerbsfähigkeit weitergeht geendet. Das haben wir gestern Abend in den Ergebnissen gesehen.

Es war deutschlandweit eine starke AfD zu sehen, aber insbesondere hier bei uns im Osten sieht man, dass sich diese Enttäuschungen über die Politik doch wieder mit einer ganz großen Härte zugeschlagen und sich durchgesetzt haben. Das ist kein sächsisches Phänomen, es betrifft alle Ostländer.

AfD-Wahlplakat "Islamisierung stoppen" / © Harald Oppitz (KNA)
AfD-Wahlplakat "Islamisierung stoppen" / © Harald Oppitz ( KNA )

DOMRADIO.DE: Sie selbst sind katholisch. Die katholischen Bischöfe hatten im Vorfeld der Wahl gesagt, die AfD sei von Christen nicht wählbar. Begrüßen Sie solche politischen Statements der Kirche? 

Schenk: Ja und nein. Ich finde es gut, dass sich die Kirche in einer Situation zu Wort meldet, in der wir merken, dass viele Dinge sehr viel angespannter, sehr viel intensiver sind und diese Zerrissenheit in der Gesellschaft zunimmt. Da muss die Kirche auch versuchen, ein Kitt zu sein, der die Gesellschaft zusammenbringt.

Ich habe ein mit diesem Abgrenzungsthema ein kleines Problem. Das hat sich ja auch bei der Wahlstrategie meiner politischen Konkurrenten von SPD und Grünen gezeigt, die sehr auf darauf gesetzt haben. Ich glaube, wir müssen wieder deutlich machen, wofür wir stehen und was wir an eigenen Themen setzen wollen. Das gilt auch für die Kirchen.

Oliver Schenk

"Man kann nicht Menschen überzeugen, indem man sich von anderen abgrenzt und ausgrenzt."

Man kann nicht Menschen überzeugen, indem man sich von anderen abgrenzt und ausgrenzt. Vielmehr müssen wir selbst deutlich machen, worum es jetzt geht und ich glaube, darüber wird man auch noch einmal reden müssen. 

DOMRADIO.DE: Wenn es auch jetzt die Europawahl war, schauen viele voller Schrecken auf die nächsten Landtagswahlen und auf die Bundestagswahl. Riecht das jetzt schon nach weiteren Minderheitsregierungen, wenn die AfD keine absoluten Mehrheiten bekommt?

Schenk: Auch vor fünf Jahren hatten wir ähnliche Herausforderungen. Beim Ergebnis der Europawahl lag auch damals die AfD hier in Sachsen, aber auch in anderen ostdeutschen Ländern vorne. Wenige Monate später war bei der Landtagswahl ein ganz anderes Bild zu verzeichnen.

Wenn es uns gelingt, noch einmal deutlich zu machen, dass es im September um die Dinge geht, die hier vor Ort wichtig sind, dann vertrauen die Menschen auch denjenigen, die heute in ihren Ämtern sind, die heute eine gute Arbeit machen. Dann geht es auch um die einzelne Person. Das haben wir in der Vergangenheit oft bei Landtagswahlen gesehen, dass erfolgreiche Ministerpräsidenten wiedergewählt worden sind, egal von welcher Partei sie waren.

Das ist auch mein Thema für die nächsten Wochen, dass es darum geht, den Menschen deutlich zu machen, dass sie hier in Sachsen durch die CDU nicht nur in den letzten fünf Jahren, sondern in den letzten 30 Jahren gut regiert worden sind und das Land eine gute Entwicklung genommen hat. Wenn wir darüber reden und es genau auch dahin bringen, dann haben wir auch gute Chancen, ein anderes Ergebnis als gestern Abend zu sehen. 

DOMRADIO.DE: Frankreich hat die Rechtsnationalen gewählt. In Österreich ist die rechtspopulistische FPÖ erstmals bei einer landesweiten Abstimmung stärkste Kraft geworden. In Tschechien haben die Populisten gewonnen. In Italien hat die neofaschistische Partei von Georgia Meloni gewonnen. Steht Europa vor einer düsteren Zukunft? 

Oliver Schenk

"Ich glaube, es ist der Weckruf oder das Signal an uns in der Politik."

Schenk: Mir gefällt diese düstere Zukunft nicht. Ich glaube, es ist der Weckruf oder das Signal an uns in der Politik. Wir sind diejenigen, die politisch verantwortlich sind, dass sich die Menschen mit ihren Themen nicht ausreichend abgeholt fühlen. Es gibt Themen, die wir in der Politik klären müssen, zuvorderst bei uns hier das ganze Thema der Migration und Flucht.

Diese Sorge, wie es mit Deutschland, mit diesem Kontinent in einer immer angespannten Weltlage weitergeht, gilt es zu klären. Wie wird er auch wettbewerbsfähig bleiben? Wie kann man sicherstellen, dass dieser Kontinent auch in Zukunft Demokratie, Freiheit, Sicherheit in einer Welt gewährleistet, wo die Europäer gerade mal noch 7 Prozent der Weltbevölkerung ausmachen? Das sind die Fragen, die die Menschen geklärt haben wollen.

Das ist auch für mich eine Schlussfolgerung des gestrigen Abends, dass man sich in Brüssel, dass man sich in Europa auf die Dinge konzentriert, die auch auf dieser supranationalen Ebene gelöst werden müssen. Andere Themen muss man dann auch wieder in die Regionen geben, weil sie dort auch viel näher am Menschen entsprechend gelöst werden können. 

DOMRADIO.DE: Heißt das, dass sie dann auch die Themen der Populisten bedienen oder sogar vielleicht sogar mit ihnen koalieren werden?

Oliver Schenk

"Das Thema Flucht, Migration, Wettbewerbsfähigkeit ist kein Thema von Extremisten."

Schenk: Es sind nicht die Themen der Populisten, es sind die Themen, die die Menschen umtreiben. Das Thema Flucht, Migration, Wettbewerbsfähigkeit ist kein Thema von Extremisten. Es ist ein Thema, das uns als Gesellschaft insgesamt fordert. Darauf müssen wir Antworten geben.

Wir haben es hier in Deutschland gesehen. Wir haben der Bundesregierung immer angeboten, dass wir in diesen wichtigen gesellschaftlichen Fragen auch als Opposition mithelfen wollen und eine ausgestreckte Hand bieten. Aber die ist nicht ergriffen worden. Man fragt sich, wann jetzt endlich etwas in Deutschland, in dieser Bundesregierung passiert, dass man den Schalter umlegt und sich um die Themen kümmert, die den Menschen Sorgen machen. Wenn das nicht passiert, wird das Vertrauen in die Politik weiter erodieren. 

DOMRADIO.DE: Einer Frage sind Sie ausgewichen. Werden Sie mit den Populisten koalieren? 

Schenk: Das werden wir nicht. Die Frage ist, was ein Populist ist. Da gehen die Meinungen vielleicht ein bisschen weit auseinander. Wir haben sehr deutlich gemacht, dass wir mit denjenigen, die Europa zukunftsfähig gestalten wollen, die mithelfen wollen, dass wir dieses Europa gut aufstellen, mit Blick auf die Themen, die ich gerade genannt habe, auch sprechen müssen.

Wir müssen auch dazu in der Lage sein, mit denen entsprechende Regierungen und Bündnisse dort zu suchen. Ein Wahlergebnis sucht sich immer seine Regierung. Gestern hat der Bürger entschieden und jetzt muss man damit verantwortungsvoll umgehen.

Das Interview führte Tobias Fricke.

Völkischer Nationalismus und Christentum sind laut Bischofskonferenz unvereinbar

Rechtsextreme und rechtspopulistische Parteien, die gegen Migranten, Muslime oder Juden hetzen, sind nach Auffassung der katholischen Bischöfe für Christen nicht wählbar. Das geht aus einer am Donnerstag in Augsburg veröffentlichten Erklärung der Deutschen Bischofskonferenz hervor. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) dokumentiert zentrale Passagen des Textes, der auch im Hinblick auf die anstehenden Wahlen im Jahr 2024 formuliert ist.

Hinweisschild zu einem Wahllokal / © Matthias Bein (dpa)
Hinweisschild zu einem Wahllokal / © Matthias Bein ( dpa )
Quelle:
DR