DOMRADIO.DE: Wie arbeiten Sie daran, den jeweiligen Bibeltext umzuformen? Haben Sie den Text vor sich und schreiben jedes Wort um?
Lara Mayer (Leiterin des Projekts "Altes Testament in leichter Sprache" beim Verein Katholisches Bibelwerk): Nein, nicht jedes Wort. Ich mache das auch nicht persönlich, sondern ein Team aus mittlerweile zwölf Ehrenamtlichen, die sich mit den unterschiedlichen Texten beschäftigen. Vor der Übertragung ist es wichtig, dass man sich erst mal selber intensiv mit dem Text befasst und erfasst, was da eigentlich drinsteht.
Für Leichte Sprache muss man die Texte teilweise sehr stark vereinfachen. Das heißt, der erste Schritt ist immer das genaue Lesen und das Interpretieren des Textes. Dann muss man schauen, was in diesem Text wichtig ist. Welche Details können zum Beispiel weggelassen werden? Was wir ganz oft weglassen, sind zum Beispiel irgendwelche komplizierten Ortsnamen, die für die Handlung keine große Rolle spielen.
Welche Details sind wichtig, was an dem Text ist unverständlich und was müssen wir im Text selbst erklären? Es geht darum, den Text verständlich zu machen und zu schauen, was eine wichtige Botschaft aus diesem Text ist, die wir gerne in Leichter Sprache rüberbringen wollen – und was es dafür braucht. Der Übersetzungsvorgang beginnt mit vielen Entscheidungen, die man erst mal treffen muss.
DOMRADIO.DE: Das klingt gar nicht so einfach.
Mayer: Es wird auch nicht Wort für Wort oder Vers für Vers übertragen. Es kann auch teilweise sein, dass wir die Reihenfolge eines Textes umstellen, weil das dadurch verständlicher wird. Das muss natürlich sehr gewissenhaft passieren. Die Texte werden übertragen und danach werden sie theologisch geprüft.
Sowohl Kolleginnen und Kollegen vom Bibelwerk als auch ich und noch andere schauen über den Text und ob das noch passt oder ob sich durch die Vereinfachung etwas zu sehr verschoben hat. Stehen da jetzt vielleicht Dinge drin, die man aus dem Text eigentlich nicht herauslesen kann oder fehlt ein wichtiger Aspekt?
DOMRADIO.DE: Man muss es auch in die heutige Zeit übertragen, um es überhaupt verstehen zu können. Warum ist eine Bibel in vereinfachter Sprache so wichtig?
Mayer: Das ist wichtig, um allen Menschen Teilhabe zu ermöglichen. Leichte Sprache hat als Zielgruppe in erster Linie Menschen mit kognitiven Einschränkungen. Das können Menschen sein, die vielleicht nicht so gut lesen können und die Sprache nicht so schnell erfassen können.
Die Leichte Sprache ist aber zum Beispiel auch sehr hilfreich für Menschen, die nicht so gut Deutsch können. Leichte Sprache hat kurze Sätze und verwendet einfache Wörter. Das ermöglicht Teilhabe, indem die biblischen Texte, die Grundlage unseres Glaubens sind, für diese Menschen verständlich werden. Dadurch bekommen sie überhaupt erst Zugang dazu.
DOMRADIO.DE: Wo können die Texte auch im kirchlichen Kontext gut eingesetzt werden?
Mayer: Die Texte werden ganz unterschiedlich eingesetzt. Wir wissen, dass sie viele im Religionsunterricht verwenden, hauptsächlich in Förderschulen, aber teilweise auch für Kinder. Wir wissen, dass sie auch im gottesdienstlichen Bereich verwendet werden, sowohl für Gottesdienste mit Menschen mit Behinderung als auch ab und zu einfach mal so im Gottesdienst.
Beim Katholikentag hatten wir zum Beispiel in einem Gottesdienst den Psalm 37 in Leichter Sprache und die Lesung aus Deuteronomium vom Abschlussgottesdienst war auch in Leichter Sprache. Wenn bei solchen Großveranstaltungen die Leichte Sprache verwendet wird, zeigt das, dass es immer wichtiger wird. Das Verständnis dafür, wirklich allen Menschen den Zugang zu den Texten zu ermöglichen, ist immer mehr da.
DOMRADIO.DE: Was sind Ihre zukünftigen Projekte? Wie geht es weiter?
Mayer: Wir arbeiten gerade an den Texten des Alten Testaments. Die ersten drei Texte der Genesis haben wir schon veröffentlicht. Wir arbeiten jetzt weiter an zentralen Texten. Die nächsten Genesis-Texte werden in den nächsten ein bis zwei Wochen online veröffentlicht.
Zunächst wird es um die Texte der ersten fünf Bücher gehen, die Pentateuch-Texte. Danach kommen natürlich noch die Psalmen und andere zentrale Stellen des Alten Testaments. Was dann noch weiter kommt, werden wir sehen.
DOMRADIO.DE: Das ist auf jeden Fall ein Mammutprojekt. Haben Sie vor, die ganze Bibel in die Leichte Sprache zu übertragen?
Mayer: Das wäre ein Traumziel, aber das ist nicht unbedingt machbar. Wir haben das Projekt beschränkt auf insgesamt drei Jahre. Es läuft noch bis Ende 2025. In der Zeit werden wir nicht alles schaffen.
Bei manchen Texten muss man sich natürlich auch fragen, ob die überhaupt sinnvoll für die Zielgruppe sind. Werden die überhaupt verwendet? Es bringt nichts, wenn wir Texte übertragen, mit denen am Ende keiner arbeitet, weil sie für die Zielgruppe oder auch für die Pastoral allgemein nicht relevant sind.
Gleichzeitig übertragen wir aber auch absichtlich Texte, die vielleicht nicht so bekannt sind, um genau da Aufmerksamkeit zu schaffen und die zugänglicher zu machen.
Das Interview führte Katharina Geiger.