Simone Merkel ist Bibelerzählerin

"Mundwerkskunst" für das Evangelium

Die Bibel steckt voller dramatischer und spannender Geschichten. Als Bibelerzählerin begeistert Simone Merkel die Menschen auch abseits des Gottesdienstes für die Heilige Schrift. Im Interview erklärt sie, worauf es dabei ankommt.

Simone Merkel / © Jan-Eric Nord (privat)
Simone Merkel / © Jan-Eric Nord ( privat )

DOMRADIO.DE: Was ist der wichtigste Unterschied zwischen der Lesung in der Kirche und dem Auftritt einer Bibelerzählerin? 

Simone Merkel erzählt auch mit Mimik / © Juliane Menzel (privat)
Simone Merkel erzählt auch mit Mimik / © Juliane Menzel ( privat )

Simone Merkel (Bibelerzählerin): Der wichtigste Unterschied oder das wichtigste Element ist im Grunde, dass beim Lesen das Buch zwischen den Lesern und den Hörern steht oder liegt oder gehalten wird. Der Schrifttext ist ein ganz anderer als der mündliche Text. 

Beim freien Erzählen ist es einfach die dichte Beziehung zwischen Erzählerin und Hörern, die den Unterschied macht. 

DOMRADIO.DE: Und was bereitet Ihnen persönlich die größte Freude beim Bibelerzählen? 

Merkel: Genau dies ist es: Die Beziehung zu den Hörern, also beim Erzählen zu hören und zu erleben, wie sie mitfiebern, wie sie dabei sind, wie sie gewissermaßen vor dem inneren Auge die Bilder sehen, die erzählerisch gemalt werden. Das macht unheimlich Spaß. 

Simone Merkel

"Ich bin davon überzeugt, dass man jede Geschichte erzählen kann."

DOMRADIO.DE: Kann man jede Geschichte gleich spannend erzählen oder gibt es Lieblingsgeschichten, von denen Sie sagen, damit packen Sie die Leute immer? 

Merkel: Ich bin davon überzeugt, dass man jede Geschichte erzählen kann. Die Frage ist: Worin besteht die Spannung? Ob es eine Spannung im Sinne von heiterer Dramatik oder trauriger Dramatik ist, hängt ja auch vom Inhalt der Geschichte ab. 

Bibelerzählerin Simone Merkel in ihrem Element / © Juliane Menzel (privat)
Bibelerzählerin Simone Merkel in ihrem Element / © Juliane Menzel ( privat )

Man kann Geschichten spannend oder dramatisch, man kann sie still, leise und meditativ erzählen. Das kann sehr unterschiedlich sein. 

DOMRADIO.DE: Sie wollen von Ihrem Wissen und von Ihrer Erfahrung auch etwas weitergeben und laden bald wieder zur Ausbildung "Bibelerzählen" ein. Welche Voraussetzungen sollten die Teilnehmenden denn mitbringen? 

Merkel: Es gibt zwei Voraussetzungen, die Sie mitbringen sollten. Das eine ist die Lust an der Mündlichkeit, die Freude daran, Geschichten zu erzählen. Das zweite ist: Sie sollten eine Beziehung zu den biblischen Texten haben. 

Wer überhaupt keine biblische Geschichte kennt, für den ist es schwer, in dieser Runde einzusteigen. Wer aber biblische Geschichten kennt und sie liebt, für den ist beim Bibelerzählen alles dabei. 

Simone Merkel

"Es geht auch um das Training der Stimme und der Präsenz und um die Lust, selbst zu erzählen."

DOMRADIO.DE: Was lerne ich dann in der Ausbildung? 

Merkel: Ich lerne – ich benutze immer das Wort "Mundwerkskunst" – ich lerne also, frei zu erzählen und mit den Methoden des Erzählens zu arbeiten. Ich lerne, auf eine andere als die exegetische Art und Weise, in biblische Geschichten einzusteigen. 

Ich begegne den Figuren in der Geschichte und mache sie zu meinen Partnerinnen oder Partnern. Es geht auch um das Training der Stimme und der Präsenz und um die Lust, selbst zu erzählen.

DOMRADIO.DE: Damit das auch klappt, haben Sie ein richtig buntes Team zusammengetrommelt.

Merkel:: So ist es. Es werden erfahrene Erzählerinnen und Erzähler dabei sein, die Geschichten präsentieren und damit zum Modell werden. Eine Schauspielerin wird dabei sein, die auch Märchenerzählerin ist. Es wird eine Stimm-Trainerin oder Stimm-Bildnerin dabei sein. So sind wir in einer spannenden und multiprofessionellen Runde gemeinsam unterwegs. 

Simone Merkel

"Die Freude daran, dass es dieses mündliche Erzählen biblischer Geschichten gibt, wächst zunehmend."

DOMRADIO.DE: Wie gefragt sind Bibelerzählerinnen und -erzähler denn überhaupt? Wo machen Sie das? 

Merkel: Im Grunde überall, in der Gemeinde, in Kindergruppen, zu Hause, bei der Geburtstagsfeier werden biblische Geschichten erzählt, aber auch in besonderen Veranstaltungen, die Geschichten und Musik beinhalten. 

Ansonsten im Grunde an jedem Ort, wo Menschen bereit sind, einander zuzuhören und sich gegenseitig etwas zu erzählen. Die Freude daran, dass es dieses mündliche Erzählen biblischer Geschichten gibt, wächst zunehmend.

Das Interview führte Heike Sicconi.

Die Bibel

Bibel ist die Schriftensammlung, die im Judentum und Christentum als Heilige Schrift gilt. Auf den Schriften fußt jeweils die Religionsausübung. Die Bibel des Judentums ist der dreiteilige Tanach, der aus der Tora, den Nevi’im und Ketuvim besteht. Diese Schriften entstanden seit etwa 1200 v. Chr. im Kulturraum der Levante und Vorderen Orient und wurden bis 135 n. Chr. kanonisiert. Das Christentum übernahm alle Bücher des Tanachs, ordnete sie anders an und stellte sie als Altes Testament (AT) dem Neuen Testament (NT) voran.

Eine Bibel liegt aufgeschlagen auf einem Tisch (KNA)
Eine Bibel liegt aufgeschlagen auf einem Tisch / ( KNA )
Quelle:
DR