Wie sehr darf die Kirche politisch Partei ergreifen? Darüber ist in Argentinien ein Streit entbrannt, nachdem einige Geistliche im Beisein eines Bischofs Lieder gegen den amtierenden Präsidenten Javier Milei gesungen hatten - während einer Messe.
Videos davon machten im Netz die Runde und sorgten für Aufregung. Inzwischen hat sich der verantwortliche Weihbischof Gustavo Carrara aus der Hauptstadt Buenos Aires "demütigst" entschuldigt.
Carrara hatte am Freitag den Gottesdienst im Stadtteil Constitucion geleitet. Er fand zu Ehren von Helfern statt, die sich in der Armenspeisung engagieren. Unter anderem wurde während der Messe die Parole "Das Vaterland steht nicht zum Verkauf" skandiert. Dies war als Kritik am politischen Kurs des radikal-marktliberalen Regierungschefs Milei gemeint, der ausländische Investoren anlocken und unrentable Staatsunternehmen privatisieren will.
Papst schaltet sich behutsam ein
Auch der aus Argentinien stammende Papst Franziskus hatte sich kürzlich - behutsam - in die Debatte eingeschaltet, indem er sich mit Gewerkschaftern der defizitären Staats-Fluglinie Aerolineas Argentinas fotografieren ließ.
Nun zog der Erzbischof von Buenos Aires, also von jenem Erzbistum, das der heutige Papst bis zu seiner Wahl 2013 als Kardinal Jorge Bergoglio leitete, eine rote Linie. Jorge Garcia Cuerva wandte sich gegen eine Instrumentalisierung von Gottesdiensten für politische Zwecke. "Wir sind hier zusammengekommen, um uns von Einigkeit, Brüderlichkeit und Frieden leiten zu lassen. Deshalb ist es nicht gut, die Messe zu benutzen, um zu spalten, zu zersplittern, um parteiisch zu sein", sagte der Oberhirte.
Wie sehr das Thema die Medien des Landes beschäftigt, zeigt nicht zuletzt ein Kommentar des Portals "TN". Sich als "Kirchneristas" zu präsentieren, wie in Argentinien die Anhänger der linkspopulistischen Ex-Präsidentin Cristina Kirchner genannt werden, sei ein Risiko für die Kirche und den Papst.
Die Kirche müsse ihre Überparteilichkeit wahren, hieß es in dem Beitrag. Ein Priester sei schließlich Hirte aller Gläubigen seiner Gemeinschaft - und somit ein Garant der Einheit. "Wenn er sich aber einer bestimmten politischen Gruppierung anschließt, verursacht er eine Spaltung und reduziert damit die allumfassende Dimension der religiösen Botschaft."
Milei seit gut sechs Monaten im Amt
Präsident Milei ist seit gut sechs Monaten im Amt. Er hatte von der linksgerichteten Vorgänger-Regierung ein seit Jahren hochverschuldetes Land übernommen, mit Hyperinflation und hoher Armutsrate. Je nach politischer Ausrichtung fällt die Zwischenbilanz überwiegend positiv oder negativ aus. Die Zeitung "La Nacion" kommentierte jüngst, Milei habe sein erstes halbes Jahr im Amt mit beachtlichen Erfolgen abgeschlossen: Er habe das Haushaltsdefizit gesenkt, die Inflation eingedämmt, die Rücklagen erhöht und zugleich die soziale Krise unter Kontrolle gehalten.
Das sieht die linksgerichtete Tageszeitung "Pagina 12" ganz anders. Nach gewalttätigen Ausschreitungen bei Protesten gegen Mileis Reformkurs erhob das Blatt gar Terror-Vorwürfe gegen die Regierung.
So seien gezielt Provokateure bei den Demonstrationen eingeschleust worden. Zudem kritisieren linke Gruppen, dass die Armut unter Milei weiter zugenommen habe. Dieser versprach indes, nach einem schweren ersten Jahr werde sich die Wirtschaft erholen und für einen nachhaltigen Aufschwung sorgen.