Die Präses der Synode der Evangelischen Kirchen in Deutschland (EKD), Anna-Nicole Heinrich, hat bei einer Kundgebung gegen den AfD-Parteitag dazu aufgerufen, für eine offene, tolerante und gerechte Gesellschaft einzustehen und Demokratiefeinden entschieden entgegenzutreten. "Gott schenkt allen Menschen Würde. Deswegen ist es mir nicht egal, wenn Menschen ausgegrenzt, angegriffen, bedroht, gejagt werden. Wenn extremistische, rassistische, antisemitische und völkische Sprüche verharmlost werden. Wenn Faschisten in Hinterzimmern Pläne schmieden. Gottloser geht es nicht", sagte sie laut vorab verbreitetem Redemanuskript am frühen Samstagnachmittag in Essen.
"Nicht mit uns, nicht mit der Kirche. Wir bleiben bei radikaler Nächstenliebe", betonte Heinrich auf der Großkundgebung in Sichtweite der Grugahalle, in der der Parteitag stattfindet. Heinrich warb für eine Gesellschaft, in der jeder ohne Angst verschieden sein könne. "Wenn ich Umfragen oder Wahlergebnisse sehe: Dann krieg ich manchmal Angst. Doch: Nicht die Angst soll mich leiten, sondern Liebe und Besonnenheit." Populistinnen und Populisten hingegen schürten bewusst Angst: "Sie brauchen sogar unsere Angst. Denn mit Angst kann man besser billige Scheinlösungen verkaufen."
"Unsere Angst kriegt ihr nicht"
"Unsere Angst kriegt ihr nicht. Liebe ist stärker", betonte die Synoden-Präses. Dabei reiche es nicht, nur Reden zu schwingen. "Demokratie bleibt Handarbeit, dass wissen wir. Demokratie geht nicht von allein, sondern ist ein Tun-Wort."
Unter dem Motto "Zusammen für Demokratie, Vielfalt und Toleranz" hatte die Essener Allianz für Weltoffenheit am Veranstaltungsort einen "Markt der Möglichkeiten" errichtet, auf dem mehr als 60 Organisationen über Möglichkeiten zum Engagement für Demokratie informieren. Gewalttätige Protestierer oder Blockierer seien nicht willkommen, so die Veranstalter im Vorfeld der Großkundgebung.
Gegen völkischen Nationalismus
Zuvor hatten auch Vertreter der katholischen Kirche den Protest gegen den AfD-Parteitag unterstützt. "Völkischer Nationalismus ist mit dem christlichen Gottes- und Menschenbild unvereinbar", erklärte der Generalvikar des Bistums Essen, Klaus Pfeffer, am Freitag. "Dies motiviert uns Christinnen und Christen in Essen, an diesem Wochenende auf die Straße zu gehen."
"Solidarität, Nächstenliebe und das tatkräftige gemeinsame Anpacken, das uns hier im Ruhrgebiet trotz aller Probleme oft so gut gelingt, sind das genaue Gegenteil von den dumpfen und oft hasserfüllten Parolen, die rechtspopulistische und rechtsextreme Politikerinnen und Politiker verbreiten", so Pfeffer. Zugleich appellierte er an die Demonstranten, besonnen zu bleiben: "Das Engagement für unsere Demokratie ist nicht vereinbar mit Gewalt und Randale, die am Ende nur auf das Konto derer einzahlen, die sich in der Grugahalle versammeln." Nach Angaben des Bistums wollen sich auch viele katholische Organisationen, Verbände und Kirchengemeinden an den Demonstrationen beteiligen.
Verzögerte Eröffnung
Die Eröffnung des Bundesparteitages hatte sich am Samstagmorgen wegen zahlreicher Proteste verzögert. Demonstranten hatten Straßen und Kreuzungen besetzt, um zu verhindern, dass Delegierte zum Tagungsort gelangten. Nach Angaben der Polizei griffen teilweise vermummte Demonstranten Einsatzkräfte an. Es habe mehrere Festnahmen gegeben.
Zu Gegendemonstrationen und -veranstaltungen werden am Wochenende mehrere Zehntausend Menschen aus ganz Deutschland und dem Ausland erwartet, darunter rund 1.000 Linksextremisten. Einen ersten friedlichen Protest hatte es bereits am Freitagabend unter dem Motto "Bass gegen Hass" gegeben. An der Rave-Demo beteiligten sich laut Polizei rund 5.000 Menschen. Viele trugen Plakate mit Botschaften wie "Nazis raus" oder "Hass hat keinen Platz in Essen".