Kardinal Louis Raphael I. Sako wird 75 Jahre alt

Stimme für Freiheit und Gerechtigkeit im Irak

Der chaldäische Patriarch wird nicht müde, Missstände in seinem Land, aber auch in seiner eigenen Gemeinschaft anzuprangern. Nun wird der für Demokratie und Gleichberechtigung werbende Kardinal 75 Jahre alt.

Autor/in:
Andrea Krogmann
Kardinal Louis Raphael I Sako / © Vatican Media/Romano Siciliani (KNA)
Kardinal Louis Raphael I Sako / © Vatican Media/Romano Siciliani ( KNA )

Im Juli 2023 setzte die christliche Welt an, den 75. Geburtstag eines ihrer ranghohen Repräsentanten zu feiern. Dann stellte das vermeintliche Geburtstagskind, der chaldäische Patriarch Kardinal Louis Raphael Sako, in einem Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) richtig: Er werde "erst nächstes Jahr am 4. Juli 75 Jahre alt". Das falsche Geburtsdatum stammt von einem verstorbenen älteren Bruder selben Namens.

Teile seines 75. Lebensjahres verbrachte der Patriarch im selbstauferlegten Exil in Erbil, der Hauptstadt der Autonomen Region Kurdistan im Nordirak. Erst im April, nach acht Monaten Konflikt mit Iraks muslimisch-sunnitischen Präsidenten Abdul Latif Raschid, kehrte Sako an seinem Amtssitz Bagdad zurück.

Wichtige Stimme des Irak

Im nordirakischen Zakho an der Grenze zur Türkei geboren, studierte Sako in Mossul am Theologischen Seminar des Dominikanerordens und wurde 1974 zum Priester geweiht. 1979 begann er weitere Studien am Päpstlichen Orientalischen Institut in Rom, wo er in orientalischer Patristik promoviert wurde. Anschließend erwarb er einen Doktorgrad in Geschichte an der Pariser Sorbonne.

Kardinal Louis Raphael I Sako, Patriarch der chaldäisch-katholischen Kirche und Erzbischof von Bagdad (Irak) / © Harald Oppitz (KNA)
Kardinal Louis Raphael I Sako, Patriarch der chaldäisch-katholischen Kirche und Erzbischof von Bagdad (Irak) / © Harald Oppitz ( KNA )

Von 1986 an wirkte Sako in Mossul als Gemeindepfarrer. Zwischen 1997 und 2002 war er Rektor am Priesterseminar in Bagdad. 2002 wurde Sako, der neben Aramäisch, Arabisch, Französisch, Englisch und Italienisch auch Deutsch spricht, zum Erzbischof von Kirkuk gewählt und im Folgejahr geweiht.

Seit 2013 steht Sako, der bei seiner Wahl zum Patriarchen den Namen Louis Raphael I. wählte, an der Spitze der Chaldäer und damit der größten christlichen Kirche des Irak mit rund einer halben Million Mitgliedern. 2018 erhob ihn Papst Franziskus zum Kardinal, in den höchsten Rang eines Kardinalbischofs, wie es für die Patriarchen der mit Rom unierten Ostkirchen üblich ist. Seit 2022 ist Sako Mitglied des vatikanischen Wirtschaftsrats, der das wirtschaftliche Handeln des Vatikans überwachen soll.

Keine "Kultur des Abschieds"

Wiederholt hatte Sako betont, er erwäge, mit 75 Jahren dem Papst seinen Amtsverzicht anzubieten. Als Patriarch einer katholischen Ostkirche ist er dazu nicht verpflichtet - anders als seine römisch-katholischen Amtsbrüder. Er vermisse eine angemessene "Kultur des Abschieds" bei den Orientalen, ob in Kirche oder Politik, ließ er verlauten. Ob er mit gutem Beispiel vorangehen könne, das werde er von der Situation im Irak abhängig machen.

Blick auf eine Straße in Telskuf (Irak). Im Hintergrund ist die chaldäisch-katholische Kirche Sankt Georg zu sehen.  / © Jean-Matthieu Gautier (KNA)
Blick auf eine Straße in Telskuf (Irak). Im Hintergrund ist die chaldäisch-katholische Kirche Sankt Georg zu sehen. / © Jean-Matthieu Gautier ( KNA )

Die hat sich in Sachen chaldäischer Kirche zuletzt wieder ein bisschen gebessert. Im vergangenen August hatte sich Sako nach Erbil zurückgezogen, nachdem ein Streit zwischen Präsident Raschid und der chaldäischen Kirche eskaliert war. Raschid hatte "unter großem Einfluss der Babylon-Milizen", so Sako, ein Dekret seines Vorgängers aufgehoben, das dem Patriarchen weitreichende Befugnisse zur Verwaltung chaldäischer Stiftungsangelegenheiten einräumte.

Er hege keinen Groll, sagte Sako bei seiner Rückkehr an den historischen Amtssitz - und dankte dem irakischen Ministerpräsidenten Mohammed Schia Al-Sudani. Nach Worten des Patriarchats war dessen Einladung zur Rückkehr ein "erster Schritt auf einem Weg von tausend Meilen", dem weitere Schritte wie die offizielle Wiederanerkennung Sakos als Kirchenoberhaupt folgen müssten. Fehler der Vergangenheit müssten korrigiert werden.

Roter Faden

Das Drängen auf eine Änderung von Missständen zieht sich wie ein roter Faden durch die Amtszeit des Jubilars. Gegen Korruption, für Religionsfreiheit, gegen die Abwanderung von Christen aus ihrer Geburtsregion Nahost und für einen freien, demokratischen Irak mit gleichen Rechten für alle Bürgerinnen und Bürger erhebt das Kirchenoberhaupt regelmäßig die Stimme. An die muslimischen Partner gerichtet fordert er eine Modernisierung des Islam.

Auch innerchristlich plädiert Sako für Gleichheit. Zuletzt forderte er im Mai bei einer Konferenz an der katholischen Universität Erbil, dass Fragen wie die der Ehe, der Scheidung, des Sorgerechts oder der Erbschaft für Männer und Frauen gerecht gelöst werden müssten. Die Christen mahnt er zur Rückkehr zu christlichen Werten und zur Einheit, ohne die das Nahost-Christentum dem Untergang geweiht sei.

Christen im Irak

Der Irak zählt zu den ältesten Siedlungsgebieten des Christentums. Dessen Ursprünge im Zweistromland werden bis auf den heiligen Apostel Thomas zurückgeführt. Im irakischen Kernland, dem früheren Mesopotamien, stellten Christen vor der islamischen Eroberung im 7. Jahrhundert die Bevölkerungsmehrheit. Ihr Anteil nahm danach immer weiter ab.

Papst Franziskus zu Besuch im Irak / © Ameer Al Mohammedaw (dpa)
Papst Franziskus zu Besuch im Irak / © Ameer Al Mohammedaw ( dpa )
Quelle:
KNA