Kardinal warnt vor christlicher Abwanderung aus dem Irak

"Migrationsstrom angefacht"

Kardinal Louis Raphael Sako hat Kritik an dem Versagen der irakischen Politik geübt, die Bürger des Landes und seine christliche Minderheit zu schützen. Er spricht von einem Zustand der Instabilität und Mangel an Gerechtigkeit.

Vier Männer, chaldäische Christen, warten an einem großen Kreuz an einer Straße auf die Durchfahrt von Papst Franziskus nach Erbil am 7. März 2021 in Karamless, Irak. / © Jean-Matthieu Gautier (KNA)
Vier Männer, chaldäische Christen, warten an einem großen Kreuz an einer Straße auf die Durchfahrt von Papst Franziskus nach Erbil am 7. März 2021 in Karamless, Irak. / © Jean-Matthieu Gautier ( KNA )

"Der Zustand der Instabilität und des Mangels an Gerechtigkeit hat den Migrationsstrom erneut angefacht", beklagte der Patriarch der zahlenmäßig größten Kirche des Iraks, der chaldäischen Kirche, in einem am Mittwoch veröffentlichten Beitrag.

Verschlechterung der Lebenssituation 

Im Irak gebe es "keine Strategie, keine Sicherheit, keine wirtschaftliche Stabilität und auch keine Souveränität", so das Oberhaupt der katholischen Ostkirche. Resultat sei eine Schwächung der staatlichen Institutionen, ein Werteverfall, zunehmende Korruption und Arbeitslosigkeit sowie eine allgemeine Verschlechterung der Lebenssituation. Sako erneuerte seinen Aufruf zu einer "echten nationalen Versöhnung" und dem Aufbau eines starken zivilen Rechtsstaats.

Christen nicht ausreichend geschützt

Besorgt äußerte er sich über anhaltende Angriffe, Zwangskonversionen und Hassbekundungen gegen Christen, die ohnehin seit 2003 unter Vertreibung, Entführung und Ermordung durch die Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) gelitten hätten. Die Regierung nehme den Schutz der Christen nicht ernst. 

Kardinal Louis Raphael I Sako, Patriarch der chaldäisch-katholischen Kirche und Erzbischof von Bagdad (Irak) / © Harald Oppitz (KNA)
Kardinal Louis Raphael I Sako, Patriarch der chaldäisch-katholischen Kirche und Erzbischof von Bagdad (Irak) / © Harald Oppitz ( KNA )

Als konkrete Beispiele nannte Sako mehrere Morde an Christen sowie die fehlende Aufarbeitung der Brandkatastrophe in Karakosch, bei der vergangenen September 133 Menschen getötet und mehr als 100 weitere verletzt wurden.

Zukunftsangst Grund für Abwanderung 

Es seien bereits mehr als eine Million Christen abgewandert, "die meisten von ihnen mit qualifiziertem wissenschaftlichen, wirtschaftlichen und fachlichen Hintergrund, aber wen kümmert das?", so der Patriarch. Zukunftsangst habe die Abwanderung zuletzt erneut ansteigen lassen.

Sako rief christliche Parteien und Kirchen zur Einheit auf, um einen gemeinsamen Krisenstab zur Bewältigung der Herausforderungen und den Schutz der Christen zu bilden. Die irakischen Christen bräuchten "echte und ehrliche Verbündete von innen und außen, um die Situation zum Besseren zu wenden und ihre Rechte öffentlich in Medien und internationalen Foren (...) einzufordern".

Seine Hoffnung, der päpstliche Nuntius könne bei der Zusammenführung eine positive Rolle spielen, bewahrheite sich nicht. Der Vatikanvertreter habe "nicht versucht, die östliche Mentalität und die Kultur des Landes zu verstehen, und ist deshalb zwischen seinen diplomatischen und kirchlichen Aufgaben hin und her gerissen".

Chaldäisch-katholische Kirche

Die chaldäisch-katholische Kirche ist eine katholische Ostkirche, die ihre Gottesdienste im ostsyrischen Ritus und in altsyrischer Sprache zelebriert. Im 16. Jahrhundert haben Bischöfe und Gläubige sich von ihrer Mutterkirche, der Apostolischen Assyrischen Kirche des Ostens, getrennt und eine Union mit der Römisch-Katholischen Kirche geschlossen. Die chaldäische Kirche steht in voller Kirchengemeinschaft mit dem Papst von Rom.

Chaldäische Christen warten im März 2021 am Straßenrand auf die Durchfahrt von Papst Franziskus nach Erbil / © Jean-Matthieu Gautier (KNA)
Chaldäische Christen warten im März 2021 am Straßenrand auf die Durchfahrt von Papst Franziskus nach Erbil / © Jean-Matthieu Gautier ( KNA )
Quelle:
KNA