Bürger wollen weiter Missbrauchstäter im Straßennamen

Zu teuer für Anwohner?

Ein Priester ist wegen Kindesmissbrauchs verurteilt - und in seinem Heimatort regt sich Widerstand gegen die Umbenennung einer Straße. Anwohner sammeln hunderte Unterschriften für ein Bürgerbegehren. Woran liegt das?

Autor/in:
Christoph Renzikowski
Tagung eines Betroffenenbeirats (shutterstock)

Georg Zimmermann war ein Regensburger Priester. Er war Musikdirektor des Bistums - und ein wegen Kindesmissbrauchs verurteilter Straftäter, der im Gefängnis saß. In seiner Heimatgemeinde Eslarn im Oberpfälzer Wald war er jedoch auch danach noch ein Mann, der in hohem Ansehen stand. Seit 1973 verbrachte er dort seinen Ruhestand. Eine Straße ist nach ihm benannt. Auf Initiative des Betroffenenbeirats im Bistum Regensburg beschloss der Eslarner Gemeinderat im Mai eine Umbenennung. Dagegen regt sich nun heftiger Widerstand.

Anlieger der Georg-Zimmermann-Straße haben ein Bürgerbegehren gegen die Umbenennung beantragt und etwa 650 Unterschriften gesammelt. Eine beträchtliche Zahl angesichts der 2.750 Einwohner, die die Marktgemeinde Ende 2023 hatte. Am Montag informierte Bürgermeister Reiner Gäbl den Betroffenenbeirat über den Vorgang.

Bürgermeister: "Ich bin erschüttert"

"Ich bin erschüttert und traurig, dass so viele Bürgerinnen und Bürger das Ansinnen unterstützen", schreibt Gäbl. Und: "Der Antrag wird wohl zugelassen werden müssen." Die Entscheidung werde in der Gemeinderatssitzung am 30. Juli fallen.

Erschüttert äußerte sich auch die Sprecherin des Betroffenenbeirats, Josefa Schalk. "650 Leute haben für die Ehrung eines Kinderschänders unterschrieben", sagte sie am Dienstag der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). 

Rudolf Voderholzer, Bischof von Regensburg, und Ansgar Puff, Weihbischof in Köln, bei der Frühjahrsvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz am 20. Februar 2024 in Augsburg. / © Harald Oppitz (KNA)
Rudolf Voderholzer, Bischof von Regensburg, und Ansgar Puff, Weihbischof in Köln, bei der Frühjahrsvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz am 20. Februar 2024 in Augsburg. / © Harald Oppitz ( KNA )

Eine von Zimmermann missbrauchte Person gehöre ihrem Gremium an, die heute noch in Eslarn lebe. Diese habe dem Beirat detailliert ihre Erlebnisse geschildert. "Wir haben das im Gemeinderat vorgetragen", sagte Schalk. Daraufhin votierte das Gremium mit 9 zu 6 Stimmen für eine Umbenennung. Auch der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer stellte sich hinter das Anliegen.

Zu teuer

Die Antragsteller des Bürgerbegehrens dagegen argumentieren so: Gegen Zimmermann (1916-1984) habe es nach der Haftentlassung bis zu seinem Tod weder Anzeigen noch polizeiliche Ermittlungen gegeben. "Erst lange nach seinem Tod äußerten sich vermeintlich Betroffene. Eine juristische Aufarbeitung war demnach nicht mehr möglich." Zudem sei die Umbenennung der Straße für jeden Anwohner mit einem "immensen organisatorischen und finanziellen Aufwand" verbunden.

War die Überzeugungsarbeit umsonst?

Die Gemeinderatssitzung nächste Woche könnte erneut turbulent werden. Josefa Schalk ist sich nicht sicher, ob sie dazu noch einmal nach Eslarn fährt. Bereits im Frühjahr sei die Stimmung sehr aufgeheizt gewesen, der Betroffenenbeirat und sie seien angefeindet worden. Nun steht die Frucht von eineinhalb Jahren Recherchen und Überzeugungsarbeit ihres Gremiums auf dem Spiel.

Zimmermann war 1969 vom Landgericht Weiden wegen mehrerer Fälle von teils schwerer "Unzucht mit Abhängigen" zu einem Jahr und acht Monaten Haft verurteilt worden. Als er 15 Jahre später in Eslarn starb, hieß es in einem Nachruf, er habe in der Gemeinde "fast an die achtzig Kinder und Jugendlichen zu musikalischer Reife geführt und deren Begabungen verfeinert".

Josefa Schalk glaubt indes weiterhin, "dass es in dem Ort noch weitere Missbrauchsopfer gibt, die sich aber noch nicht zu sprechen trauen". Deshalb dürften sich auch die Unabhängige Aufarbeitungskommission des Bistums Regensburg und ein mit einer bistumsweiten Missbrauchsuntersuchung beauftragter Rechtsanwalt für die Ereignisse interessieren.

Quelle:
KNA