194 Missbrauchsbetroffene in Amtszeit von Trierer Bischof

Oft keine Konsequenz für Beschuldigte

Während der Amtszeit des früheren Trierer Bischofs Hermann Josef Spital von 1981 bis 2001 hat eine Studie 194 Missbrauchsbetroffene sowie 49 Beschuldigte identifiziert. Es ist der zweite Zwischenbericht einer Untersuchung im Bistum.

Die Evangelische Kirche in Deutschland veröffentlicht im Januar 2024 eine umfassende Studie zum Thema sexualisierte Gewalt / © Heike Lyding (epd)
Die Evangelische Kirche in Deutschland veröffentlicht im Januar 2024 eine umfassende Studie zum Thema sexualisierte Gewalt / © Heike Lyding ( epd )

"Die meisten der Kinder und Jugendlichen waren männlich. 21,6 Prozent waren Mädchen beziehungsweise junge Frauen“, erklärten die Historikerin Lena Haase und der Historiker Lutz Raphael zu einer am Mittwoch in Trier veröffentlichten Studie. 

Es ist der zweite Zwischenbericht des Projekts "Sexueller Missbrauch von Minderjährigen sowie hilfs- und schutzbedürftigen erwachsenen Personen durch Kleriker/Laien im Zeitraum von 1946 bis 2021 im Verantwortungsbereich der Diözese Trier: eine historische Untersuchung".

"Die Ergebnisse des Berichts basieren auf der Auswertung von 1.035 Akten vor allem des Bistums, aber auch anderer Herkunft sowie aus 20 Gesprächen mit Betroffenen sowie Zeitzeuginnen und Zeitzeugen", erklärten die Wissenschaftler der Forschungs- und Dokumentationsstelle SEAL (Strukturen und Erinnerung. Angewandte Geschichtswissenschaft und digitale Lehre) der Universität Trier. Die Verantwortlichen im Bistum hätten während des Untersuchungszeitraums nur 20 Beschuldigte gekannt, die 29 weiteren Fälle seien erst durch Meldungen von Betroffenen nach 2010 bekannt geworden.

In der Studie wird den Angaben zufolge zwischen 35 Einmal- und Gelegenheitstätern, darunter eine Frau, sowie 14 Mehrfach- und Intensivtätern unterschieden. Letztere seien Männer, die zehn oder mehr Betroffene missbraucht hätten. Sie seien für den Missbrauch von 148 der 194 Betroffenen in der Amtszeit von Bischof Spital verantwortlich.

Beurlaubt und versetzt

Das Bistum sei intern Fällen nachgegangen und habe diese aufgeklärt, eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft aber in keinem Fall getätigt, heißt es in der Studie.

"In 12 von 20 bekannten Fällen hatte die Kenntnisnahme keine Konsequenz für den Beschuldigten, in jeweils einem Fall wurde der Priester in eine andere Pfarrei oder ein Krankenhaus versetzt, beziehungsweise dessen Diakonatszeit um ein Jahr verlängert." 

In fünf Fällen seien die Priester beurlaubt worden, woran sich etwa Therapien sowie anschließende Versetzungen in anderen Einsatzfeldern anschlossen. Insgesamt sei für den 2007 gestorbenen Bischof Spital keine aktive Vertuschung von einzelnen Fällen des sexuellen Missbrauchs festzustellen, erklärten die Historiker.

In ihren Untersuchungen haben die Forschenden bisher zwischen 1946 und 2021 insgesamt 711 betroffenen Kinder und Jugendliche sowie 234 Beschuldigte und Täter ausgemacht. Dabei stellten die 1960er Jahre "einen traurigen Höhepunkt" der jährlichen Neufälle dar. Erst in den 1970er und 1980er Jahren sinke dieses Niveau von jährlich fast 16 auf knapp neun Neufälle. "Erst die 1990er und frühen 2000er Jahre markieren einen deutlichen Einschnitt, als die Zahl jährlicher Neufälle auf durchschnittlich 3,6 zurückging", erklärten die Wissenschaftler.

Kommission zur Missbrauchsaufarbeitung im Bistum Trier

Die "Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs im Verantwortungsbereich des Bistums Trier" (UAK) hat sieben Mitglieder. Dem Gremium gehören Missbrauchsbetroffene wie auch Fachleute aus verschiedenen Berufen an. Die Kommission wurde durch den Trierer Bischof Stephan Ackermann im Juni 2021 berufen. Vorsitzender und Sprecher des Gremiums ist der frühere rheinland-pfälzische Justizminister Gerhard Robbers (SPD).

Blick über den Innenhof auf den Trierer Dom Sankt Petrus (l.) und den Domkreuzgang / © Julia Steinbrecht (KNA)
Blick über den Innenhof auf den Trierer Dom Sankt Petrus (l.) und den Domkreuzgang / © Julia Steinbrecht ( KNA )

 

 

Quelle:
epd