Russisch-orthodoxe Kirche suspendiert Bischof nach Skandal

"Untersuchung der Lage der Dinge"

Metropolit Hilarion wurde schon als möglicher nächster Patriarch der russisch-orthodoxen Kirche gehandelt. Nun belasten ihn Missbrauchsvorwürfe. Das Moskauer Patriarchat hat ihn vorläufig aus allen Ämtern entfernt.

Metropolit Hilarion / © Bennian (shutterstock)

Der Vorwurf der sexuellen Belästigung und anderer Verfehlungen kostet den lange zweitwichtigsten Mann des Moskauer Patriarchats, Metropolit Hilarion, vorläufig seine Ämter in der russisch-orthodoxen Kirche. 

Unter Vorsitz von Patriarch Kyrill I. setzte das Leitungsgremium, der Heilige Synod, eine Kommission zur "Untersuchung der Lage der Dinge" in Hilarions Diözese Budapest-Ungarn ein, wie die Kirche am Donnerstagabend in Moskau mitteilte, ohne den Skandal um den 58-Jährigen zu erwähnen. 

Abberufung als Leiter der Eparchie

Für die Dauer der Arbeit der Kommission werde der Metropolit vorläufig als Leiter der Eparchie abberufen, hieß es in dem Beschluss.

Papst Franziskus und Erzbischof Hilarion, russisch-orthodoxer Metropolit von Ungarn, am 29. April 2023 in Budapest / © Vatican Media/Romano Siciliani (KNA)
Papst Franziskus und Erzbischof Hilarion, russisch-orthodoxer Metropolit von Ungarn, am 29. April 2023 in Budapest / © Vatican Media/Romano Siciliani ( KNA )

Auch den Vorsitz der Theologiekommission und eines weiteren Gremiums des Patriarchats muss Hilarion abgeben. Für alle drei Ämter ernannte der Synod provisorische Verwalter. Der ungarischen Diözese steht vorläufig Metropolit Nestor vor. Er ist Bischof von Westeuropa mit Sitz in Paris.

Sexuelle Übergriffe und ein Leben im Luxus

Hilarions ehemaliger Assistent Subdiakon Georgij Suzuki wirft dem Metropoliten sexuelle Übergriffe und ein Leben im Luxus vor. Er begann als 18-Jähriger im Sommer 2022 für den Bischof in Ungarn zu arbeiten und floh nach eigenen Angaben im Januar 2024. 

Hilarion weist alle Vorwürfe vehement zurück und bezichtigt Suzuki der Erpressung. Auch die Geistlichen der Diözese Ungarn stellten sich hinter ihren Metropoliten und verteidigten ihn in einer gemeinsamen Erklärung gegen die Anschuldigungen.

Den Skandal brachte das Onlineportal "Nowaja Gazeta Europa" Anfang Juli ins Rollen. Sie sprach mit Suzuki und veröffentlichte dessen Audiomitschnitte von Hilarion, in dem der Metropolit Patriarch Kyrill I. einen selbstherrlichen Umgang von Spendengeldern reicher Oligarchen vorwarf. 

Suzuki überließ der "Nowaja Gazeta" auch einen Grundriss einer Villa mit 14 Zimmern und einem Pool, die Hilarion in Ungarn für viel Geld erworben haben soll. Der Metropolit erklärte darauf, er habe den Kauf des Anwesens aus seinen Privateinkünften unter anderem als Buchautor finanziert.

Hilarion galt als "Nummer zwei" der russisch-orthodoxen Kirche

Hilarion beging am Mittwoch seinen 58. Geburtstag mit einem Gottesdienst in der Kathedrale in Budapest. Er galt als "Nummer zwei" der russisch-orthodoxen Kirche, bis der Heilige Synod ihn im Juni 2022 überraschend ohne Angaben von Gründen als Leiter des Außenamtes des Moskauer Patriarchats absetzte und zum Vorsteher der relativ unbedeutenden ungarischen Diözese machte. 

Mehr als ein Jahrzehnt spielte der Metropolit eine Schlüsselrolle im Dialog mit der katholischen Kirche. Hilarion verfügt über ausgezeichnete Beziehungenzu Papst Franziskus und dem Vatikan. Franziskus traf sich mit ihm zuletzt im April 2023 im Rahmen einer Ungarn-Reise.

Russisch-orthodoxe Kirche

Die russisch-orthodoxe Kirche ist mit rund 150 Millionen Gläubigen die mit Abstand größte orthodoxe Nationalkirche. In Russland bekennen sich gut zwei Drittel der Bevölkerung zu ihr - etwa 100 Millionen Menschen. Fast alle übrigen früheren Sowjetrepubliken zählt das Moskauer Patriarchat ebenfalls zu seinem kanonischen Territorium.

Russisch-orthodoxe Kirche mit Baugerüst / © Balakate (shutterstock)
Russisch-orthodoxe Kirche mit Baugerüst / © Balakate ( shutterstock )
Quelle:
KNA