Skandal um Metropolit Hilarion trifft russische Orthodoxie

Wie reagiert Patriarch Kyrill?

Es geht um Erpressung, Diebstahl durch einen Mitarbeiter und zahlreiche Vorwürfe gegen die Lebensführung des russisch-orthodoxen Metropoliten in Budapest. Und der ist ein wichtiger Mann im ökumenischen Dialog zwischen Rom und Moskau.

Autor/in:
Oliver Hinz
Metropolit Hilarion / © Bennian (shutterstock)

Metropolit Hilarion hat bei Instagram etwa 62.700 Follower. Was der einst zweitwichtigste Mann des Moskauer Patriarchats und heutige Leiter der Eparchie Ungarn der russisch-orthodoxen Kirche jüngst auf seinem dortigen Account mitteilte, lässt darauf schließen, dass er sich große Sorgen um seine berufliche Zukunft macht. 

Hilarion veröffentlichte ein Bild von sich in der Kirche, links und rechts neben ihm 15 Geistliche. Darunter steht auf Russisch ein "Offener Brief des Klerus der ungarischen Eparchie zur Unterstützung von Metropolit Hilarion von Budapest und Ungarn". 

Mehr als 1.900 Menschen haben den Post mit "Gefällt mir" markiert. Auch in den Kommentaren darunter bekommt der Bischof viel Zuspruch.

Schwere Vorwürfe gegen Hilarion

Worum geht es? Laut einem russischen Medienbericht könnte das Leitungsgremium des Moskauer Patriarchats, der Heilige Synod, an diesem Freitag über schwere Vorwürfe gegen Hilarion beraten, darunter mutmaßliche sexuelle Belästigung seines ehemaligen Assistenten Subdiakon Georgij Suzuki. 

"Bald findet die nächste Sitzung des Heiligen Synods statt, auf der dieser Skandal wahrscheinlich diskutiert werden wird. Es ist nicht bekannt, wie der Patriarch und der Synod entscheiden werden, es ist klar, dass sie über mehr Informationen verfügen", schreibt der Gründer des Nachrichtenportals "ruskline.ru", Anatoli Stepanow. 

Man könne nicht ausschließen, dass Hilarion in den Ruhestand versetzt werde. Die Anschuldigungen gegen den Metropoliten seien "undurchsichtig", könnten aber Hilarions Ruf begraben, so Stepanow. Die "Hauptsorge" indes gelte dem "Schaden, den diese skandalöse Geschichte zweifellos für die russische Kirche anrichtet".

Hilarion bis Juni 2022 für ökumenischen Dialog zuständig

Hilarion leitete bis Juni 2022 die wichtige Abteilung für kirchliche Außenbeziehungen des Moskauer Patriarchats, die für den ökumenischen Dialog zuständig ist. Ohne Angaben von Gründen enthob ihn der Heilige Synod damals überraschend dieses Amtes und versetzte ihn in die relativ unbedeutende Diözese Ungarn. 

Papst Franziskus und Erzbischof Hilarion, russisch-orthodoxer Metropolit von Ungarn, am 29. April 2023 in Budapest / © Vatican Media/Romano Siciliani (KNA)
Papst Franziskus und Erzbischof Hilarion, russisch-orthodoxer Metropolit von Ungarn, am 29. April 2023 in Budapest / © Vatican Media/Romano Siciliani ( KNA )

Seither gehört er auch nicht mehr dem obersten Leitungsgremium des Patriarchats an. Er sitzt deshalb voraussichtlich nicht mit am Tisch in der Patriarchenresidenz, wenn der Heilige Synod über seine Zukunft entscheiden sollte.

Suzuki berichtet von Übergriffen

Seine Vorwürfe gegen Hilarion erläuterte Suzuki ausführlich dem Online-Portal "Nowaja Gazeta Europa" aus Lettland. Als 18-Jähriger sei er 2022 auf eigenen Wunsch dem Metropoliten nach Budapest gefolgt, um ihn zu unterstützen und sein Schüler zu werden. 

Während eines gemeinsamen Aufenthalts in einer Privatunterkunft in Frankreich sei er, so Suzuki, krank geworden, worauf Hilarion ihn bis auf die Unterhose ausgezogen habe und sich zu ihm ins Bett gelegt habe. Es sei auch zu weiteren Übergriffen gekommen. 

Hilarion weist Vorwürfe zurück

Der Metropolit weist das gegenüber der "Nowaja Gazeta Europa" und der staatlichen russischen Nachrichtenagentur RIA Nowosti entschieden zurück. Er verwies darauf, dass Suzuki ihn nirgends angezeigt habe. Hilarion wirft seinem ehemaligen Assistenten Verleumdung vor und kündigte an, juristisch gegen ihn vorzugehen. 

Zudem warf ein Sprecher der russisch-orthodoxen Diözese Budapest Suzuki vor, dass er auf homosexuellen Dating-Seiten registriert gewesen sei und kinderpornografische Seiten besucht habe, was er auch zugegeben habe. Zudem habe Suzukis Mutter Hilarion bedroht und für die Übergabe von heimlichen Audioaufnahmen 384.000 Euro verlangt.

Gegenseitige Vorwürfe und rechtliche Verfolgung

Es geht in dem Fall aber nicht nur um sexuelle Belästigung. Für Aufsehen sorgte auch in Ungarn, dass Hilarion in Windeseile nach seiner Ankunft in Budapest einen ungarischen Pass bekam. Das Ausstellungsdatum 15. September 2022 ist auf einem Bild des Ausweises zu lesen, das Suzuki der "Nowaja Gazeta" zur Verfügung stellte. 

So schnell bürgert Ungarn sonst kaum einen Ausländer ein. Die Regierung in Budapest wollte das örtlichen Medien nicht erklären. Probleme mit den ungarischen Behörden scheint Hilarion jedenfalls nicht zu bekommen. 

Dafür aber der aus einer japanisch-russischen Familie stammende Suzuki, weil er Wertsachen und Bargeld von Hilarion gestohlen haben soll. Deswegen habe die ungarische Polizei ihn auf ihre Fahndungsliste gesetzt. Festnehmen wird sie ihn allerdings vorerst nicht können. Denn er flüchtete Anfang 2024 nach eigenen Angaben nach Japan.

Suzuki überließ der "Nowaja Gazeta" auch einen Grundriss einer Villa mit 14 Zimmern und einem Pool, die Hilarion in Ungarn für viel Geld erworben haben soll. Der Metropolit erklärte, er habe den Kauf des Anwesens aus seinen Privateinkünften unter anderem als Buchautor finanziert. In einem Video der "Nowaja Gazeta" ist zu sehen, wie der Metropolit fröhlich mit einem Elektro-Scooter durch einen langen Gang rast.

Patriarch Kyrill I. / © Oleg Varov (dpa)
Patriarch Kyrill I. / © Oleg Varov ( dpa )

Brisante Aussagen über Patriarch Kyrill

Deutlich brisanter sind von Suzuki aufgezeichnete Aussagen über den Moskauer Patriarchen Kyrill I. Glaubt man den veröffentlichten Audiodateien, dürfte als belegt gelten, dass Hilarion keine gute Meinung von seinem Kirchenoberhaupt hat. 

Der Metropolit kritisierte im Gespräch mit dem Suddiakon etwa, dass Kyrill I. viel Geld von reichen russischen Oligarchen beziehe und es willkürlich in Projekte nach seinem persönlichen Geschmack stecke. Von diesen Spenden profitiere etwa der orthodoxe TV-Sender Spas, der ständig Kyrill I.

huldige, aber vielfach ein peinlich schlechtes Programm ausstrahle, hört man Hilarion sagen. Ihn stört demnach besonders, dass der Patriarch allein und nach Gutdünken über die Verteilung der Oligarchengelder verfüge. Dem Patriarchen wird diese deutliche Kritik nicht gefallen.

Unterstützung für Hilarion in Ungarn

In dem von Hilarion veröffentlichten Verteidigungsbrief der Geistlichen seiner Eparchie wird auf die einzelnen Vorwürfe gegen ihn nicht eingegangen. Stattdessen heißt es: "Wir, der Klerus der Diözese Ungarn, können in einer solchen Situation nicht schweigen, denn Schweigen ist ein Verbrechen, besonders für Priester, die von Gott dazu berufen sind, die Wahrheit zu bezeugen und den Wahnsinnigen den Mund zu stopfen." 

Nachdem sie Suzukis Vorwürfe gelesen hätten, die einfach "nur widerlich" seien, "wird uns klar, dass der Täter Komplizen hat, deren Ziel es ist, unseren Heiligen zu diskreditieren".

Wie es in dem Fall weitergeht, ist offen. Hilarion verfügt bis heute über ausgezeichnete Beziehungen zu Papst Franziskus und dem Vatikan.

Was sind die Folgen für den Dialog mit der katholischen Kirche?

Dr. Johannes Oeldemann / © Möhler-Institut
Dr. Johannes Oeldemann / © Möhler-Institut

Hätte eine mögliche Degradierung des Metropoliten Folgen für den Dialog zwischen dem Moskauer Patriarchat und der katholischen Kirche? Unklar. Der Direktor des Johann-Adam-Möhler-Instituts für Ökumenik, Johannes Oeldemann, verweist jedenfalls auf die Gesprächsbereitschaft des neuen Außenamtschefs des Moskauer Patriarchats, also Hilarions

Nachfolger: "Metropolit Antonij bemüht sich, die Kontakte zum Vatikan genauso intensiv zu pflegen wie Metropolit Hilarion. Im Unterschied zu Hilarion steht er aber deutlicher hinter der Positionierung des Patriarchen zum Krieg gegen die Ukraine."

Russisch-orthodoxe Kirche

Die russisch-orthodoxe Kirche ist mit rund 150 Millionen Gläubigen die mit Abstand größte orthodoxe Nationalkirche. In Russland bekennen sich gut zwei Drittel der Bevölkerung zu ihr - etwa 100 Millionen Menschen. Fast alle übrigen früheren Sowjetrepubliken zählt das Moskauer Patriarchat ebenfalls zu seinem kanonischen Territorium.

Russisch-orthodoxe Kirche mit Baugerüst / © Balakate (shutterstock)
Russisch-orthodoxe Kirche mit Baugerüst / © Balakate ( shutterstock )
Quelle:
KNA