Chefredakteur Ingo Brüggenjürgen blickt zum Abschied zurück

"Viele emotionale Highlights"

Nach 24 Jahren als Chefredakteur blickt Ingo Brüggenjürgen auf die Highlights seiner Dienstzeit zurück. Er hat das Domradio im Jahr 2000 mitgegründet. Nun muss er sich aber noch an den Gedanken gewöhnen, in den Ruhestand zu gehen.

Ingo Brüggenjürgen / © Harald Oppitz (KNA)
Ingo Brüggenjürgen / © Harald Oppitz ( KNA )

DOMRADIO.DE: Das ist heute dein letzter Arbeitstag. Du hast den Sender mitgegründet und warst seit Beginn Chefredakteur. Wie fühlt es sich an, jetzt die Führung abzugeben?

Ingo Brüggenjürgen (Chefredakteur von DOMRADIO.DE): Ungewohnt. Ich gebe mir größte Mühe, aber es ist alles noch sehr ungewohnt. Als ich heute Morgen die 82 Stufen hier zum Sender hochgelaufen bin, habe ich daran gedacht, wie oft ich hier hoch und runtergegangen bin. Dieser Frühsport wird mir ab Montag fehlen. 

Aber es sind ja nicht nur diese Dinge, wie zum Beispiel der wunderbare Ausblick auf den Dom am Rhein. Viel mehr noch werde ich dieses tolle Team hier im Sender vermissen, die liebenswerten Menschen, die jahrelang mit mir zusammen unseren Multimediasender auf- und ausgebaut haben. Also, die Gefühle fahren ein wenig Achterbahn. Aber das geht vermutlich allen Rentnern so.

DOMRADIO.DE: Du bist seit Sendestart am Steuer. Wenn du heute zurückschaust, was hat sich von deiner Vision von damals erfüllt und was vielleicht auch überraschend entwickelt?

Brüggenjürgen: Kardinal Meisner hat uns damals den Auftrag mit auf den Weg gegeben, dass alle, die das DOMRADIO einschalten, ein wenig mehr von Herzen froh werden. Also: Die Frohe Botschaft leben und weitergeben. Ein wunderbarer Auftrag für jeden Christen. 

Aber klar - diese rasante Entwicklung von einem kleinen Sender mit mickriger UKW-Frequenz und sechs Leuten hin zu unserem Multimediabetrieb mit gut 60 festen und freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und mit so vielen Kanälen und Ausspielwegen - das war ein Geschenk des Himmels! 

Ich weiß noch, als ich damals in der Pressekonferenz zum Sendestart gesagt habe, dass wir hier auch Fernsehgottesdienste in Bild und Ton übertragen werden, haben die Kollegen vom WDR - und nicht nur die - laut gelacht. Aber ja, wer am Ende lacht… 

Ingo Brüggenjürgen

"Wir sind die unüberhörbare katholische Stimme in der Medienwelt in Deutschland."

DOMRADIO.DE: Was macht DOMRADIO.DE für dich besonders?

Brüggenjürgen: Mein Ziel war immer, dass wir kein "Propaganda"-Sender, auch kein reiner kirchlicher Verkündigungssender werden, sondern ein professionell journalistisch aufgestellter Sender, bei dem Kirche und Welt gut zusammenkommen. 

Christen sollen die wunderbare Botschaft allen Geschöpfen verkünden. Nicht nur denen, die noch in die Kirche gehen, sondern gerade an den Hecken und Zäunen. Das können heute beispielsweise Social Media und das Internet. Wenn der durchschnittliche Medienkonsum im Land bei über zehn Stunden liegt, muss die Kirche diese modernen medialen Marktplätze nutzen und diese Kanäle möglichst zielgruppengerecht füllen. 

Ich denke, das ist uns in den Jahren immer besser gelungen. Wir sind die unüberhörbare katholische Stimme in der Medienwelt in Deutschland, die die ganze Breite unseres kirchlichen Ladens aufzeigt und widerspiegelt, mit allen Höhen und Tiefen. Es hilft doch nicht, wenn kirchliche Medienmacher nur Heils- und Heldengeschichten posaunen.

Ein historisches Transistorradio steht auf einem Tisch im Newsroom von DOMRADIO.DE / © Harald Oppitz (KNA)
Ein historisches Transistorradio steht auf einem Tisch im Newsroom von DOMRADIO.DE / © Harald Oppitz ( KNA )

DOMRADIO.DE: Welches Feedback von einem Hörer, einer Leserin oder einem Zuschauer hat dich am meisten bewegt oder beeinflusst?

Brüggenjürgen: Gerade in den letzten Wochen habe ich noch einmal so viel Post und Zuspruch bekommen - das hätte ich nie erwartet. Anrufe, Briefe, Mails, WhatsApp-Nachrichten. Ich kann das gar nicht alles persönlich beantworten, auch wenn ich es gerne würde. 

Mir haben Menschen geschrieben, von denen ich nie zuvor was gehört habe. Das macht mich dankbar und ein klein wenig stolz, denn es zeigt sich - unser guter Draht nach oben funktioniert. Mir hat zum Beispiel eine alte Ordensschwester aus dem Münsterland ganz lieb geschrieben - ein Bild eines Heiligen Engels und einen fünf Euro-Schein für ein Eis beigefügt und mir ihr Gebet versprochen. Mehr geht ja gar nicht.

DOMRADIO.DE: In 24 Jahren DOMRADIO.DE gab es viele Themen, auch viele Gäste hier im Haus. Wer oder was war am beeindruckendsten in all der Zeit?

Brüggenjürgen: Das ist schwierig. Da waren so viele emotionale Momente. Aber einer sticht dann wirklich für mich persönlich ganz stark heraus. Das war während des Weltjugendtages 2005, gerade drei Monate vorher war Papst Johannes Paul II. gestorben. Das war für mich damals der Papst schlechthin, mit ihm war ich großgeworden, während seiner Zeit hatte ich studiert.

Wir saßen in einer Pizzeria zusammen mit zwei Kollegen und dann haben wir so eine Schnapsidee entwickelt. Es wäre doch schön, wenn wir den Papst hier irgendwie lebendig werden lassen könnten. Wir haben ein Mosaik aus Bildern kreiert und haben Jugendliche aus aller Welt aufgerufen, uns ihre Porträts zu schicken. Das war damals etwas ganz Neues.

Es waren nachher über 50.000 Dateien, die ankamen, mit über 200.000 Leuten drauf und wir haben ein riesiges Mosaik hier draußen vor dem Dom aufgehängt. Diese virale Idee war gut. Aber noch schöner war, als dann während des Weltjugendtags jeden Abend die polnischen Jugendlichen davor beteten, und am Ende war die ganze Domplatte voll. Das war emotional wirklich das Highlight.

Johannes Paul II Mosaik (DR)
Johannes Paul II Mosaik / ( DR )

DOMRADIO.DE: Es waren 24 Jahre DOMRADIO.DE unter deiner Leitung. Würdest du alles wieder so machen?

Brüggenjürgen: Ja, aber die Fehler würde ich hoffentlich nicht noch mal machen. Allerdings gehören die irgendwie auch dazu, weil jeder Mensch Fehler macht. Ich habe eine ganze Reihe davon gemacht, aber es ist gut, wenn man die nicht unbedingt wiederholt. Darum habe ich mich bemüht. 

Im Grunde muss man sagen, dass es eine fantastische Teamleistung gewesen ist, ein wunderbares Team. Da bin ich richtig stolz drauf und sehr dankbar, dass es uns gelungen ist, das alles gemeinsam im Team nach vorne zu bringen. 

Ingo Brüggenjürgen

"Die Rheinländer haben mich liebevoll aufgenommen, mit mir ihre Lebensfreude und den Humor geteilt."

DOMRADIO.DE: Du bist nicht hier am Dom geboren. Was hast du im Rheinland gelernt?

Brüggenjürgen: Ich habe als Zivildienstleistender im Erzbistum Köln angefangen. Zusammen mit Kardinal Meisner. Der kam aus dem Osten - ich aus Ostwestfalen. Die Rheinländer fragen sich bis heute - was schlimmer war...(lacht!) Aber ich bin so dankbar für all die Jahre hier am Rhein. 

Die Rheinländer haben mich liebevoll aufgenommen, mit mir ihre Lebensfreude und den Humor geteilt. Wenn dazu die ostwestfälische Dickköpfigkeit kommt - ich würde natürlich von Beharrlichkeit sprechen, dann ist das eine ganz brauchbare Mischung.

DOMRADIO.DE: Wenn deine Heimat Ostwestfalen ist, bist du zwangsläufig in den vergangenen Jahrzehnten sehr viel Bahn gefahren – und es lief nicht immer rund. Welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten gibt es zwischen Bahn und Kirche?

Brüggenjürgen: Ich habe meine 35 Dienstjahre beim Erzbistums Köln gezählt und festgestellt, dass ich mindestens 2,5 komplette Lebensjahre in der Bahn verbracht habe - Verspätungen noch gar nicht mitgerechnet, unglaublich (lacht). Klar, Bahn und Kirche stecken derzeit beide in der Krise - man hat gar den Eindruck, es wird von Tag zu Tag schlimmer. Aber irgendwann kommt der Zug auch wieder aus dem Tunnel. 

Mag sein, dass bei der Deutschen Bahn "ein Zug nach nirgendwo fährt". Aber meine Kirche hat doch immer ein Ziel vor Augen. Kirche ist das wandernde Volk Gottes - was dem Licht der Welt entgegen geht. Aber eben geht! Also bewegen - losgehen - aufbrechen, immer wieder sagen: Da geht noch was! Das müssen wir schon. Wir sind doch die Kirche des Exodus - des Aufbruchs - also los, worauf warten wir eigentlich?

Ingo Brüggenjürgen startet seine "Pilgern live" Tour / © Alexander Foxius (DR)
Ingo Brüggenjürgen startet seine "Pilgern live" Tour / © Alexander Foxius ( DR )

DOMRADIO.DE: Es ist noch gar nicht so lange her, da warst du auf Fahrrad-Kloster-Pilgertour für DOMRADIO.DE von Köln bis nach Südtirol. Wie bereichernd war die Tour denn?

Brüggenjürgen: Das waren wunderbare Erfahrungen. Ich kenne natürlich durch meinen Beruf das eine oder andere Kloster, aber in so dichter Folge zwölf Klöster in zwölf Tagen zu besuchen, war besonders. Ich bin wie in zwölf Familien eingetaucht. Das war für mich wirklich ein bisschen Doping, denn in den Klöstern ist man dem Himmel ein wenig näher.

Das Etappenziel war das höchste Kloster in den Alpen, der Marienberg. Da habe ich noch mal gemerkt, wie wunderschön solche Kraftorte und Kraftquellen sein können. Mir hat das ganz viel Kraft gegeben, gerade auch im Hinblick auf diesen Ruhestand. Und ich denke, die eine oder andere Tour sitzt noch in den Beinen.

DOMRADIO.DE: Viele können sich ja gar nicht vorstellen, dass Du mit 62 Jahren in den Ruhestand wechselst. Wie geht es denn jetzt für Dich weiter, gibt es schon Pläne?

Brüggenjürgen: Stillstand ist wirklich nicht unbedingt mein Programm. Dafür bewege mich ich mich viel zu gerne an der frischen Luft, wandere und radle durch Gottes wunderbaren Garten. Da hier am Dom alles am Ende sehr schnell ging, habe ich aber noch keinen festen Plan. 

Ich weiß wirklich noch nicht, wohin mich die Pilgerreise meines Lebens führen wird. Ich weiß aber, dass da oben einer ist, der es gut mit mir meint. Der sich bestimmt irgendwas dabei gedacht hat. Unser Vater im Himmel, der uns Menschen liebt und bei uns ist, bis an das Ende der Zeit. Aber wenn ich noch einen Wunsch hier am Ende frei habe - dann möge der Himmel bitte noch ein wenig warten...

Das Interview führten Carsten Döpp und Susanne Becker-Huberti.

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DOMRADIO.DE auf dem Katholikentag (DR)
DOMRADIO.DE auf dem Katholikentag / ( DR )
Quelle:
DR