"Gysi gegen Guttenberg" will auch Kirche thematisieren

"Religion ist und bleibt wichtig"

Gregor Gysi und Karl-Theodor zu Guttenberg diskutieren seit einem Jahr in ihrem Podcast gesellschaftliche und politische Themen. Dazu ist nun ein Buch im Herder-Verlag erschienen. Künftig wollen sie auch Religion zum Thema machen.

Bildmontage mit den Gesichtern von Karl-Theodor zu Guttenberg (l.) und Gregor Gysi / © Sebastian Gollnow und Annette Riedl / dpa (DR)
Bildmontage mit den Gesichtern von Karl-Theodor zu Guttenberg (l.) und Gregor Gysi / © Sebastian Gollnow und Annette Riedl / dpa ( DR )

DOMRADIO.DE: Religion ist ein Thema, was man auch im Podcast thematisieren könnte. Jetzt haben Sie sich dazu entschlossen, ihr Podcast-Projekt mit Herder in einem katholischen Verlag zu realisieren. Wir leben in einer Zeit, in der immer mehr polarisiert wird. Welche Rolle sollte da Religion, Glaube, Kirche spielen?

Karl-Theodor zu Guttenberg (Lobbyist, Unternehmensberater, Fernsehmoderator und Autor / ehemaliger CSU-Politiker und Bundeswirtschaftsminister): Weiterhin eine hoffentlich verbindende. Wir merken aber, dass insbesondere diejenigen, die die Religion zu transportieren haben, momentan mehr mit sich selbst kämpfen als die Botschaft, die diese Gesellschaft so sehr gebrauchen könnte, mit aller Kraft zu vertreten. Deswegen habe ich Sorgen. 

Karl-Theodor zu Guttenberg im Jahr 2023 / ©  Sebastian Gollnow (dpa)
Karl-Theodor zu Guttenberg im Jahr 2023 / © Sebastian Gollnow ( dpa )

Auf der anderen Seite hoffe ich auch auf gewisse Selbstheilungskräfte und ein Verständnis, das in beiden christlichen Kirchen wächst, dass ihre Aufgabe gefragter denn je ist. Wir werden das Thema mit Sicherheit aufgreifen.

Gregor Gysi (Rechtsanwalt, Autor und Moderator / Bundestagsabgeordneter der Linken): Man muss bei Religion unterscheiden, also den Glauben an Gott überhaupt und der Kirche. Kirche ist eine Institution und da kann man natürlich Kritisches äußern, was die Gleichstellung der Geschlechter in der katholischen Kirche betrifft, zum Beispiel, oder was die sehr zögernde Art und Weise der Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs von Kindern in allen Kirchen betrifft. 

Gregor Gysi

"Dank der zehn Gebote, dank der Bergpredigt von Jesus haben wir ein moralisches Gerüst, das allgemeinverbindlich ist."

Nur, die Religion ist und bleibt wichtig. Sehen Sie, dank der zehn Gebote, dank der Bergpredigt von Jesus haben wir ein moralisches Gerüst, das allgemeinverbindlich ist. Die Linke kann gerne versuchen, Moralnormen zu formulieren, aber sie hat gar nicht die Kraft, dafür zu sorgen, dass sie allgemeinverbindlich werden. Das kann die Religion, und das hat sie auch erreicht. 

Im "Cicero-Magazin" (Magazin für politische Kultur, Anm. d. Red.) ist etwas passiert, das man sich gar nicht vorstellen kann. Der Vorsteher eines Klosters hat den Papst angegriffen. Und meine Rolle bestand darin, ihn zu verteidigen. Damit hatte ich vorher auch nicht gerechnet. Zum Beispiel sagte er: "Wieso sagt der Papst, dass Wirtschaft tötet?" Und dann habe ich ihm versucht, das zu erklären. 

Gregor Gysi (privat)

Wir haben über 800 Millionen Menschen auf dem Planeten, die unterernährt sind, zum Teil an Hunger sterben, obwohl wir weltweit eine Landwirtschaft haben, die die Menschheit zweimal nähren könnte. Die Strukturen stimmen nicht, weil man nichts verdient, wenn man Lebensmittel dorthin schickt.

Und genau das meint der Papst wahrscheinlich. Das ist ein Fehler einer Wirtschaft. Man muss immer alle versorgen. So habe ich ihn interpretiert. Ob er das wirklich so gemeint hat, weiß ich auch nicht genau. 

Ich bin Franziskus auch in Rom begegnet und Papst Benedikt XVI. im Bundestag. Also immerhin bin ich schon zwei Päpsten in meinem Leben begegnet.

DOMRADIO.DE: Jetzt kommen Sie ja beide aus sehr unterschiedlichen Kontexten, gesellschaftlich, politisch, aber auch religiös. Haben Sie sich schon mal darüber ausgetauscht, wie Sie zu diesem Thema untereinander stehen?

zu Guttenberg: Wir haben das Thema immer wieder gestreift, werden aber mit Sicherheit eine ganze Folge daraus machen. Ich bin in einem sehr katholischen Umfeld aufgewachsen und habe mich schon damit sehr befasst, insbesondere vom Ministrantenleben bis hin zu den jeweiligen Sakramenten, auf die es ankommt. 

Karl-Theodor zu Guttenberg

"Man muss als Mitglied einer Vereinigung auch alles dazu tun, dass sich hoffentlich etwas verbessert."

Aber ich habe auch in den letzten Jahren eine gewisse kritische Haltung gegenüber der Institution Kirche entwickelt, was aber mich nicht dazu bringt, aus der Kirche auszutreten. Ich glaube, das ist immer der falsche Weg. Vielmehr muss man als Mitglied einer Vereinigung auch alles dazu tun, dass sich hoffentlich etwas verbessert. 

Mich interessiert an dem Dialog, den wir dann haben werden, wie 40 Jahre Unterdrückung dieser drei Elemente, die Gregor vorhin genannt hat - Glaube, Religion und Kirche - in der damaligen DDR eine Gesellschaft verändern konnte und ob Religion und Glaube etwas ist, was wiederzugewinnen ist, wenn man mit diesem Erfahrungs- oder Nichterfahrungswert groß geworden ist.

Gregor Gysi

"Mein Vater war, was Religion und Kirchen betraf, immer sehr tolerant."

Gysi: Mein Vater war, was Religion und Kirchen betraf, immer sehr tolerant. Es war ja kein Zufall, dass er zum Schluss Staatssekretär für Kirchenfragen wurde, was von den Kirchen auch ziemlich begrüßt wurde. Da hat er wirklich einiges versucht auf den Weg zu bringen.

Mir hat ein evangelischer Bischof erzählt, dass er meinen Vater auf der Wartburg zum Geburtstag von Martin Luther getroffen hat und dass mein Vater ein Wissen hatte, als ob er eine Biografie von Luther geschrieben hatte. Wir haben immer Kirchen besucht, wenn wir unterwegs waren. Er hat sie mir mal versucht zu zeigen und zu erklären. Dafür bin ich heute dankbar. Aber er war nicht gläubig und hat auch versucht, das zu verhindern.

Wartburg / © Astor57 (shutterstock)

Es gab durchaus auch kirchliche Vertreter, die mich als Rechtsanwalt beauftragten. Ich habe auch bei der evangelischen Kirche und bei der Jüdischen Gemeinde gesprochen. Das war alles ganz interessant, deshalb habe ich dann ein anderes Verhältnis dazu gehabt. 

zu Guttenberg: Ich erinnere mich, dass wir schon mal eine Kirchenfolge hatten. Da warst du, Gregor, allerdings nicht da. Es war nicht so, dass Gregor sich gedrückt hätte, sondern das war tatsächlich ein Terminkonflikt. Damals hatte ich eine Folge mit einem Ersatzspieler, mit Andreas Englisch (deutscher Journalist, der sich auf die Berichterstattung aus dem Vatikan spezialisiert hat, Anm. d. Red.), gemacht. Da hatten wir uns sehr intensiv über die katholische Kirche unterhalten. Deswegen war das schon mal ein ganz guter Startschuss.

Gysi: Und ich habe eine allein gemacht, weil er nicht konnte. Da ging es, glaube ich, um Sport und ich hatte keinen Ersatz-Partner. Ich musste ihn dann mitspielen. Ich habe gesagt: Karl-Theodor würde jetzt das sagen und ich würde das sagen. Das hat die Leute auch amüsiert.

zu Guttenberg: Und für manche ist der Sport ja tatsächlich Ersatzreligion geworden.

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.

Quelle:
DR