Ludwig Ring-Eifel ist von Woelki als Erzbischof enttäuscht

"Kommunikation ist gescheitert"

Euphorie prägte den Antritt des neuen Kölner Erzbischofs vor zehn Jahren. Bald drehte sich aber die Stimmung. Der Journalist Ludwig Ring-Eifel sieht die Verantwortung dafür vor allem in der Kommunikationspolitik von Kardinal Woelki.

Die Kritik an Kardinal Woelki wächst / © Alessandra Tarantino (dpa)
Die Kritik an Kardinal Woelki wächst / © Alessandra Tarantino ( dpa )

Eine andere Perspektive zum zehnjährigen Amtsjubiläum von Rainer Maria Kardinal Woelki als Erzbischof von Köln können Sie im Interview mit Benjamin Leven, dem Redaktionsleiter von communio.de hier lesen.

DOMRADIO.DE: Zu Beginn der Amtszeit war die Euphorie über den neuen Erzbischof sehr groß. Man könnte schon fast sagen, die Erwartungen waren überhöht, auch wegen seines Vorgängers Joachim Kardinal Meisner. War es denn nicht unumgänglich, dass dieser neue Erzbischof diese großen Erwartungen irgendwann enttäuscht? 

Ludwig Ring-Eifel / © Julia Steinbrecht (KNA)
Ludwig Ring-Eifel / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Ludwig Ring-Eifel (Rom-Korrespondent und ehemaliger Chefredakteur der Katholischen Nachrichtenagentur / KNA): Ich war vor zehn Jahren im Kölner Dom dabei. Und ich habe in der Tat damals gedacht: Mein Gott, das ist aber schon sehr euphorisch hier, mit diesem Jubel – wenn das mal gut geht. Das war damals so ein Bauchgefühl. 

Ob es dann aber zu einer solchen Bauchlandung hätte kommen müssen, ist eine müßige Frage. Es steht jedenfalls fest, dass er die Erwartungen nicht erfüllt hat und dass aus der anfänglichen Euphorie dann eine tiefe Depression geworden ist. 

DOMRADIO.DE: In seiner Zeit als Erzbischof von Berlin galt Kardinal Woelki als Reformer, der in einer Mietwohnung gewohnt hat und sich mit Randgruppen getroffen hat. In den Jahren in Köln hat sich das alles zum großen Teil verändert. In einigen Kreisen gibt es die Vermutung, dass sich Woelki nach Meisners Tod gewandelt hat, um spirituell wie kirchenpolitisch das Erbe seines Vorgängers anzutreten. Was halten Sie von der Theorie? 

Ring-Eifel: Das ist ein bisschen Küchenpsychologie, denke ich. Im Grunde war er nie weit weg vom Erbe Meisners. Er ist und war ein konservativer Erzbischof. Das war er auch in Berlin. Damals haben nur die Medien, die auf ihn geguckt haben, die wenigen anderen Elemente gesehen, die er da gezeigt hat, also beispielsweise das Treffen mit den Schwulen und Lesben oder mit den Obdachlosen. Das waren ein paar Sahnehäubchen. 

Darunter blieb aber doch die bittere Wahrheit, dass es sich damals schon um einen im Kern konservativen Erzbischof handelte und auch weiterhin handelt. Das ist in der jetzigen Zeit im Erzbistum Köln der Mehrheit der Gläubigen schwer zu vermitteln. 

DOMRADIO.DE: Es sind vor allem die Spannungen im Erzbistum Köln, die intern für Probleme sorgen. Es gibt aber auch Leute, die sagen, dass das große Problem des Kardinals nicht die eigentlichen Entscheidungen seien, sondern eher die Kommunikation und der Umgang mit dem Menschen. Wie beurteilen Sie das? 

Ring-Eifel: Da ist was dran. Ich glaube, dass die größten Fehler tatsächlich die in der Kommunikation sind. Er hat nach meiner Wahrnehmung die Konfliktfreudigkeit der Menschen in seinem Bistum unterschätzt. Er hat nicht gesehen, dass das Erzbistum Köln nicht nur aus jovialen und harmoniesüchtigen Rheinländern besteht, sondern dass es auch jede Menge Leute gibt, die auf Krawall gebürstet sind und die sich auch gerne mal gegen die kirchliche Obrigkeit positionieren. 

Wenn man in so einem Umfeld agiert und dann auch noch gegen eine ziemliche Medienfront agiert – ich sage nur mal Kölner Stadt-Anzeiger, WDR, Deutschlandfunk, Spiegel und weitere, dann muss man sehr geschickt kommunizieren. Das hat er in keiner Situation hingekriegt. 

DOMRADIO.DE: Im Jahr 2020 gab es die vom Papst ausgesprochene sechsmonatige Auszeit von Kardinal Woelki. So etwas hat es im Erzbistum Köln nie vorher gegeben. Wie ist das zu bewerten, dass der Papst diesen außergewöhnlichen Schritt gegangen ist? 

Ring-Eifel: Das war eine typisch römische Kompromissentscheidung. Das, was gegen Woelki vorlag und durch die apostolischen Visitatoren auch aktenkundig war, das war nicht genug, um ihn zum Rücktritt zu drängen. Es war aber doch klar, dass es sich um eine Krise im Erzbistum handelte. 

Deswegen hat man diesen Mittelweg der Auszeit für ein halbes Jahr gewählt. Auch die hat er aber nach meiner Wahrnehmung nicht optimal genutzt. Das wäre schon eine Möglichkeit gewesen, um noch mal einen Punkt zu setzen und als geläuterter Erzbischof zurückzukehren und sich für bestimmte Dinge so zu entschuldigen, dass die Menschen das auch annehmen. Er hat es ja versucht, aber auch diese Kommunikation ist dann leider wieder gescheitert. 

DOMRADIO.DE: Die Kölner Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Vorwurfs des Meineids. Wie außergewöhnlich ist es eigentlich, dass sich die staatliche Justiz in interne Angelegenheiten eines katholischen Bistums einmischt? 

Ring-Eifel: Das ist mittlerweile bei allem, was mit dem Thema Missbrauch zusammenhängt, durchaus üblich, nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Ländern, dass die weltliche Justiz sich da einschaltet. Insofern sehe ich da keine so außergewöhnliche Situation. 

DOMRADIO.DE: Nehmen wir mal an, es käme tatsächlich zu einer Verurteilung, zum Beispiel wegen Meineids. Was denken Sie, was wäre dann die Reaktion aus dem Vatikan? 

Ring-Eifel: Ich vermute, dass es in so einem Fall gar keiner Reaktion aus dem Vatikan bedürfte, sondern dass dann wahrscheinlich der Kardinal von sich aus noch einmal seinen Rücktritt einreichen und dann auch tatsächlich gehen würde. 

DOMRADIO.DE: Wenn wir das vergangene Jahrzehnt für das Erzbistum Köln und für die katholische Kirche Revue passieren lassen, hat der Erzbischof seiner Diözese unterm Strich eher genutzt oder geschadet? 

Ring-Eifel: Zu behaupten, dass er der Erzdiözese genutzt hätte, ist schon relativ schwierig bei der Bilanz. Was man ihm allerdings hoch anrechnen muss, ist eine gewisse Hartnäckigkeit, mit der er an seinen theologischen und politischen Positionen festhält. 

Das betrifft etwa die Flüchtlingsfrage, das betrifft im Innerkirchlichen, im Dogmatischen bestimmte theologische Fragen, wo er eben nicht dem Zeitgeist nachgibt, sondern seine Linie weiterfährt. Wenn man das richtig gut kommuniziert, kann man so was auch für ein Bistum fruchtbar werden lassen. Das ist ihm aber leider nicht gelungen. 

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.

Quelle:
DR