DOMRADIO.DE: Herzlichen Glückwunsch vom Domradio! Hat sie die Wahl zum neuen Abtprimas überrascht?
Jeremias Schröder (ehemaliger Abt von Sankt Ottilien und neuer Abtprimas der Benediktiner): Nicht ganz, weil in den letzten Wochen und Monaten schon spürbar war, dass viele Äbte über mich nachgedacht haben. Das hat man schon so mitgekriegt. Deswegen war ich dann nicht mehr völlig überrascht.
DOMRADIO.DE: Seit 1500 Jahren ist es ein zentrales Motto der Benediktiner "Auf dass Gott in allem verherrlicht werde". Wo sehen Sie die Aufgaben Ihres Ordens in der heutigen Zeit?
Abtprimas Jeremias: Wir haben auf diesem Kongress sehr viel über Frieden gesprochen. Das war natürlich naheliegend, weil die ganze Welt brennt.
Es waren Äbte aus Klöstern da, die direkt in Konfliktgebieten liegen: aus Dormitio im Heiligen Land; einer unserer Äbte hat bis vor kurzem in der Ukraine gewohnt; wir haben gehört über den bei uns gar nicht wahrgenommenen Bürgerkrieg in Burkina Faso, wo islamischer Terror regiert. Das hat uns sehr bewegt.
Und auch Papst Franziskus hat uns bei der Audienz zum Frieden zur Friedensarbeit aufgerufen. Das wurde so ein Tenor, ein Grundthema unseres Kongresses.
Und dann haben wir uns mit Fragen beschäftigt, die uns im Orden momentan besonders interessieren: Wie läuft unsere gemeinsame Hochschule in Rom? Wir haben auch in die Zukunft geschaut. 1.500 Jahre wollen wir feiern, in den Jahren 2028/2029. Wie machen wir das? Das waren so die großen Themen.
DOMRADIO.DE: In den vergangenen zwei Wochen haben die Benediktineräbte in Rom über diese und auch andere wichtige Fragen gesprochen. Was ist Ihr Fazit? Wie blicken Sie auf den Kongress zurück?
Abtprimas Jeremias: Ich denke, das war ein sehr schöner Kongress. Sehr wichtig. Wir haben uns wegen Covid lange nicht mehr gesehen. Der letzte Kongress war acht Jahre zuvor. Eigentlich soll das alle vier Jahre sein. Jetzt haben wir wieder Fühlung miteinander aufgenommen. Wir sind wieder besser miteinander verbunden und wissen, wo wir gemeinsam hingehen wollen. Das war sehr, sehr wichtig. Einfach atmosphärisch.
DOMRADIO.DE: Und vor einem Monat haben wir mit Ihnen im Interview über Äbte gesprochen, die die Priesterweihe nicht empfangen haben. Im Orden sollte es damit einen einheitlichen Umgang geben, haben Sie gesagt. Das wollten Sie auch auf dem Kongress jetzt besprechen. Haben Sie eine einheitliche Linie finden können?
Abtprimas Jeremias: Das war ganz schön. Ein neugewählter Abt aus den USA war dabei. Es waren auch zwei andere Obere da, die nicht Priester sind. Und wir haben dann einen eigenen Workshop zu diesem Thema veranstaltet und gemerkt, dass da noch ganz viele offene Fragen sind, wie man damit umgeht, selbst wie das Wahlprozedere funktionieren kann. Da gibt es zwei verschiedene Varianten.
Und deswegen wollen wir das noch mal richtig vertiefen. Wir machen jetzt eine Studiengruppe, die das historisch, kirchenrechtlich und auch liturgisch analysieren soll. Damit wir diese Fragen nicht unbedingt einheitlich lösen, aber damit wir den Klöstern, die das brauchen, fundierte Grundlagen geben können und diese die Entscheidungen treffen können, wie sie damit umgehen wollen.
DOMRADIO.DE: Da stehen sie dann allen Abteilungen zur Verfügung oder auch zur Seite. Sie können aber keine einheitliche Linie vorgeben, oder? Das ist nicht Ihr neuer Job?
Abtprimas Jeremias: Nein, das wollen wir auch gar nicht. Diese Verschiedenheit ist wirklich ein uraltes Prinzip des Ordens. Und der Abtprimas muss das auch wahren. Die spannende Aufgabe ist es, in der Verschiedenheit zusammenzuhalten. Aber ich denke mir, das ist wie in der Familie, wo Geschwister auch sehr unterschiedlich sein können und trotzdem den Familiengeist wahren. Und das ist ein bisschen das, was bei uns der Abtprimas tun muss.
DOMRADIO.DE: Nach Ihrer Wahl zum Abtprimas sind Sie dann am Mittwoch das erste Mal in Ihrer neuen Rolle Papst Franziskus im Rahmen der Generalaudienz begegnet. Seine Reaktion war ja dann "Der ist aber jung", als er Sie gesehen hat. Wie haben Sie den Papst erlebt?
Abtprimas Jeremias: Ich fand den Papst erstaunlich gut gelaunt. Er hat von seiner Ostasienreise erzählt, das war das Thema dieser Audienz. Er hat dann verschiedene Gruppen begrüßt, unter anderem auch uns Benediktiner. Und tatsächlich hat er dann sich unterbrochen und gesagt "Ja, und Sie haben den neuen Primas dabei, das ist ja ein recht junger, wie es ausschaut". Da hat er mich nur aus der Ferne gesehen. Aus der Nähe hat er schon gemerkt, dass schon ein paar Fältchen da sind ...
Und hinterher bin ich dann noch zu ihm gegangen, zusammen mit meinem Vorgänger und dem Abt von Montecassino. Da hat er auch noch ein paar sehr persönliche Worte an uns gerichtet über den Frieden. Er hat gesagt: "Wenn ihr für den Frieden arbeitet, müsst ihr drinnen anfangen im Kloster". Da merkt man, dass er was vom Ordensleben versteht. Dann hat er noch mir ganz persönlich ein paar Worte gesagt. Das war sehr rührend.
Das Interview führte Katharina Geiger.