Katholische Kirche kündigt weitere Missbrauchsuntersuchungen an

Fall Hengsbach soll wissenschaftlich untersucht werden

Das Thema Missbrauch in der Kirche bleibt auf der Tagesordnung. Im November soll es einen weiteren bundesweiten Bericht geben. Auch die Vorwürfe gegen den Essener Kardinal Hengsbach werden wissenschaftlich aufgearbeitet.

Hengsbach-Statue in Essen / © Alexander Foxius (DR)
Hengsbach-Statue in Essen / © Alexander Foxius ( DR )

Im November soll ein weiterer Bericht zu sexuellem Missbrauch im Bereich der katholischen Kirche in Deutschland veröffentlicht werden. Dabei handele es sich um ein Zwischenergebnis der Aufarbeitungskommissionen aller Bistümer, wie ein Sprecher der Bischofskonferenz am Mittwoch auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) sagte.

Die Evaluation wurde bei einer Konferenz in Frankfurt vorgestellt. Bei dem Treffen der Aufarbeitungskommissionen der 27 deutschen Bistümer ging es um eine erste Bilanz - gut drei Jahre nach einer gemeinsamen Erklärung der Bischöfe mit der Stelle der Unabhängigen Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung. Die katholische Kirche war die erste größere Institution, die eine solche Vereinbarung mit der Bundesregierung getroffen hat.

Verbindliche Erklärungen

Basis der Arbeit der Aufarbeitungskommissionen in den Bistümern ist eine mit dem damaligen Beauftragten der Bundesregierung vereinbarte "Gemeinsame Erklärung über verbindliche Kriterien und Standards für eine unabhängige Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche in Deutschland". Sie stammt aus dem Jahr 2020 und sieht die Einrichtung von Kommissionen und Betroffenenbeiräten vor. Nach Angaben des Sprechers der Bischofskonferenz sind in allen Bistümern Aufarbeitungskommissionen tätig.

Unterdessen bekundete das katholische Bistum Osnabrück seinen Willen, sich nach der Vorstellung einer Studie zu sexualisierter Gewalt weiter um Aufklärung zu bemühen. "Wir dürfen nicht nachlassen in der Aufarbeitung, Betroffene bestmöglich unterstützen und alles Erdenkliche tun, dass sexualisierte Gewalt keine Zukunft mehr hat", sagte der Verwaltungschef des Bistums, Generalvikar Ulrich Beckwermert, vor Journalisten in Osnabrück. Bisher ergriffene Maßnahmen sollten ausgebaut und verstetigt werden. Auch würden Betroffene weiter eingebunden, und der Dialog mit externen Fachleuten werde fortgesetzt.

Mehr als 400 Betroffene

Die Studie der Uni Osnabrück, an der auch Betroffene beteiligt waren, war vergangenen Mittwoch vorgestellt worden. Von 1945 bis zur Gegenwart ermittelten die Forscher mehr als 400 Betroffene und 122 beschuldigte Priester und Diakone. Nach der Präsentation erster Zwischenergebnisse vor zwei Jahren war im vergangenen Jahr der langjährige Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode zurückgetreten.

Bodes Rücktritt sei auch Folge einer kirchenrechtlichen Anzeige durch den Betroffenenrat gewesen, so Ilona Düing, Vertreterin des Betroffenenrats Nord der Bistümer Hamburg, Hildesheim und Osnabrück. Anders als früher funktioniere der Dialog mit dem Bistum inzwischen deutlich besser. Wichtig sei es, Gemeinden und Institutionen über Täter in ihrer je eigenen Geschichte "betroffenensensibel und mit Augenmaß" zu informieren, sagte sie. In den vergangenen Jahren hatte es im Bistum dazu mehrfach Kritik gegeben. Nachdrücklich forderte Düing, Vertreter des Bistums müssten mit Verantwortlichen des Erzbistums Hamburg sprechen. Auf dessen Gebiet, das bis 1994 zu Osnabrück gehörte, lebten noch viele Betroffene. Dort aber komme die Aufarbeitung von Missbrauch kaum noch voran.

Vorwürfe gegen Kardinal Hengsbach wissenschaftlich untersucht

Am Mittwoch wurde auch bekannt, dass die katholische Kirche die Vorwürfe sexualisierter Gewalt gegen den gestorbenen Essener Kardinal Franz Hengsbach wissenschaftlich aufarbeiten will. Mit der Studie wurden das Institut für Praxisforschung und Projektberatung in München und die Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg beauftragt. Beide waren schon an mehreren kirchlichen Missbrauchsstudien beteiligt.

Die Bistümer Essen und Paderborn hatten vor einem Jahr zwei Missbrauchsvorwürfe gegen Hengsbach (1910-1991) bekannt gemacht. Die Beschuldigungen beziehen sich laut den Forschern zum einen auf Hengsbachs Amtszeit als Bischof von Essen (1958-1990), zum anderen auf seine Zeit im Erzbistum Paderborn (bis 1958). Ins Blickfeld rücke ebenso das katholische Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat, dessen erster Vorsitzender Hengsbach von 1961 bis 1988 war, seine Tätigkeit als Militärbischof (1961-1978) sowie seine Rolle als Generalsekretär und -assistent im Zentralkomitee der deutschen Katholiken (1947-1968).

Quelle:
KNA