So zählte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) allein in den ersten acht Monaten dieses Jahres bereits 2.012 Personen, die von Kirchenvertretern vor einer Abschiebung - meist in einen anderen EU-Staat - bewahrt werden. Zuletzt war die Zahl von rund 500 im Pandemiejahr 2020 auf rund 2.700 im vergangenen Jahr gestiegen. Im Kirchenasyl leben vor allem Asylsuchende, für die eigentlich Bulgarien, Kroatien und Rumänien zuständig sind.
In der vergangenen Woche hatten die Hamburger Behörden ein Kirchenasyl geräumt. Ein 29-jähriger Afghane war aus einem Gebäude der katholischen Pfarrei Heilige Elisabeth im Stadtteil Bergedorf abgeholt und nach Schweden abgeschoben worden. In Hamburg war es das erste Mal, dass so etwas vorkam. Der katholische Erzbischof Stefan Heße und die evangelische Bischöfin Kirsten Fehrs kritisierten das Vorgehen der Behörden am Dienstag im Rahmen einer Mahnwache. Es gebe gute Gründe dafür, die Tradition des Kirchenasyls staatlicherseits zu respektieren, sagte Heße. Bundesweit hatten die Behörden zuletzt immer wieder Kirchenasyle geräumt.
Gegen geltendes Recht
Beim sogenannten Kirchenasyl nehmen Gemeinden oder Ordensgemeinschaften vorübergehend Asylbewerberinnen und Asylbewerber auf, um eine Abschiebung in ihr Heimatland oder die Rücküberstellung in ein anderes Land aufgrund des sogenannten Dublin-Verfahrens abzuwenden. Wer heute in Deutschland Kirchenasyl gewährt, verstößt nach einhelliger Rechtsauffassung gegen geltendes Recht. Es ist daher zwischen Kirchen und Behörden zunehmend umstritten. Eine Handreichung der katholischen Bischöfe spricht vom Kirchenasyl als "letztem Mittel", um in Einzelfällen "unzumutbare Härten" abzuwenden.
2015 hatten sich die Kirchen und das Bamf zudem auf eine neue Form der Zusammenarbeit bei Fällen von Kirchenasyl geeinigt. Nimmt eine Kirchengemeinde einen Asylsuchenden auf, muss sie das noch am selben Tag melden und binnen eines Monats ein aussagekräftiges Dossier über den jeweiligen Asylbewerber beim Bundesamt einreichen. In diesem Jahr prüfte die Behörde bis Ende August insgesamt 1.166 eingegangene Dossiers, eine außergewöhnliche Härte erkannte sie in keinem Fall zu.