Vatikan rügt Schweizer Bischöfe bei Umgang mit Missbrauch

Künftig größere Sorgfalt

Der Vatikan sieht Mängel beim Kampf gegen sexuellen Missbrauch in der Schweiz und rüffelt sechs Bischöfe persönlich. Nach einer internen Untersuchung hatte die Schweizer Bischofskonferenz selbst um ein Schreiben gebeten.

Vatikan-Flagge vor der Kuppel des Petersdoms / © Stefano Dal Pozzolo/Romano Siciliani (KNA)
Vatikan-Flagge vor der Kuppel des Petersdoms / © Stefano Dal Pozzolo/Romano Siciliani ( KNA )

Der Vatikan wirft sechs Schweizer Bischöfen Fehlverhalten im Umgang mit Meldungen über sexuellen Missbrauch vor. Das geht aus einem Schreiben der Vatikanbehörde für die Bischöfe hervor, über das die Schweizer Bischofskonferenz am Freitag auf ihrer Webseite informierte. Demnach hat das Dikasterium unter Leitung von Kardinal Robert Francis Prevost das Verhalten der betreffenden Bischöfe als "nicht korrekt erachtet".

Vatikan fordert mehr Sorgfalt

Es habe sich herausgestellt, "dass die im kanonischen Recht vorgesehenen Verfahren nicht ordnungsgemäß befolgt wurden", heißt es weiter. "Aufgrund dieser formalen Irregularitäten erteilte das Dikasterium für die Bischöfe kanonische Rügen", so die Bischofskonferenz. Das Dikasterium fordere "die gesamte Schweizer Bischofskonferenz auf, künftig aufmerksamer zu agieren, die gemeldeten Missbrauchsfälle mit größter Sorgfalt und Fachkenntnis zu behandeln und dabei alle geltenden Normen des Ermittlungsverfahrens strikt einzuhalten".

Den Angaben zufolge gibt es jedoch keine Hinweise auf strafbare Vergehen, Vertuschung, Nachlässigkeit oder Fehler, "welche die Einleitung eines kanonischen Strafverfahrens erforderlich machen würden". Im Kern geht es laut Informationen des "Pfarrblatts Bern" um Vorwürfe, dass manche Missbrauchsfälle zeitlich verzögert nach Rom gemeldet und dass bei der Auswahl von Priesteramtskandidaten vorgeschriebene Überprüfungen übergangen worden seien. Im Fall der Abtei von St. Maurice wurde demnach beanstandet, dass dort "ein ambivalenter und unangebrachter Umgang der Kleriker im zwischenmenschlichen Umgang" geherrscht habe.

Bei den betroffenen Bischöfen handelt es sich nach Angaben des Schweizer Portals Kath.ch um die amtierenden Bischöfe Jean-Marie Lovey vom Bistum Sitten und Charles Morerod, Bischof von Lausanne, Genf und Freiburg sowie Weihbischof Alain de Raemy, der Apostolischer Administrator im Tessin ist, und Territorialabt Jean Scarcella von der Abtei Saint-Maurice. Dazu kommen der pensionierte Weihbischof Peter Bürcher und der pensionierte Erzbischof Jean-Claude Perisset.

Bischöfe zeigen sich reumütig

Die Schweizer Bischöfe bedauern in ihrer Mitteilung "zutiefst die Fehler, Versäumnisse und die Unterlassungen in der Anwendung der kanonischen Normen". In einem "Lernprozess" wollten sie künftig mit größerer Sorgfalt und Kenntnis der kirchenrechtlichen Verfahren entschiedener gegen Missbräuche in der Kirche vorgehen, auch durch eine professionelle Präventionsarbeit. Das Dikasterium habe gleichwohl auch Fortschritte anerkannt, die man in den vergangenen Jahren bei der Aufarbeitung von Missbrauch in der Kirche gemacht habe.

Dem Vatikan-Schreiben vorausgegangen war eine kircheninterne Voruntersuchung, deren Ergebnisbericht die Schweizer Bischofskonferenz Anfang 2024 nach Rom gesandt hatte. Im Juni drängte sie den Vatikan zu einer Antwort, die nun eingetroffen ist. Einige der gerügten Bischöfe haben laut der Mitteilung bereits persönliche Antworten aus Rom erhalten. Sie würden diese ebenfalls direkt kommunizieren. Weitere persönliche Schreiben würden noch folgen.

Keine Beweise für Missbrauch

Konkret ging es etwa um den Abt der Abtei Saint-Maurice. Jean Cesar Scarcella wurde für unangemessenes Verhalten einem jungen Mann gegenüber gerügt. Gleichzeitig erklärte die zuständige Bischofs-Behörde aber, dass "es in dem betreffenden Fall keine Beweise für Missbrauch oder Belästigung im eigentlichen Sinn gibt". Das teilte die Abtei am Freitag in Saint-Maurice mit.

Dem 72-Jährigen wurde vorgeworfen, sich einem Jugendlichen gegenüber übergriffig verhalten zu haben. Nachdem die Vorwürfe im September 2023 öffentlich geworden waren, hatte Scarcella (72) sein Amt bis auf Weiteres niedergelegt, um die Ergebnisse einer kirchlichen Untersuchung abzuwarten. Am Donnerstag hatte die Staatsanwaltschaft im Kanton Wallis erklärt, alle angezeigten Fälle von sexuellem Missbrauch eingestellt zu haben. In den meisten Fällen seien die Gründe dafür Verjährung oder die Unmöglichkeit, den Sachverhalt zu belegen, hieß es. Dies sei auch bei Scarcella der Fall.

Das Verhalten Scarcellas sei dennoch zu verurteilen, so das Dikasterium für die Bischöfe unter Leitung von Präfekt Kardinal Robert Francis Prevost, da es eine Haltung demonstriere, "die nicht der Vorsicht entspricht, die von Klerikern in zwischenmenschlichen Beziehungen erwartet wird". Dafür werde Scarcella eine "formelle Rüge" ausgesprochen. Die Entscheidung, ob Scarcella nun in sein Amt zurückkehren wird, steht laut Mitteilung noch aus.

Ältestes Kloster des Abendlandes

Die Abtei Saint-Maurice gilt als ältestes Kloster des Abendlandes, das ohne Unterbrechung besteht. Sie untersteht unmittelbar dem Papst. Der Ruf der im 6. Jahrhundert gegründeten Abtei wurde in den vergangenen Monaten durch Vorwürfe sexueller Verfehlungen schwer erschüttert.

Der Scarcella zunächst nachgefolgte klosterinterne Interimsleiter trat zurück, nachdem er der sexuellen Nötigung eines Novizen vor 20 Jahren beschuldigt wurde. Im November ernannte Papst Franziskus den ehemaligen Oberen der Kongregation des Großen Sankt Bernhard, Jean-Michel Girard (75), zum päpstlichen Interimsverwalter (Apostolischen Administrator).

Katholische Kirche in der Schweiz

Die katholische Kirche in der Schweiz hat laut einer aktuellen Statistik rund 2,9 Millionen Mitglieder. Aufgrund von Zuwanderung sei die Zahl trotz eines zuletzt leichten Rückgangs weiter "historisch hoch", teilte das Schweizerische Pastoralsoziologische Institut (SPI) mit.

Schweizer Flagge
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Quelle:
KNA