Kölner Diözesanjugendseelsorger erklärt Beichte und Umgang mit Schuld

"Das Thema Schuld"

Bei der Frage nach dem Gewissen, denkt man in der katholischen Kirche in erster Linie an das Bußsakrament. Der Kölner Diözesanjugendseelsorger Tobias Schwaderlapp erklärt, worauf es bei der Beichte ankommt, vor allem bei Jugendlichen.

Autor/in:
Tim Helssen
Die Beichte ist ein Sakrament, mit dem sich manch einer schwer tut. / © Beatrice Tomasetti (DR)
Die Beichte ist ein Sakrament, mit dem sich manch einer schwer tut. / © Beatrice Tomasetti ( DR )

DOMRADIO.DE: Heute ist auch der "Prüfe dein Leben"-Tag. Bevor man Buße tun kann, muss man sein Leben überprüfen. Warum gehen denn Menschen überhaupt zur Beichte? 

Pfarrer Tobias Schwaderlapp / © Tim Helssen (DR)
Pfarrer Tobias Schwaderlapp / © Tim Helssen ( DR )

Pfarrer Tobias Schwaderlapp (Diözesanjugendseelsorger im Erzbistum Köln): Das ist sehr unterschiedlich, aber die Erfahrung ist schon, dass das Thema Schuld eine der ganz wesentlichen Dimensionen unseres Lebens ist. Wenn sie sich ein bisschen prüfen und darüber nachdenken, wie sie eigentlich leben, stellen die meisten fest, dass nicht immer alle Kriterien und alle Prioritäten so richtig gesetzt sind und sie sich auch hier und da rückblickend etwas vorwerfen müssen. 

Es ist einfach das Thema Schuld. Wo gehe ich hin mit meiner Schuld? Unsere Gesellschaft hat eigentlich keinen richtigen Platz dafür. Da zu sagen: Hier gibt es einen geschützten Raum im sakramentalen Leben der Kirche, wo du auch mit deinen Schattenseiten hinkommen kannst, und du kriegst da genau, wo du selber dir vielleicht nicht verzeihen kannst, wo du selber mit dir unzufrieden bist, genau da eine Heilszusage Gottes, das ist eigentlich das große Geschenk. 

DOMRADIO.DE: Wie fange ich denn so ein Gespräch an? Kann ich dann einfach auch mit dem Priester wie mit einem guten Freund sprechen über das, was mir auf dem Herzen liegt? 

Schwaderlapp: Das ist sehr unterschiedlich. Es gibt Leute, die sehr regelmäßig zur Beichte gehen, die machen ein Kreuzzeichen und fangen dann einfach direkt an zu beichten. Häufig ist es aber auch der Fall, das erlebe ich häufig beim Nightfever Abendgebet im Kölner Dom, bei Firmlingsbeichten oder bei Erstkommunionkindern, die da einfach praktisch keine Erfahrung haben oder deren letzte Erfahrung liegt so viele Jahre zurück, dass sie ganz unsicher kommen. 

Dann beschäftigt sie was, dann bedrückt sie was, aber sie wissen gar nicht, wie das gehen soll. Da braucht man sich wirklich überhaupt nicht zu schämen. Dann kann man einfach sagen: Ich habe ewig nicht gebeichtet oder ich habe noch nie gebeichtet, ich weiß gar nicht, wie das geht, aber ich würde das gerne mal machen. Wie geht das denn? 

Bei mir ist es in der Regel so, ich spreche dann erst mal ein kleines freies Gebet, um uns beiden jetzt vor Augen zu führen, dass wir da jetzt keine Therapiesitzung machen, sondern wir sitzen da gemeinsam in der Gegenwart Gottes und Christi, der uns erst mal eine absolut ungeteilte, liebevolle Aufmerksamkeit zuwendet. Und in dieser Aufmerksamkeit, gewissermaßen zu dritt, sprechen wir dann. 

DOMRADIO.DE: Wie oft sollten denn Katholiken zur Beichte gehen? 

Schwaderlapp: Es gibt eine Regel, das ist die klassische Osterbeichte. Das ist ein Wort, das vielleicht ja auch die älteren Katholikinnen und Katholiken noch kennen, dass man tatsächlich einmal im Jahr zur Beichte gehen sollte. 

Da war die klassische Zeit immer die Fastenzeit, weil sie ohnehin eine Zeit ist, die nicht nur, wie jetzt der 19. Oktober ein "Prüfe dein Leben"-Tag, sondern einfach insgesamt eine "Prüfe dein Leben"-Zeit ist. Innerhalb dessen gilt es auch einmal dieses wichtige und so schöne Sakrament zu empfangen. 

Pfarrer Tobias Schwaderlapp

"Ich bin kein anderer Mensch, weil ich Priester bin. Ich bin auch kein fehlerloser Mensch."

DOMRADIO.DE: Wie ist denn das als Priester? Geht man denn dann selber auch zur Beichte? 

Schwaderlapp: Ja, das ist absolut notwendig. Das muss ich mir auch wirklich sehr vor Augen führen. Ich bin kein anderer Mensch, weil ich Priester bin. Ich bin auch kein fehlerloser Mensch. Im Gegenteil, ich habe eine hohe Verantwortung, zunächst einmal an mir zu arbeiten und nicht Wasser zu verkündigen und Wein zu trinken. 

Das ganze Thema des Pharisäers, wie er im Evangelium vorkommt, schwebt schon auch immer als große Drohrede über allen, die sich zu Christus bekennen, aber im besonderen sicherlich zu denen, die eine besondere Aufgabe in der Kirche haben. Insofern bemühe ich mich, so einmal im Monat zur Beichte zu gehen und empfinde das auch als sehr heilsam. 

Beichtstuhl in einer Kirche / © Julia Steinbrecht (KNA)
Beichtstuhl in einer Kirche / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Ich bin auch froh, dass das sich die Beichtpraxis und die Gelegenheiten, die Formate, die Orte, die Gestaltung des Raumes, all diese Dinge in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten ein bisschen weiterentwickelt haben. Es gibt nach wie vor viele Leute – und ich gehöre auch manchmal dazu, die gerne in den Beichtstuhl gehen. An dieser Stelle muss ich, wenn ich mich manchmal schäme für das, was ich getan habe, keinem unmittelbar in die Augen gucken, sondern ich mache mir bewusst, im Grunde erzähle ich das dem lieben Gott, der mich hier sieht. 

Es hat so etwas gewissermaßen halb Anonymes. Ich empfinde das manchmal als ganz schön, aber ich bin super froh, dass die Beichte nicht darauf beschränkt ist, in einer solchen Kammer stattzufinden. Beim Nightfever Abendgebet im Kölner Dom ist das immer sehr schön gestaltet. Da sitzt man einfach im Chorumgang hinten um den Dreikönigsschrein zu zweit jeweils. Da ist eine Kerze auf dem Boden, ansonsten hat man da Ruhe. Nebenan spielt ein bisschen die Musik und man kann in einem vertrauten Rahmen miteinander sprechen. Alles das trägt natürlich dazu bei, irgendwie einladend zu wirken. 

Pfarrer Tobias Schwaderlapp

"Überdenke dein Leben. Das Leben besteht nicht nur aus Schuld, aber es besteht eben auch aus Schuld."

DOMRADIO.DE: Was ist bei Kindern und Jugendlichen im Blick auf die Beichte wichtig?

Schwaderlapp: Ich mache den Firmlingen immer erst einmal klar, dass es hier nicht darum geht, sich was aus den Fingern zu saugen, sich im Grunde künstlich runterzuziehen und zu einem schlechteren Menschen zu machen, als man ist. 

Es geht darum, den Raum zu öffnen, gerade im Blick auf die Firmung. Das Sakrament der Firmung ist das Sakrament der Stärkung, so die Übersetzung. Und wenn ich da hingehe und sage: Ich würde gerne gefirmt, also gestärkt werden, dann stellt sich für mich damit automatisch die Frage: Worin denn? Die Baustellen, die du hast, sind doch andere Baustellen, die ich habe. 

Da merke ich manchmal, es ist meine eigene Schwäche, Feigheit oder meine eigene Trägheit, die mir so im Weg steht. Andere haben aber ganz andere Baustellen. Und da kann man sagen: Pass mal auf, jetzt hier in diesem Rahmen, lieber Gott, komme ich mal zu dir persönlich mit dem, was ich als eine Baustelle in meinem Leben empfinde und erbitte von dir genau da eine Stärkung. Das ist das, was in der Beichte stattfindet. 

Gerade bei den Kommunionkindern legen wir auch immer häufig sehr viel Wert darauf, zu sagen: Erzähl doch erst mal, was du gut kannst. Worauf bist du denn stolz? Überdenke dein Leben. Das Leben besteht nicht nur aus Schuld, aber es besteht eben auch aus Schuld. Da müssen wir irgendwie religiös einen Rahmen für bieten.

Das Interview führte Tim Helssen.

Beichte

In der katholischen Kirche ist die Beichte Ausdruck der Umkehr des schuldig gewordenen Menschen. Im Rahmen des Bußsakraments wird der Gläubige durch einen Priester von seinen Sünden losgesprochen. Voraussetzung für die Vergebung ist erkennbare Reue, das Bekenntnis der eigenen Schuld sowie der Vorsatz, das Verhalten zu ändern und entstandenen Schaden wiedergutzumachen. Der Beichtvater ist durch das Beichtgeheimnis zu unbedingtem Stillschweigen über das Erfahrene verpflichtet. Die Verletzung des Beichtgeheimnisses wird mit schweren Kirchenstrafen geahndet.

Papst nimmt die Beichte ab (KNA)
Papst nimmt die Beichte ab / ( KNA )
Quelle:
DR