Mit dem Selbstbestimmungsgesetz werden Geschlechtsänderungen im Ausweis stark vereinfacht. Trotz vieler Begrüßungsbekundungen sagen Einige: Für queere Menschen reicht das noch nicht.
Der katholische Queer-Beauftragte Ludger Schepers fordert von seiner Kirche mehr Akzeptanz von Geschlechtervielfalt. Es gebe etwas zwischen männlich und weiblich, sagte der Essener Weihbischof im Interview der Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ) am Donnerstag in Essen.
"Der umfassendere Begriff ist für mich der Mensch, und ob der trans, bi oder was auch immer ist, ist sekundär." Schepers ist erster Beauftragter für queere Seelsorge der Deutschen Bischofskonferenz.
Sensibilisierung in katholischen Einrichtungen
Mit dem englischen Wort queer bezeichnen sich Menschen, die nicht heterosexuell sind oder deren geschlechtliche Identität nicht mit gesellschaftlichen Rollenbildern übereinstimmt. Unter ihnen sind Personen mit gleichgeschlechtlicher Orientierung die wohl größte Gruppe.
Als Queer-Beauftragter sensibilisiert er die Kirche zum Beispiel für schwule, lesbische und transsexuelle Menschen, erklärte Schepers. "Auch sprachlich, sodass es keine Diskriminierung dieser Personen mehr gibt." So würden Fachkräfte in katholischen Kitas oder Priester darauf vorbereitet, wie sie gleichgeschlechtlichen Paaren oder Transmenschen begegnen.
Änderung bedeute nicht immer Anpassung
Schepers stellte Aussagen im Katechismus der katholischen Kirche infrage, der homosexuelle Handlungen als Sünde bezeichnet. Das Buch der katholischen Glaubenslehre sei nicht unveränderlich.
Dinge hätten ihre Zeit und ihre Zeitgeschichte - und nicht jede Änderung bedeute gleich eine Anpassung an den Zeitgeist. "Sondern sie ist notwendig, um die Botschaft in unserer heutigen Zeit zu leben, so wie Jesus es gewollt hätte", sagte der Bischof.
Antidiskriminierungsbeauftragte für Schutz von Queeren
Die Antidiskriminierungsbeauftragte des Bundes, Ferda Ataman, wünscht sich einen verfassungsrechtlichen Schutz für queere Menschen in Deutschland. "Im Grundgesetz sind queere Menschen noch immer nicht explizit geschützt, das Diskriminierungsverbot in Artikel 3 muss um das Merkmal sexuelle Identität ergänzt werden", sagte Ataman den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Freitag).
Auch das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz müsste in dieser Hinsicht reformiert werden. Trans-Personen seien besonders häufig Gewalt ausgesetzt, mahnte die Beauftragte. "Wir müssen sie besser schützen und dafür sorgen, dass sie Teil dieser Gesellschaft sind und überall sicher leben können."
Ataman äußerte sich anlässlich des Inkrafttreten des Selbstbestimmungsgesetzes. Damit ist für die Änderung des Geschlechtseintrags und des Namens nur noch eine einfache Erklärung bei einem Standesamt nötig - statt wie bisher zwei psychiatrische Gutachten sowie ein Gerichtsbeschluss. Dabei gibt es vier Möglichkeiten: männlich, weiblich, divers oder keine Angabe. Das bedeutet, dass der bisherige Eintrag gestrichen werden kann. Betroffene konnten sich dafür bereits seit dem 1. August bei den Standesämtern anmelden.
Ataman: Für alle anderen ändert sich nichts
Die Beauftragte begrüßte das Gesetz ausdrücklich. Deutschland knüpfe damit an internationale Standards an. "Ein Selbstbestimmungsgesetz betrifft eine kleine Minderheit und hilft ihr. Für sie wird das Leben einfacher, für alle anderen ändert sich nichts - anders als vielfach behauptet", betonte Ataman.