DOMRADIO.DE: Aktuell sieht es stark danach aus, dass Donald Trump die Wahl gewinnt. Dann könnte er die Wirtschaft in Europa schädigen oder den Schulterschluss mit Russland suchen. Wie kriegt man das da hin, nicht die Hoffnung zu verlieren?
Bruder Paulus: Als ich das heute Morgen gehört habe, war ich auch erst mal erschüttert. Dann habe ich mich gefragt: Warum bin ich eigentlich erschüttert? Die Amerikaner sind ja nicht blöd, sie sind ein erfahrenes Volk. Warum soll ich den Stab darüber brechen, wenn sie diesen Weg so gehen wollen? Nur weil ich deren Entscheidungen nicht verstehen kann, sollte ich trotzdem Respekt vor ihrer Entscheidung haben, wenn ich mich selber als Demokrat empfinde.
Wir befinden uns in einer Episode der Weltgeschichte, in der überall Krisen auftauchen. Wir brauchen in Deutschland nicht zu tun, als hätten wir bessere, demokratische Lösungen. Wir sollten erstmal vor der eigenen Haustüre kehren. Da sollte sich jeder erstmal selber fragen, was er für ein gutes Miteinander und für die Demokratie in unserem Land tun kann.
DOMRADIO.DE: Sie haben durch Ihre Arbeit schon vielen Menschen aus Zeiten der Angst und Mutlosigkeit geholfen. Haben Sie ein Rezept, das immer funktioniert?
Bruder Paulus: Ich glaube, dass jeder in seine Geschichte gucken muss. Elie Wiesel sagte: "Erinnerung ist das Geheimnis der Erlösung." Woher nehmen Juden heute die Kraft? Wo haben sie nach dem Holocaust die Kraft hergenommen? Natürlich aus der Zusage des Segens Abrahams, aus der Erfahrung des Exodus, aus der Erfahrung, dass sie Segen Gottes haben.
Es kann sich auch jeder persönlich fragen, was er schon durchgestanden hat, wer an seiner Seite war. Vielleicht lohnt es sich, sich das Handy-Fotoalbum anzugucken und die Bilder im Regal. Tief einzuatmen und zu sagen: Da bin ich auch schon durchgekommen und ich lebe noch. Aus dieser Erinnerung Kraft schöpfen. Wenn mich heute Ängste befallen, kann man zu sich sagen: "Auch das werde ich packen".
DOMRADIO.DE: Gibt es eine Figur, an der sich zeigen lässt, dass es sich wirklich lohnt, nicht die Hoffnung zu verlieren?
Bruder Paulus: Die beste Figur, finde ich, ist der Jakob, der am Jabbok mitten in der Nacht mit Gott kämpft. Das Gegenbild dazu ist Jesus, der am Ölberg mitten in der Nacht Angst hat und Blut schwitzt. Wir können daraus lernen, dass wir die Ängste zulassen dürfen. Wir können uns Leute suchen, mit denen wir zittern und suchen können. Aber dann fassen wir uns and die Hand und sagen uns miteinander, dass es eine Kraft gibt, die von Gott her in dieses Leben kommt. Diese Kraft ist Kreativität, ist Heiliger Geist, ist Aufbau, ist Neuaufbruch. Und dann bin ich schnell in der Osternacht und denke: 'Aus dem härtesten Stein kann noch ein Lebensfeuer geschlagen werden.' Und das lässt mich ständig zuversichtlich sein.
DOMRADIO.DE: Wie kann der Glaube in der Hoffnungslosigkeit unterstützen?
Bruder Paulus: Der Glaube, der uns zugesagt ist, sagt ja, dass Gott inmitten des Kreuzes kreativ am Werk gewesen ist, während des Kreuzweges. 14 Stationen haben wir in der Kirche, die man durcharbeiten kann. Der Kreuzweg sollte viel öfter gebetet werden. 14 Mal die Knie beugen, 14 Mal sagen:
"Ich bete dich an, Herr Jesus Christus".
Dann wieder aufstehen aus der Kniebeuge. Das sind Leibesübungen, die auch der Seele helfen und die sagen: 'Gott geht mit dir in die Tiefe, er steigt mit dir in dein Leid, in deinen Tod, er steigt mit dir in deine Verzweiflung, und dort sendet er dir seinen Geist zu. Er pustet dir seine Kraft zu, macht dir Beine und lässt dich wieder ganz neu auf die Welt schauen, ganz neu gehen und lässt dich ganz neu handeln in der Welt!.
DOMRADIO.DE: Wie kann ich anderen Menschen Hoffnung machen? Haben Sie da noch einen Tipp?
Bruder Paulus: Ich glaube, wir sollten aufhören, einfach nur die schlimmen Nachrichten zu wiederholen. Als Christen sind wir ja eigentlich Menschen der guten Nachricht. Es gibt viel mehr Gutes als Schlechtes zu erzählen. Es gibt ja nicht nur Donald Trump, es gibt ja noch 360 Millionen andere Amerikaner. Es gibt Menschen, die sich auf den Weg machen, die das Neue suchen. Wunderbare Leute, junge Menschen, bereit etwas Neues zu tun. Selbst wenn Krieg tobt und wenn die Leute glauben, dass Waffen das letzte Wort haben müssen, gibt es immer wieder Menschen, die inmitten des ganzen Getümmels aufstehen.
Darum kann ich anderen dadurch Mut machen, dass ich erstens ihre Angst ernst nehme und das zweite sage: 'Du, lass uns miteinander nach vorne schauen, dort ist eine Zukunft, an dich ich als Christ glauben kann und die von Gott gestaltet ist'. Das gibt mir viel mehr Kraft und Motivation als als die vielen schlimmen kurzen Schreckensnachrichten, die in mein Leben regnen.
Das Interview führte Lara Burghardt.