Das Oberhaupt der anglikanischen Gemeinschaft teilte am Dienstag über seine Social-Media-Accounts auf Facebook und X mit, dass er sein Amt niederlege. "Es ist ganz klar, dass ich persönlich und institutionell die Verantwortung für die lange und retraumatisierende Zeit zwischen 2013 und 2024 übernehmen muss", heißt es in der Erklärung.
Er hoffe, dass seine Entscheidung klar mache, wie ernst die Kirche von England die Notwendigkeit von Änderungen nimmt und wie tiefgreifend die Verpflichtung ist, die Kirche sicherer zu machen. "Meinen Rücktritt erkläre ich mit tiefem Bedauern für alle Opfer und Überlebende von Missbrauch."
Weiterer Zeitplan noch unklar
Der genaue Ablauf stehe noch nicht fest. "Es ist meine Pflicht, meinen verfassungsmäßigen und kirchlichen Verpflichtungen nachzukommen, daher wird der genaue Zeitplan festgelegt, sobald eine Überprüfung der erforderlichen Verpflichtungen abgeschlossen ist, einschließlich derer in England und in der anglikanischen Gemeinschaft", so Welby weiter.
Welby und die anglikanische Kirche von England werden in dem vor wenigen Tagen veröffentlichten Untersuchungsbericht "Makin Report" zu Missbrauch innerhalb der Kirche schwer belastet. Laut den Ergebnissen hat die Church of England beim Umgang mit einem Serien-Missbrauchstäter versagt.
Demnach wusste Welby seit 2013 über den Jahrzehnte langen Missbrauch durch einen Helfer in kirchlichen Jugendcamps Bescheid. Dennoch sei nichts unternommen worden, um zur Aufklärung beizutragen.
Welby räumte nach der Veröffentlichung persönliche Versäumnisse ein, lehnte einen Rücktritt aber zunächst ab. Seit dem 9. November haben mehr als 11.000 Personen eine Petition für Welbys Rücktritt unterzeichnet. Gestartet hatten diese drei Mitglieder der Generalsynode, des Kirchenparlaments.
Kirchlicher Quereinsteiger
Welby ist ein kirchlicher Quereinsteiger. Der Jurist, Öl-Manager und Familienvater wurde erst 1993 zum Priester und 2011 zum Bischof geweiht. Der frühere Finanzexperte des Konzerns "Elf Aquitaine" steht für Realitätssinn, rasche Auffassungsgabe und Weltläufigkeit. Die Berufsausbildung makellos: Schulabschluss in Eton; Jura und Geschichte in Cambridge und Dublin; Managerposten in Paris und London zur Finanzierung von Ölförderprojekten in Nigeria.
Der Unfalltod seiner kleinen Tochter, eines seiner sechs Kinder, brachte ihn der Religion näher. 1989 orientierte er sich radikal um; Welby studierte Theologie, wurde später Dekan der Kathedrale von Liverpool. Im britischen Oberhaus sitzt er heute im Ausschuss für Bankenaufsicht.
Als Kirchenoberhaupt äußerte Welby 2015, nach den islamistischen Anschlägen von Paris, auch Zweifel an Gott - und begründete auch das autobiografisch: Dort in Paris hätten er und seine Frau einst ihre glücklichste Zeit erlebt.
Der Erzbischof kann auch sonst Schwäche zeigen und Verletzungen einräumen. So sprach er 2019 zum Welttag der seelischen Gesundheit offen über seinen Kampf gegen Depressionen. Er habe 2018 erkannt, dass er Hilfe brauche, auch wenn das nicht einfach gewesen sei. Mit 60 Jahren erfuhr das Oberhaupt von Englands Staatskirche 2016 durch einen DNA-Test, dass er der uneheliche Sohn eines Privatsekretärs von Ex-Premier Winston Churchill ist. Auch das kommunizierte Welby souverän - und erntete dafür großen Respekt.
Information der Redaktion: Artikel wurde am 12.11.2024 um 16:11 Uhr aktualisiert.