DOMRADIO.DE: Der Kirchenvorstand hat beschlossen, die Kirche zu verschenken. Wie ist es dazu gekommen?
Ulrich Schröder (Vorsitzender des Kirchenvorstands der Evangelischen Kirchengemeinde Bad Nauheim): Wir wissen schon seit 15 Jahren, dass der Zustand der Kirche nicht zeitgemäß ist. Es gibt keine Dämmung, es gibt keine Heizung. Die Toiletten sind nicht barrierefrei und auch nicht auf dem neuesten Stand.
Deswegen hat es in vielen Arbeitsgruppen Überlegungen gegeben, neue Ideen zu entwickeln. Da gab es auch viele tolle Ideen, aber es gab nie den Euro dazu, das auch umzusetzen. Daher haben wir über die Jahre überlegt, dass es eine andere Nutzung mit einem externen Partner geben muss.
Dann sollte dort ein stationäres Hospiz entstehen. Das ist leider am Widerstand der Nachbarn gescheitert. Schließlich kam der Förderverein Inklusion Bad Nauheim auf uns zu und fragte, ob da nicht ein Wohnprojekt für behinderte junge Menschen entstehen kann.
DOMRADIO.DE: Darf man denn so einfach eine Kirche verschenken?
Schröder: So einfach ist das nicht. Erstmal ist das nicht so einfach gegangen, es hat sich über viele Jahre entwickelt. Wir wollten ja auch die Gemeindemitglieder mitnehmen, denn da gab es am Anfang viel Widerstand, viele Emotionen waren damit verbunden.
Es gab über die Jahrzehnte viele Trauungen und Taufen in der Kirche. Deswegen war das gar nicht so einfach. Es war auch insoweit nicht einfach, als dass wir uns auch die kirchenaufsichtliche Genehmigung dafür holen müssen. Das heißt, wir müssen unsere Landeskirche Hessen Nassau mit guten Argumenten davon überzeugen, diesen Weg zu gehen. Aber das hat funktioniert.
DOMRADIO.DE: Ist es bei der evangelischen Kirche kompliziert, was die Gebäudeprozesse angeht?
Schröder: Mit guten Argumenten geht alles. Der Prozess ist langwierig und kompliziert, aber es ist nicht unmöglich. Das führte auch zu einer Offenheit, über völlig neue Dinge nachzudenken. Vielleicht war das entscheidend.
DOMRADIO.DE: Das mediale Echo war groß. Aber nicht nur Medienvertreter haben Sie kontaktiert. Da waren auch Kirchenvertreter mit dabei. Aus welchen Gründen haben die dann Kontakt mit Ihnen aufgenommen?
Schröder: Ich wurde in den letzten Tagen öfter angerufen, weil die Wege, eine neue Nutzung zu finden, gar nicht so bekannt sind. Es braucht Ansprechpartner in der Kirchenverwaltung. Wer ist das? Die Kollegen in den anderen Kirchenvorständen arbeiten alle ehrenamtlich. Das heißt, man muss sich den Weg erschließen, wie man zu so etwas kommt. Da habe ich mich gefreut, dass ich auch den einen oder anderen Tipp geben konnte.
DOMRADIO.DE: Was genau soll denn jetzt mit der Johanneskirche passieren?
Schröder: Das Projekt ist eine ehrenamtliche Initiative, bei der acht bis zehn Wohnplätze für junge Menschen mit Behinderung entstehen sollen. Das Dilemma ist, dass junge Menschen, wenn sie ein gewisses Alter erreicht haben, eine besondere Wohnform brauchen. Das hat sich der Verein auf die Fahne geschrieben.
Wir fanden das Projekt so gut, dass wir gesagt haben, dass wir unsere Johanneskirche dort quasi als Startkapital einbringen.
Das Interview führte Dagmar Peters.