Junge Organistin wird durch Popmusik Botschafterin der Kirchenorgel

"Auf einmal ist die Kirche voll geworden"

Constanze Hochwartner interpretiert im Internet Popmusik auf der Kirchenorgel. Auf TikTok und Instagram werden ihre Videos millionenfach geklickt. Doch zu Beginn konnte sie sich nicht vorstellen, wie das funktionieren kann.

Autor/in:
Oliver Kelch
Symbolbild Eine Frau spielt eine Orgel / © Julia Steinbrecht (KNA)
Symbolbild Eine Frau spielt eine Orgel / © Julia Steinbrecht ( KNA )

DOMRADIO.DE: Wie sind Sie auf die Idee gekommen, Pop und Filmmusik auf Kirchenorgeln zu spielen, zu interpretieren?

Constanze Hochwartner (privat)
Constanze Hochwartner / ( privat )

Constanze Hochwartner (Organistin und Influencerin): Alle meine Geschwister haben Instrumente gelernt, meine Eltern waren mit uns im Musikverein, in der Wiener Staatsoper, im Konzerthaus. Ich bin sehr klassisch beeinflusst und bin natürlich auch so ausgebildet worden. Ich habe Orgel und Klavier an der Kunstuniversität Graz studiert. Ich war lange in dieser klassischen Box. 

Ich wollte unbedingt auftreten. In meinen Konzerten hat man eine lange Zeit nur das klassische Orgelrepertoire gehört. Und als meine Karriere dann ein bisschen fortgeschritten war, habe ich mir auch Instagram und TikTok zugelegt. 

Dann haben mich Fans und Follower angeschrieben, ob ich nicht mal ihr Lieblingsstück auf der Orgel spielen würde? Ich habe wirklich lange gebraucht, um mich überreden zu lassen. Einige haben mich jahrelang darum gebeten. Sie schrieben, dass sie sich das sehr wünschen, und sagten: "Bitte, mach das. Ich kann mir vorstellen, dass das cool wäre." Aber irgendwie wollte ich nicht raus aus meiner klassischen Box. Ich dachte, wenn ich den Schritt in diese Richtung gehen würde, werde ich von der klassischen Welt vielleicht nicht mehr so wahrgenommen, wie ich gerne wahrgenommen werden würde. 

Kurz vor Weihnachten 2023 habe ich mir dann aber gedacht, dass ich es einfach mal probiere. Wenn die Leute sich das so sehr wünschen, dann lade ich davon einfach mal Videos hoch. Und wenn mein Instrument dadurch zu einem größeren Publikum gelangt und es die Orgel auch für junge Leute interessanter macht, warum denn nicht? 

Dann habe ich ein Video hochgeladen und das ist verrückterweise viral gegangen. Das hat mittlerweile auf jeder Plattform um die 15 Millionen Views. Das hätte ich niemals gedacht. Aber anscheinend ist es das, was die Leute gerne hören wollen und was auch die Orgel wieder interessant macht. Das freut mich natürlich. 

DOMRADIO.DE: Welche Herausforderung gibt es denn, wenn man sich an eine Kirchenorgel setzt und nicht das klassische Kirchenrepertoire, sondern Film- oder Popmusik spielt? 

Constanze Hochwartner

"Auf Instagram schauen die Leute sich Videos an, weil sie entertaint werden wollen."

Hochwartner: Man muss sich erstmal überwinden, das auszuprobieren. Ich konnte mir gar nicht vorstellen, wie das funktionieren kann. Wie kann ich das, was eine ganze Band oder ein Orchester auf der Bühne spielt, mit meinem Instrument herüberbringen? Das war ein langer Prozess. Ich habe mich hingesetzt, herumprobiert, den Computer gestartet und ein Arrangement niedergeschrieben. Ich habe mir überlegt, welche Stimmen ich wo hinlege, auf welches Manual, mit welchen Registern, was ins Pedal kommt? 

Ich habe mich gefragt, wie ich das attraktiv gestalten kann. Nicht nur für den Hörer, sondern auch für den Zuschauer. Das Video muss natürlich auch interessant sein. Auf Instagram schauen die Leute sich Videos an, weil sie entertaint werden wollen.

Diese Präsenz im Internet ist seit November 2023 gewachsen und man sieht ganz gut, wie sich das von diesem ersten Entwurf bis heute entwickelt hat. Es sind so viele kleine Stimmen dazugekommen, hier noch ein Element, da noch ein Element und jetzt ist eben ein Gesamtkonzept daraus entstanden. Ich bin auch wirklich froh, dass ich so lange daran gearbeitet und mir die Zeit gelassen habe. Nur dadurch ist das Projekt so geworden, wie ich es mir vorgestellt habe und wie die Leute es sich wünschen.

DOMRADIO.DE: Die Orgel kann auch ein Symphonieorchester ersetzen. Im 19. Jahrhundert ging es damit los, dass Komponisten die Orgel als symphonisches Instrument angesehen haben. Wollen Sie diese Tradition fortführen?

Hochwartner: Ich denke, dass das ein wichtiger Schritt für die Orgelmusik ist. Auch wir müssen die neuen Plattformen erforschen und schauen, wofür sich die Menschen interessieren. Wir wollen die Orgel ja auch wieder ins Rampenlicht rücken. Sie sind natürlich in der Kirche behaftet und wir hören sie jeden Sonntag im Gottesdienst, und das finde ich auch wunderbar. 

Ich selbst habe, als ich noch in der Schule war, jeden Sonntag drei bis fünf Messen gespielt. Das hat mir eine unglaubliche Freude bereitet, aber ich habe eben auch gesehen, dass das Publikum eher auf der älteren Seite war. Ich bin froh darum, dass ich mit diesem Schritt eben auch das junge Publikum erreichen kann, und dass Kinder auch sagen: "Wow, Orgel kann cool sein, ich möchte auch Orgel lernen."

DOMRADIO.DE: Wie reagieren denn die Menschen, die Sie zufällig in der Kirche hören, wenn Sie eben kein klassisches Repertoire spielen, sondern beispielsweise bekannte Filmmusik?

Hochwartner: Wenn ich in der Kirche sitze und übe, ist die Kirche zu Beginn in der Regel noch leer. Wenn ich fertig bin, höre ich unten, wie die Menschen Geld in den Klingelbeutel schmeißen. Das zieht die Leute richtig rein. Wenn ich mir das dann anschaue, dann sehe ich, dass die Kirche auf einmal voll geworden ist. Ich spiele die Musik ja für die Menschen, die diese Stücke gerne Radio hören oder privat in der Wohnung - nur eben neu interpretiert auf der Orgel. 

Das beeindruckt die Menschen unglaublich. Ich hätte mir nichts Besseres wünschen können. Es ist sehr schön zu sehen, dass es den Menschen gefällt. 

DOMRADIO.DE: Sie haben Chevaliers de Sangreal von Hans Zimmer umgesetzt, dem Star-Komponistem, der das Stück für den Film "The Da Vinci Code" komponiert hat. Was reizte Sie an diesem Titel? 

Zur Aufführung kommen im Vatikan berühmte Melodien des deutsch-amerikanischen Komponisten Zimmer / © Jordan Strauss (dpa)
Zur Aufführung kommen im Vatikan berühmte Melodien des deutsch-amerikanischen Komponisten Zimmer / © Jordan Strauss ( dpa )

Hochwartner: Ich orientiere mich sehr stark an meinen Fans und Followern. Ich bekomme sehr viele Anfragen, in denen mir Leute schreiben, welchen Titel sie gerne hören würden. Dieser Song war häufig dabei. 

Dieser Titel ist einfach unglaublich. Daran zu arbeiten und ihn niederzuschreiben, hat mir eine unglaubliche Freude bereitet. Er ist so facettenreich und so vielschichtig. Diese verschiedenen Schichten kann ich auf der Orgel auch so perfekt wiedergeben, weil ich die Register auswählen konnte, bei denen ich das Gefühl hatte, dass die ähnlich klingen, wie das Symphonieorchester und wie Hans Zimmer sich das vorgestellt hat. 

Ich habe stundenlang da gesessen, weil es so viel Spaß gemacht hat, das zu instrumentieren und das zu fühlen.

DOMRADIO.DE: Wie fühlen Sie sich, wenn Sie dieses Stück hören? 

Hochwartner: Ich habe diese Künstlerkrankheit, dass ich mir immer, wenn ich ein Stück wieder höre, denke, dass ich das ein oder andere anders hätte machen können. Hier noch was einfügen, da noch ein bisschen pompöser oder epischer. Aber im Großen und Ganzen bin ich wirklich zufrieden mit dem Endprodukt. Es ist immer eine Freude das zu hören, weil ich weiß, wie viele Stunden ich da hereingesteckt habe.

DOMRADIO.DE: Hat Hans Zimmer sich schon bei Ihnen gemeldet? 

Hochwartner: Nein, leider noch nicht. 

DOMRADIO.DE: Sehen Sie in Ihren Interpretationen eine Brücke zwischen sakraler und moderner Musik?

Constanze Hochwartner

"Die Leute werden offener, wenn sie sehen, wie diese moderne Musik inkludiert ist, wie das Publikum interessierter ist, in die Kirchen zu kommen."

Hochwartner: Freunde von mir haben mich gefragt, ob ich bei Taufen von ihren Kindern spielen würde oder bei Hochzeiten. Ich finde das toll. Zuerst singt die Gemeinde einen Choral und danach wünschen sie sich "L´amour toujours" von Gigi D´Agostino. Wie sich das vermischt und wie das heutzutage alles in der Kirche funktioniert. 

Die Leute werden offener, wenn sie sehen, wie diese moderne Musik inkludiert ist, wie das Publikum interessierter ist, in die Kirchen zu kommen. Insgesamt wird das alles etwas facettenreicher.  

DOMRADIO.DE: Was bedeutet es Sie für Sie persönlich, Musik aus anderen Genres in Kirchen zu spielen? 

Hochwartner: Ich finde es jedes Mal wieder spannend. Jede Orgel ist verschieden. Ich gehe in Kirchen und ich weiß nicht genau, was mich erwartet. Die Klänge unterscheiden sich, das Zusammenspiel zwischen Instrument und Raum, wie sich alles mischt, wie es auf die Leute wirkt. Ich genieße es, das alles ausprobieren zu können.

DOMRADIO.DE: Sie haben ein Album herausgebracht: "Nani Vol. 1" Was bedeutet dieses Wort, Nani? 

Hochwartner: Es ist ein sehr persönliches Album, mit riesigem emotionalem Wert. Es ist eine Zusammenarbeit zwischen mir und meinen Fans und Followern. Das Team, mit dem ich es aufgenommen habe, ist sehr familiär. Ich konnte es nur mit meinen Freunden gemeinsam umsetzen. Ich habe ein bisschen Scheu davor gehabt, es mit der Welt zu teilen, weil ich nicht wusste, ob sie wirklich bereit dafür ist. Deswegen habe ich mich dann auch für den sehr persönlichen Namen Nani entschieden. 

Als meine kleine Schwester Annika auf die Welt gekommen ist und gerade begonnen hat zu sprechen, konnte sie meinen Spitznamen "Stanzi" nicht aussprechen und so wurde dann Nani draus. Seitdem bin ich für meine kleine Schwester und für alle anderen aus der Familie die Nani. Ich dachte mir, dass das ein passender Name für das Album ist, weil er so persönlich ist. Ich dachte mir, das passt genau zusammen.  

Constanze Hochwartner (privat)
Constanze Hochwartner / ( privat )

DOMRADIO.DE: Wie sind denn die bisherigen Reaktionen auf Nani Volume One? 

Hochwartner: Die Leute streamen online, ich erhalte so viel positives Feedback. Ich habe das Gefühl, ich erreiche viele neue Leute durch das Album. Ich habe ein Fanpaket, das mit einem Poster von mir und der CD kommt. Zunächst wusste ich nicht, ob ich das überhaupt machen soll, aber die Bestellungen sind ja echt. 

Ich muss jede Woche ein paar Mal zur Post gehen, um diese Bestellungen auszusenden. Ich bin überwältigt. Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Mein Herz ist so voll. Ich kriege Gänsehaut, wenn ich darüber rede, weil das so schön ist. Das Album ist so toll, weil für jeden, was dabei ist.

DOMRADIO.DE: Das Phantom der Oper ist auf dem Album, die Ouvertüre Davy Jones vom Film Fluch der Karibik, L'amour toujours von Gigi D´Agostino, Jump von Van Halen. Wie kommt man auf die Idee? 

Hochwartner: Ich darf da gar keine Credits für nehmen. Meine Fans und Follower haben sich das gewünscht, ich habe nur versucht, das umzusetzen, etwas Besonderes draus zu machen und dem Stück meinen eigenen Touch zu verleihen.

DOMRADIO.DE: Woran arbeiten Sie gerade? Und was möchten Sie gerne nochmal auf der Orgel spielen?

Constanze Hochwartner

"Wenn ihr Orgel spielen wollt und Freude dabei spürt, lohnt es sich, diese Freude zu teilen."

Hochwartner: Die Liste ist sehr lang. Ich habe eine Notiz auf meinem Handy, in der ganz viele Stücke stehen, die ich in Zukunft noch spielen möchte. Ich kann gerade noch nicht sagen, woran ich arbeite, aber ich kann sagen, dass ich bereits an Nani Vol. 2 arbeite. Ich hoffe, dass es nächstes Jahr herauskommt und dass es mir genauso gut gefällt wie Nani Vol. 1.

DOMRADIO.DE: Haben Sie eine Botschaft für junge Musikerinnen und Musiker, die sich mit der Kirchenorgel beschäftigen möchten?

Hochwartner: Nicht schüchtern sein. Alle kreativen Ideen, die ihr habt: Ausprobieren, Ausprobieren, Ausprobieren, Ausprobieren. Man kann nichts falsch machen. Und keine Scheu davor haben, es hochzuladen und mit den Leuten zu teilen. Wenn es draußen jemanden gibt, der mir gerne zuhört, dann gibt es da draußen auch jemanden, der euch gerne zuhört. Wenn ihr Orgel spielen wollt und Freude dabei spürt, lohnt es sich, diese Freude zu teilen. Dadurch wird sie größer. 

Das Interview führte Oliver Kelch.

Quelle:
DR