Zirkus Cirque Bouffon tritt in einer Kirche in Köln auf

Von Artisten, Hirten und Weihnachten

An Heilig Abend gibt es in der Kölner Kirche Sankt Michael zwischen Predigt und Wandlung Zirkusnummern. In den Tagen zuvor werden dort ganze Vorstellungen gespielt. Aber passt das zur Kirche? Pfarrer Thomas Frings erklärt die Idee.
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Autor/in:
Tommy Millhome
Engel im Cirque Bouffon / © Theodor Barth (KNA)
Engel im Cirque Bouffon / © Theodor Barth ( KNA )

DOMRADIO.DE: Brauchen wir mehr Zirkus in der Kirche? 

Thomas Frings (Pfarrer in Ruhestand, seelsorgliche Mitarbeit in Köln-Mitte): Nein, brauchen wir nicht. Wir haben genug Zirkus in der Kirche.

Thomas Frings (privat)

DOMRADIO.DE: Aber der Cirque Bouffon, gastiert bei Ihnen. Das ist kein klassischer Zirkus. Er steht im Geist des Nouveau Cirque, des französischen Alternativzirkus.

Frings: Viele kennen den Cirque du Soleil, weil er weltweit unterwegs ist. Der Cirque Bouffon kommt aus Köln und die machen ein ähnliches Programm. 

DOMRADIO.DE: Und er präsentiert in diesem Jahr das Programm "Angelo - Die Weihnachtsshow" in der Kirche Sankt-Michael. Es ist schon das vierte Mal, dass er das tut. "Angelo", das klingt himmlisch. 

Frings: Die Botschaft von Weihnachten hat ja auch mit Engeln angefangen, und zwar mit dem Erzengel Gabriel. Man könnte auch sagen, dass Gott sich über diese Botschafter in unsere Welt einmischt und wir hoffen, dass alle Menschen nach der Vorstellung, beschwingt, wie mit Flügeln, herausgehen werden. 

DOMRADIO.DE: Akrobaten, Jongleure, Clowns, Musiker und fantastische Fabelwesen, treten bei "Angelo" auf. Es soll eine Show für alle sein, die das Träumen noch nicht verlernt haben.

Frings: Ich hoffe, die Leute sind bezaubert, wenn sie da sind.

Thomas Frings

"Ich gebe aber auch ehrlich zu, dass man sich weit strecken muss, um den Zirkus und den Gottesdienst miteinander zu verbinden."

DOMRADIO.DE: Bis zum 5. Januar gastiert der Cirque Bouffon in der Kirche Sankt Michael am Brüsseler Platz in Köln. Karten gibt es ab 30 € und der gestaltet zwei Gottesdienste am Heiligen Abend mit?

Frings: Das ist eine große Freude. Wir machen das jetzt im vierten Jahr. Einige Künstler fahren nicht nach Hause, weil sie von weither kommen. 

Deshalb feiern wir Weihnachten mit ihnen gemeinsam und sie helfen uns, die Gottesdienste mitzugestalten. Um 16 und 18 Uhr sind die Gottesdienste. Ich gebe aber auch ehrlich zu, dass man sich weit strecken muss, um den Zirkus und den Gottesdienst miteinander zu verbinden. Es ist ja kein extra Programm für den Weihnachtsgottesdienst geschrieben worden. Das Musikalische wird eingefügt, dann kommt ein Jongleur oder ein anderer Artist dazu und wir bauen eine Brücke zwischen der Predigt und unserem gottesdienstlichen Tun. 

DOMRADIO.DE: Wie viele kommen dahin? 

Frings: Es kommen Hunderte. Am Anfang haben wir mit Karten gearbeitet, um der Menge der Menschen gerecht zu werden. Dann haben wir einen zweiten Gottesdienst angeboten, damit überhaupt genug Leute Platz finden in dieser ohnehin schon großen Kirche. 

DOMRADIO.DE: So einen Zirkusgottesdienst zu gestalten, erfordert doch wahrscheinlich eine besondere Sensibilität? 

Frings: Ja, und zwar speziell von denen, die die Gottesdienste gestalten. Unser Gemeindeleiter Ulrich  und ich machen die Gottesdienste und wir haben uns natürlich die Show angesehen. Wir wissen, welche Künstler kommen und dann müssen wir überlegen, an welcher Stelle im Gottesdienst welche Nummer gemacht werden könnte, um einen geschmeidigen Übergang hinzubekommen. Die Leute kommen ja nicht, um bloß den Artisten zu sehen, sondern auch, um den Weihnachtsgottesdienst zu feiern. Sie wollen das Zusammenspiel erleben.

DOMRADIO.DE: Wird so ein Gottesdienstformat eigentlich kontrolliert, ob er im Einklang mit der katholischen Lehre ist? 

Frings: Wir haben bisher keine Kontrolle erlebt. Auf jeden Fall kommen in diesem Gottesdienst auch das Weihnachtsevangelium vor, das Vaterunser wird gebetet, es werden Fürbitten vorgetragen, es werden Weihnachtslieder gesungen. Ich denke, es ist alles dabei. 

DOMRADIO.DE: Sind die Artisten alle katholisch? 

Frings: Da fragen wir nicht nach.

Thomas Frings

"Ganz kurze Antwort: Ja, das brauchen wir auch. Auch, aber nicht nur."

DOMRADIO.DE: Sie haben einen ungewöhnlichen Weg als Priester zurückgelegt und befinden sich eigentlich seit 2022 im Ruhestand. Sie engagieren sich aber weiterhin bei "Kirche für Köln", die auch den Cirque Bouffon präsentieren. Ist "Kirche für Köln" genau das, was wir heute brauchen? 

Gastauftritt des Cirque Bouffon in der Kirche Sankt Michael / © Theodor Barth (KNA)
Gastauftritt des Cirque Bouffon in der Kirche Sankt Michael / © Theodor Barth ( KNA )

Frings: Ganz kurze Antwort: Ja, das brauchen wir auch. Auch, aber nicht nur. Wir brauchen ein breites Spektrum, um die unterschiedlichen Leute anzusprechen. Wir hatten vor Jahren schon in Milieustudien festgestellt, dass wir nur sehr wenige Milieus ansprechen. Das Ergebnis dieser Erkenntnis ist, dass wir an den meisten Stellen das Milieu, das wir ohnehin ansprechen, noch intensiver ansprechen, anstatt mit anderen Milieus in Kontakt zu treten. Das ist die Schwierigkeit: Sobald man andere Milieus ansprechen möchte, muss man den gewohnten Weg verlassen. Das wird oft von denen kritisiert, die alles immer genauso machen wollen, wie es immer war.

DOMRADIO.DE: Denken Sie an junge Menschen dabei? 

Frings: An jüngere als ich es bin. Das ist sehr auffallend. Ich bin Mitte 60 und normalerweise senke ich den Altersdurchschnitt in Gottesdiensten. In den Gottesdiensten von "Kirche für Köln" bin ich meistens einer der Ältesten. Das spricht dafür, dass man "Kirche für Köln" braucht.

Thomas Frings

"Wenn man kommt und die Türen aufmacht, steht erstmal vor einer Bar."

DOMRADIO.DE: Einen Satz habe ich aufgeschrieben: "Komm und lass dich überraschen, was eine Kirche alles drauf haben kann." 

Frings: Wenn man nach Sankt Michael und "Kirche für Köln" kommt und die Türen aufmacht, steht erstmal vor einer Bar. Wir haben keine Bänke mehr, sondern Sessel und Stühle und eine Bühne. Wir predigen mit einer Powerpoint-Präsentation, damit unsere Predigten bebildert sind. 

DOMRADIO.DE: Und es gibt eine fette Soundanlage.

Frings: Und eine Traverse mit Beleuchtungstechnik. Die ganze Kirche ist einem sehr abgängigen Zustand. Da bröckelt der Putz. Aber wir bringen trotzdem gute Laune und gute Stimmung rein. 

DOMRADIO.DE: Wollen Sie mit Vorurteilen Kirche gegenüber aufräumen? 

Frings: Wir hoffen, dass Vorurteile abgebaut werden. Dass wenn Leute sich überraschenderweise zu uns verirrt haben, sagen: "Auch das ist Kirche." Ich habe zum Beispiel gestern Abend im Cirque Bouffon die Ansage gemacht. 

Die Ansage macht immer einer aus dem Kirchenteam. Wir nutzen die Gelegenheit dann auch für ein bisschen Werbung. Ich sage dann: "Das ist Kirche und ich bin einer, der hier sonntags an den Gottesdiensten um 11 Uhr predigt." Und dann klatschen auf einmal Hunderte von Leuten und sagen: "Oh, wie toll ist das denn? Wir sind ganz überrascht. Wir dachten, das ist bloß eine Aufführung in einer Kirche, aber das ist ja wirklich Kirche." Und das finden sie gut.

Thomas Frings

"Sobald man andere Milieus ansprechen möchte, muss man den gewohnten Weg verlassen."

DOMRADIO.DE: Wissen Sie schon, was Ihr Thema bei den Weihnachtsgottesdiensten sein wird? 

Frings: Es ist immer dasselbe. Bei Weihnachten geht es um die Menschwerdung Gottes. Ich bin kein Freund davon, dass man an Weihnachten auf einmal die Weltpolitik aufarbeitet. Ich bin auch kein Freund davon, die Aktualität Gottes nur über aktuelle Themen hereinzubringen. Das ist mir zu wenig, zu kurz gesprungen. Die Menschwerdung Gottes ist unser Thema und das ist die Ausgangslage für eine gute Predigt an Weihnachten.

DOMRADIO.DE: Wie und wo wünschen Sie sich Kirche in zehn Jahren? 

Frings: Natürlich würde ich mir wünschen, dass es mehr Zustimmung für die Kirche gäbe, aber ich muss auch akzeptieren, dass wir unsere Glaubwürdigkeit im größten Teil der Bevölkerung schlichtweg verloren haben. Wir haben die Massen verloren und wir können nur den Einzelnen wiedergewinnen. Das ist ein harter Weg, aber den gehen wir in Sankt Michael und das macht uns viel Freude.

Das Interview führte Tommy Millhome.

Erzbistum Köln

Das Erzbistum Köln zählt zu den bedeutendsten Diözesen in Deutschland. Mit rund 1,9 Millionen Katholiken hat es die meisten Mitglieder, gefolgt von Münster, Freiburg und Rottenburg-Stuttgart (je rund 1,8 Millionen). Das Vermögen liegt bei rund 3,8 Milliarden Euro. Damit liegt Köln auf Platz drei hinter Paderborn (7,15 Milliarden Euro) und München-Freising (6,1 Milliarden Euro).

Blick auf den Kölner Dom / © saiko3p (shutterstock)
Quelle:
DR