China-Expertin sieht Chance bei Annäherung zwischen Vatikan und Peking

"Ein Prozess, der Zeit braucht"

Der Vatikan und China sind weiterhin auf Annäherungskurs. Das ist auch ein erklärter Wunsch von Papst Franziskus. Katharina Wenzel-Teuber vom China-Zentrum Sankt Augustin erkennt darin zwar Risiken, aber auch Chancen für die Christen.

Autor/in:
Jan Hendrik Stens
Chinesische Fahnen werden hinter Papst Franziskus geschwenkt / © Paul Haring/CNS Photo (KNA)
Chinesische Fahnen werden hinter Papst Franziskus geschwenkt / © Paul Haring/CNS Photo ( KNA )

DOMRADIO.DE: Seit Beginn der Adventszeit wird die Generalaudienz des Papstes auch in chinesischer Sprache übersetzt. Was bedeutet das für die Annäherung zwischen dem Vatikan und der kommunistisch regierten Volksrepublik? 

Katharina Wenzel-Teuber / © Katharina Feith (KNA)
Katharina Wenzel-Teuber / © Katharina Feith ( KNA )

Katharina Wenzel-Teuber (China-Zentrum e.V. Sankt Augustin): Dass es jetzt auch eine chinesische Übersetzung bei der Audienz gibt, ist ein deutliches Zeichen der hohen Wertschätzung, die Papst Franziskus für die chinesischen Katholiken und für China hat. Wie wir gehört haben, wird die Mittwochsaudienz von der chinesischen App Wanyou zhenyuan direkt übertragen. Diese App ist unter Katholiken in China sehr populär, sie gehört zur Diözese Peking und hat die notwendige staatliche Lizenz. Von der chinesischen Übersetzung profitieren also nicht nur die Gläubigen, die zur Audienz nach Rom kommen, sondern auch Katholiken in China. 

Der Vorgang passt in das gegenwärtige Klima zwischen China und Vatikan. Dort kann man in letzter Zeit einige Zeichen der Annäherung feststellen, nachdem es 2023 zu einem Tiefpunkt gekommen war. 

DOMRADIO.DE: Was verspricht sich der Vatikan, der noch keine diplomatischen Beziehungen zu China unterhält, von dieser Annäherung? 

Wenzel-Teuber: Ja, die junge Volksrepublik China hat 1951 die Beziehungen abgebrochen und den Internuntius ausgewiesen. Ein Kernanliegen für den Heiligen Stuhl ist es, illegitime Bischofsweihen zu verhindern. Seit den 1950er Jahren gab es in China immer wieder solche, oft erzwungenen, Bischofsweihen ohne päpstliche Zustimmung. Das hat ja auch zur Existenz einer Kirche im Untergrund geführt. 2018 haben der Heilige Stuhl und China ein vorläufiges Abkommen über die Ernennung von Bischöfen unterzeichnet, das diese Frage regeln soll. Es funktioniert offenkundig nicht perfekt, hat aber doch weitere illegitime Weihen verhindert und die Weihe von bisher zehn Bischöfen mit beidseitiger Zustimmung ermöglicht.

Katharina Wenzel-Teuber

"Das Ziel ist für Rom die Einheit der chinesischen Kirche mit dem Papst und untereinander."

Das Ziel ist für Rom die Einheit der chinesischen Kirche mit dem Papst und untereinander. Die chinesischen Katholiken sollen "ganz katholisch und ganz chinesisch" sein können, ohne in Loyalitätskonflikte zu geraten.

Bezüglich der Teilhabe an der Weltkirche gab es Fortschritte. So konnten im Oktober zum allerersten Mal zwei festlandchinesische Bischöfe über die ganze Dauer an der Weltbischofssynode in Rom teilnehmen und dort auch sprechen. 

Schwierig ist es mit der Einheit innerhalb der chinesischen Kirche. An manchen Orten gibt es eine Annäherung zwischen dem offiziellen Teil der Kirche und dem Teil im Untergrund. Anderswo haben sich die Fronten sogar verhärtet und es gibt neue Spaltungen. Für viele, die im Untergrund für die Treue zum Papst gelitten haben, ist es schwer zu verstehen, dass der Papst jetzt eine Kooperation der Kirche mit den staatlichen Behörden eher befürwortet.

Dazu kommt, dass diese Behörden immer wieder versuchen, Priester und Schwestern aus dem Untergrund zur Registrierung zu zwingen, teils auch mit Freiheitsberaubung oder Erpressung. Betroffene haben uns gesagt, dass sie Einheit gut finden, dass Versöhnung aber nicht unter Druck erreicht werden kann. Es ist ein Prozess, der Zeit braucht.

Chinesische Christen beim Gottesdienst / © epa Michael Reynolds (dpa)
Chinesische Christen beim Gottesdienst / © epa Michael Reynolds ( dpa )

DOMRADIO.DE: Die Medien in China werden staatlich kontrolliert. Was bedeutet dies für die Öffentlichkeitsarbeit des Vatikans und seine Außenpolitik, wenn die Menschen in China künftig auch Nachrichten aus dem Zentrum der römisch-katholischen Kirche konsumieren können? 

Wenzel-Teuber: Beiträge von Vatican News konnten in Auswahl schon seit Jahren auf chinesischen katholischen Websites erscheinen. Allerdings bisher nicht die Nachrichten, die sich auf China selbst beziehen. Seit etwa Mitte letzten Jahres hat sich da etwas geändert. Auch chinabezogene Meldungen von Vatican News werden jetzt von der bereits genannten katholischen App in Peking übernommen. Das waren in diesem Jahr z.B. die amtliche Bekanntgabe der päpstlichen Ernennung von vier chinesischen Bischöfen.

Katholiken in China können also jetzt schwarz auf weiß lesen, dass ihr neugeweihter Bischof nicht nur staatlicherseits und von Seiten der offiziellen Kirche, sondern auch vom Papst anerkannt ist. Dass solche Informationen jetzt auf einer öffentlich zugänglichen chinesischen Internetplattform zu finden sind, ist meiner Meinung nach eine neue Art von Transparenz, die für die katholischen Gemeinschaften hilfreich sein dürfte.

DOMRADIO.DE: Papst Franziskus steht wegen seiner Diplomatie insbesondere beim Krieg in der Ukraine und im Nahost-Konflikt stark in der Kritik. Könnte eine Normalisierung der Beziehungen zwischen China und dem Vatikan nicht auch dazu führen, dass Verletzungen von Menschenrechten und freier Religionsausübung in China von ihm nicht mehr beim Namen genannt werden?

Katharina Wenzel-Teuber

"Es ist tatsächlich so, dass Papst Franziskus sich nicht zu Menschenrechtsverletzungen in China äußert."

Wenzel-Teuber: Es ist tatsächlich so, dass Papst Franziskus sich nicht zu Menschenrechtsverletzungen in China äußert, etwa zur Unterdrückung der Uiguren in Xinjiang. Auch Kritik an Zwangsmaßnahmen der chinesischen Behörden gegenüber dem katholischen Untergrund hat der Heilige Stuhl nur in sehr wenigen Fällen öffentlich ausgesprochen. Zu anderen Verletzungen der Religionsfreiheit in China schweigt der Vatikan ebenfalls – beispielsweise dazu, dass Kinder und Jugendliche in vielen Religionen keine Gotteshäuser mehr betreten dürfen und kein Religionsunterricht für sie gehalten werden darf.

DOMRADIO.DE: Ein bekannter Kritiker des Annäherungskurses zwischen China und dem Vatikan ist der emeritierte Bischof von Hong-Kong, Kardinal Zen, der auch die chinesische Staatsmacht immer wieder zu spüren bekommen hat. Die chinesische Staatsdoktrin würde durch die vermehrte Annäherung immer stärker in die Gottesdienste und das Gemeindeleben Einzug halten. Was ist an diesem Vorwurf dran? 

Wenzel-Teuber: Kardinal Zen hat in einigen seiner Warnungen sicher Recht gehabt. Zum Beispiel hat er vorausgesagt, dass die chinesische Regierung das Abkommen von 2018 ausnutzen wird, um Druck auf den Untergrund auszuüben. Es stimmt auch, dass der ideologische Druck der Kommunistischen Partei auf alle Religionen, nicht nur die Christen, immer stärker wird. Sie sollen sich "sinisieren", der sozialistischen Gesellschaft anpassen, Anliegen der Regierung unterstützen und verbreiten.

Katharina Wenzel-Teuber

"Es gibt in vielen Stadtgemeinden regelmäßig Taufbewerberkurse mit vielen erwachsenen Teilnehmenden."

Nach meiner Beobachtung tun sie das pragmatisch, soweit es nötig ist, um die Behörden zufriedenzustellen und weiter arbeiten zu können. Doch ihre eigentliche Energie setzen die chinesischen Christen dafür ein, ihren Glauben zu leben, zu vertiefen und an Nichtchristen weiterzugeben. Flexibel und kreativ suchen sie nach neuen Möglichkeiten, zum Beispiel für die kirchliche Jugendarbeit. Es gibt in vielen Stadtgemeinden regelmäßig Taufbewerberkurse mit vielen erwachsenen Teilnehmenden.

Und auch die Einheit mit der Weltkirche und dem Papst ist ihnen wichtig: Man sieht das jetzt an den Vorbereitungen für das Heilige Jahr 2025, die an vielen Orten anlaufen. Wenn im nächsten Jahr Pilgernde aus China nach Rom kommen, werden sie sich jedenfalls über die chinesische Übersetzung bei der Papstaudienz freuen.

Die Fragen stellte Jan Hendrik Stens.

Zahlen zur katholischen Kirche in China

Das kommunistisch regierte Riesenland China ist multireligiös. Laut dem China-Zentrum in Sankt Augustin bei Bonn sind seine fünf offiziell anerkannten Religionsgemeinschaften der Buddhismus, Daoismus, Islam, Protestantismus und Katholizismus. Von den 1,4 Milliarden Chinesen sind rund 185 Millionen Buddhisten, etwa 23 Millionen zählen sich zum Islam, zum Protestantismus ca. 38 bis 60 Millionen; ca. 10 Millionen sind Katholiken. Die Zahl der Anhänger des Daoismus ist nicht feststellbar.

Zwei junge Männer, ein Seminarist und ein Sängerknabe, sitzen auf Stühlen während einer Messe am 13. Januar 2019 in der Kirche Xishiku in Peking. / © Gilles Sabrie (KNA)
Zwei junge Männer, ein Seminarist und ein Sängerknabe, sitzen auf Stühlen während einer Messe am 13. Januar 2019 in der Kirche Xishiku in Peking. / © Gilles Sabrie ( KNA )
Quelle:
DR