Die Zeichen stehen auf Sturm bei Autobauern in Deutschland. Bei VW und Ford sollen die Überproduktion abgebaut und deshalb Mitarbeiter entlassen und möglicherweise ganze Werke geschlossen werden. Ein schwerer Schlag für so viele treue Arbeitskräfte und deren Familien. Aber auch für den Wirtschaftsstandort Deutschland insgesamt, dessen Erfolg wesentlich mit dem Autobau verbunden ist.
Zurecht wird jetzt heiß diskutiert und gerungen, wie die Lasten notwendiger Schrumpfung verteilt werden. Gewerkschaften, Management, Politik und Wirtschaftsexperten geben mehr oder minder gute Ratschläge. Die professionelle und möglichst gerechte Verwaltung der Krise ist zweifellos ein Thema der Sozialethik. Doch greift die Diskussion zu kurz, wenn nicht auch Krisengründe klar benannt werden. Nachhaltige Wirtschaftsethik begnügt sich eben nicht mit moralischen Imperativen im Krisenmanagement.
Falsche China-Strategie als Ursache
Sie muss die Ursachen des ökonomischen Dilemmas offenlegen, damit aus Fehlern gelernt und Verantwortung übernommen wird. Zum langfristigen Wohl der Belegschaften und des Wirtschaftsstandortes Deutschland muss das Prinzip von Handeln und Haften Anwendung finden. Das ist ein wirtschaftsethisches Gebot der Glaubwürdigkeit.
Strategische Fehler in Politik und Management liegen in einer lange falschen China-Strategie. Für die Folgen bekommen wir nun die Quittung. Und die Mitarbeiter mit ihren Familien müssen sie schmerzlich ausbaden. Wer die auch auf Deutsch leicht zugänglichen Schriften des chinesischen Staats- und Parteichefs Xi Jinping liest, hätte die Fallen längst aufgespürt, in die die deutschen Konzerne lange getappt sind. Ziel der chinesischen Führung ist die wirtschaftliche Dominanz auf den Weltmärkten.
Deutsches Know-How in China nicht mehr benötigt
Die Automobilindustrie ist dabei ein Mosaikstein unter vielen. Man lockte Autobauer und deren Entwicklungsabteilungen mit Aussicht auf lukrative Absatzmärkte nach Fernost. Über Joint-Ventures, deren Regeln von chinesischer Seite diktiert werden, ungleiche Marktzugänge, staatliche Reglementierung verbunden mit Spionage und Parteikontrolle wird die ausländische Konkurrenz inzwischen zunehmend vom Markt gedrängt. Hoch subventionierte chinesische Konkurrenz verzerrt mit Dumping-Angeboten die Regeln funktionierenden Wettbewerbs. Ein ausgeprägter Patriotismus im Reich der Mitte begünstigt auf diesem einst so verheißungsvollen Binnenmarkt die dort heimische Konkurrenz. Autarkie und Patriotismus im Inneren, globale Hegemonie und abhängige Netzwerke nach Außen realisieren die Vision Xis von einem China, das keine Rücksichten auf andere nehmen muss. Kein Wunder also, dass die westliche Autoindustrie den Bach hinunter geht. Zu groß ist ihre Abhängigkeit von China geworden.
Inzwischen brauchen die Chinesen auch deutsches Know-How nicht mehr. Sie produzieren selbst gute Qualität zum günstigeren Preis. So erobern sie nun auch die Weltmärkte. Ein einfaches Spiel, das Manager in Wolfsburg, Köln oder Detroit zur Freude von Xi und seiner Genossen lange mitgespielt haben. Dazu kam noch das politisch motivierte Aus für den Verbrennermotor in Europa. E-Autos verkaufen sich aber nicht nur schlecht. Die deutschen Autobauer hinken zudem in deren Entwicklung gegenüber China hinterher. Und Verbrenner werden dort weiterentwickelt, was die nächste Überholspur frei machten könnte. Wenn sich also der politische Wind in Europa wieder dreht, wäre China schon gut dafür gerüstet.
Nachhaltige Wirtschaftsethik in drei Schritten
Nachhaltige Wirtschaftsethik verlangt jetzt dreierlei: Haftung der Verantwortlichen, politische Neujustierungen und handelspolitische Strategiewechsel. Erstens: Manager, die blind oder gar sehenden Auges in die gestellten Fallen getappt sind, sollten ausgewechselt werden. Damit die verbleibenden Belegschaften wieder Vertrauen schöpfen, braucht es neue Ideen von neuen Köpfen, die sich nicht weiter von falschen Versprechen aus Fernost blenden lassen. Gleiches gilt für die Politik.
Zweitens sollte das Ende des Verbrenners politisch überdacht werden. Gerade deutsche Autobauer waren hier lange das Maß der Dinge. Noch ist es nicht zu spät, den Vorsprung zu verteidigen.
Drittens: Die EU hat Zölle für chinesische Autoimporte erhoben. Ein Handelskrieg könnte entfacht werden, unter dem die in China produzierenden westlichen Autobauer selbst leiden würden. Deshalb lehnte etwa VW ausdrücklich solche Ausgleichszölle ab. Alternativlos ist deshalb der konsequente Abbau solcher Abhängigkeiten. Dann sind solche Zölle wirksame Instrumente zum Schutz des Wettbewerbs gegen gewaltsame Marktverzerrungen. Wirksame Strategien gegen Spionage sind ebenso erforderlich wie die Erschließung alternativer globaler Absatzmärkte.
All das erfordert Zeit und Geld. Dieser Weg wird kein leichter sein. Und die Früchte werden sich erst nach Jahren zeigen. Nur so können legitime Arbeitnehmer- und Gewinninteressen mit Ethik nachhaltig versöhnt werden.
Zum Autor: Prof. Dr. Dr. Elmar Nass hat den Lehrstuhl für Christliche Sozialwissenschaften und gesellschaftlichen Dialog an der Kölner Hochschule für Katholische Theologie inne. Er ist zudem Autor des Buches "Der globale Puppenspieler - Die Vision von Xi Jinping und eine Antwort der Freiheit".