In Zeiten klammer Kirchenkassen geht eine katholische Kirchengemeinde in Lübeck ungewöhnliche Wege: Sie zieht mit der evangelischen Nachbargemeinde zusammen. "Das ist wie bei einer WG", sagt die Sprecherin des Gemeindeteams Liebfrauen, Sigrid Joos. Für das gute Zusammenleben verzichte man zukünftig aber auf den Einsatz von Weihrauch. "Freiwillig", wie Joos betont. Zuerst hatte der Norddeutsche Rundfunk berichtet.
Seit drei Wochen feiert die katholische Liebfrauengemeinde im Lübecker Osten nun Gottesdienste in der evangelischen Christopherusgemeinde. Doch der ersten Messfeier gingen einige Jahre der Vorbereitung voran, erzählt Joos. Nachdem klar gewesen sei, dass die katholische Liebfrauenkirche im Rahmen der Vermögens- und Immobilienreform des Erzbistums Hamburg nicht mehr zu halten sei, habe man sich in der Gemeinde nach Alternativen umgeschaut. Da eine (teil-)wirtschaftliche Nutzung zum finanziellen Erhalt des Gotteshauses nicht in Betracht kam, reifte in der Gemeinde die Idee, auf die befreundete lutherische Gemeinde zuzugehen.
Jahrelange Vorbereitung
"Dort wurden wir mit offenen Armen empfangen", sagt Joos. Schon lange pflege man ein gutes Verhältnis mit der evangelischen Nachbargemeinde, sagt sie und erzählt von einer Vielzahl gemeinsamer Gottesdienste im Jahreslauf. Auf dieser Grundlage habe man in den vergangenen zwei Jahren intensiv ein gemeinsames Nutzungskonzept aufgestellt. Der kreative Umgang mit der Situation überzeugte schließlich auch beim Erzbistum, sodass der zuständige Erzbischof Stefan Heße dem Projekt zustimmte.
Ziel sei es, vor allem den älteren Gemeindemitgliedern einen Gottesdienstort in der Nähe zu erhalten. Aufgrund der ausgedehnten Lage der Gemeinde im Lübecker Osten hätten nach der notwendigen Schließung der katholischen Liebfrauenkirche einige Gemeindemitglieder sonntägliche Fahrzeiten von bis zu zwei Stunden zu den verbleibenden Kirchen in Kauf nehmen müssen. "Das wollten wir vermeiden", sagt Joos. Mit dem Umzug in die evangelische Kirche und der Schließung der alten Kirche, habe man einen Kirchort erhalten und trotzdem einen Großteil der Kosten gespart.
Das Umzug sei reibungslos verlaufen. Einzelne kritische Stimmen habe es gegeben. Doch zumindest in den ersten Wochen seien die Gottesdienste besser besucht gewesen als sonst, so Joos. Völlig unproblematisch sei beispielsweise die Verteilung der Sonntagsgottesdienste gewesen. "Die evangelischen fangen jetzt eine halbe Stunde später an und wir eine Stunde früher", erklärt sie die Übereinkunft. Dazwischen sei eine halbe Stunde "Umbaupause" eingeplant. In dieser Zeit wird die nächste Liturgie vorbereitet.
Umbauarbeiten für den katholischen Gottesdienst
Mit dem Einzug der katholischen Gemeinde hat sich das Innere der Christopheruskirche deutlich verändert. So feierten die Lübecker Lutheraner bisher ihre Gottesdienste an einem Altar, der an der Wand stand. Damit er für die katholische Liturgie - wie die Vorschriften es vorsehen - "umschreitbar" wurde und der Priester, wie seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil üblich, mit Blick in die Gemeinde zelebrieren kann, rückten die Protestanten den Altar für die Katholiken von der Wand weg. "Da bleibt er jetzt auch", sagt Joos.
Zudem brachte die Liebfrauengemeinde ihre Sakristeiglocke mit in die evangelische Kirche. "Davon waren die Lutheraner so begeistert, dass sie sie jetzt zum Gottesdienstbeginn auch nutzen", erzählt Joos. Gleiches gelte für die katholischen Opferlichter samt Marienfigur, die auch einen Platz in dem evangelischen Kirchraum gefunden haben. Auf Einbau eines Weihwasserbeckens oder Tabernakels habe man jedoch verzichtet.
Vertrag für zwei Jahre - Verlängerung möglich
Viel schwieriger als diese liturgischen Fragen sei aber die Koordination von Gemeindegruppen im Gemeindehaus gewesen. "Unser Vertrag läuft jetzt zwei Jahre", sagt Joos. Bisher sei das Projekt gut angenommen worden. Vertreter der evangelischen und katholischen Gemeinde würden das Projekt nun eng begleiten und in regelmäßigen Abständen evaluieren. Wenn das Konzept funktioniere, könne der Vertrag immer wieder automatisch um ein Jahr verlängert werden.
Auf das bevorstehende Weihnachtsfest freut sich Joost schon. Doch dezidiert ökumenische Gottesdienste wird es in diesem Jahr nicht geben. "Dafür ist die Kirche zu klein", sagt sie. Dafür habe man sich aber die Planung der Weihnachtsgottesdienste geteilt. Für die nächsten Jahre möchte sie eine intensivere Zusammenarbeit jedoch nicht ausschließen.