Die Krawatte verrät, wie lange Eberhard Metternich schon Domkapellmeister ist. Dunkelblau, mit kleinen, bunten Domtürmen, Reihe für Reihe, vom Knoten bis zur Spitze. "Das ist das alte Domlogo gewesen, das muss Anfang der 2000er gewesen sein", sagt Metternich. Wäre sie ein Modeaccessoire, wäre sie jetzt wohl wieder voll im Trend.
Als Metternich zum Dom kam, gab es diese Krawatte noch nicht. Er dirigierte schon unter den Erzbischöfen Höffner und Meisner. Da war Deutschland noch nicht wiedervereinigt. Das Erzbistum Köln zählte noch rund 2,5 Millionen Katholiken, jedes Jahr gab es knapp 25.000 Taufen. Heute sind es eine Million weniger und nicht mal mehr die Hälfte.
Metternich hat nie daran gedacht, dem Dom den Rücken zu kehren. Jetzt muss er es aber. Im nächsten Jahr ist Schluss, mit 66 und nach 38 Jahren als Domkapellmeister. Dieses Weihnachtsfest ist das letzte, das er in diesem Amt erlebt. "Nicht nur ich, auch die Familie hat sich daran gewöhnt", erzählt er, während sich die Knaben, Mädchen, Frauen und Männer eine Etage unter ihm warm singen, im Probenraum des Doms.
Es ist kurz vor der Christmette, Metternich trägt noch einen Frack vom Auftritt in der Philharmonie. Sein Terminplan ist an den Festtagen voll. Konzerte, Christmette, Weihnachtsmesse, Vesper. Wie wird Weihnachten 2025 aussehen? Besucht er die Christmette, um seine ehemaligen Chöre singen zu hören? "Das weiß ich noch nicht", sagt er schulterzuckend. Was er weiß: Die Christmette mit ihren vielen Touristen, die mehr zum Erleben, als zum Zuhören kommen, empfiehlt sich aus musikalischer Sicht nicht. "Dann eher die Vesper am ersten Weihnachtstag, da ist weniger los."
Ermüdender Chor-Marathon
Ein solcher Chor-Marathon ist eine Belastung. "Es ist ermüdend", sagt Metternich. Einerseits körperlich, was man versteht, wenn man ihn bei seinen wild wirkenden, aber wohldosierten und präzisen Dirigierbewegungen beobachtet. Andererseits seelisch. "Man trägt viel Verantwortung. Meine größte Sorge ist, dass genug Sängerinnen und Sänger am nächsten Morgen da sind." Denn die Christmette, die etwa zwei Stunden dauert und bis 1:30 Uhr in der Nacht geht, strapaziert Stimmen und Körper. "Da wird man schon mal krank." Metternich war es so gut wie nie. Die Weihnachtsgottesdienste hat er nie verpasst.
Die Christmette ist für ihn etwas Besonderes. "Das liegt natürlich am Fest an sich. Es ist eine besondere, weihnachtliche Musik, die man macht. Und natürlich an der Stimmung der Menschen, die kommen." Das gilt auch für die Chöre: Für sie ist es so etwas wie ein Ehemaligentreffen. Auch die, die schon nicht mehr dabei sind, machen mit. "Für mich ist die Christmette ehrlich gesagt mehr Logistik als Musik", sagt er. Es müssen genügend weiße Gewänder da sein.
Und Noten. Die liegen beim Einsingen im Probenraum in verschiedenen Einkaufskörben sortiert. Trotz des Aufwands: "Es ist schön, so die Verbindung zu halten", sagt er. Im Anschluss geht es seit vielen Jahren für die Sänger, die alt genug sind, noch in die Kneipe, die nur für sie offen bleibt. Irgendwann ist aber auch Schluss, Metternich fühlt sich zu alt dafür.
Was braucht man, um ein guter Domkapellmeister zu sein?
Wenn gesungen wird, herrscht Disziplin. Sobald Pause ist, geht zumindest heute bei der Probe das Geschnatter los. Die mehr als hundert Menschen haben sich viel zu erzählen. Wie hält man so eine Truppe zusammen? Was braucht man, um ein guter Domkapellmeister zu sein? Die Sänger sagen über Metternich, dass er ehrgeizig ist, aber immer Humor hat. Metternich sagt, dass es um Wissen und Können geht, schließlich muss man einen Chor leiten. Aber eben auch darum, zu motivieren und zu begeistern. "Man muss die Menschen spüren lassen, dass man sie respektiert. Und dann kann man in einer so großen Gruppe auch viele Probleme lösen, die der Alltag so mit sich bringt."
In der langen Tradition der Domkapellmeister ist Eberhard Metternich einer der wenigen, der keine klassische musikalische Ausbildung genossen hat. "Aber ich bin selber an einer Kathedrale groß geworden." So sang er als Jugendlicher bei den Limburger Domsingknaben. Nach dem Studium für Schulmusik, Germanistik und Gesang schloss er auch Studien der Chorleitung ab. 1985 wurde er dann für zwei Jahre Kantor in Mainz. "Tja, und das hat damals den Kölnern gereicht als Expertise."
Ein neues Konzept für die Kölner Dommusik
Es sollte nicht lange dauern, da konzipierte er die Kölner Dommusik neu. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts gab es nur noch einen Knabenchor, nachdem die Domkapelle aufgelöst worden war. "Der damalige Erzbischof wollte unbedingt einen Chor nach römischem Vorbild haben. Und damit war es das, bis auf ein paar Bläser, mit der Orchestermusik für mehr als 100 Jahre", sagt Metternich.
Er sorgte dafür, dass wieder Frauen am Dom singen und erweiterte die Musikschule des Kölner Domchores. Mittlerweile gibt es wieder vier Chöre. "Wir haben auch das Spektrum der Musik deutlich vergrößert." 1991 wurde beispielsweise die Konzertreihe "Geistliche Musik am Dreikönigsschrein" gegründet. Mit dem Kölner Domchor errang er beim Deutschen Chorwettbewerb 2002 den ersten Preis in der Kategorie "Knabenchöre".
Die Neuerungen wirken sich auch auf die Dombesucher aus. "Pfingsten fällt im öffentlichen Bewusstsein gegenüber Ostern und Weihnachten etwas ab", sagt Metternich, obwohl es auch ein wichtiges von mehreren Hochfesten ist, das aber weniger wahrgenommen wird. Deshalb habe man sich dazu entschieden, dem Ganzen "etwas mehr Glanz" zu verleihen. "Das haben wir mit üppiger Orchestermusik gemacht, und den Leuten gefällt es."
Die Dommusik ist unter Metternich offener geworden. Das hört man in der Christmette bei Händels "Zadok the priest": Die letzten beiden Strophen sind die Champions-League-Hymne. Es kommen auch häufiger Gastchöre vorbei, wie zuletzt aus der Ukraine.
Der Dom ist schwer zum Klingen zu bringen
Dabei ist der Kölner Dom für Metternich eigentlich total unmusikalisch. "Ich wusste, dass es nicht einfach ist, im Dom Musik zu machen." Seine riesigen Dimensionen machten es vor allem für den damals kleinen Knabenchor schwer, den ganzen Raum zu füllen. Aber auch die Musik selbst ist so eine Sache. "Es gibt manchmal die Kritik, dass man Bach im Dom gar nicht aufführen kann, weil alles verschwimmt", sagt Metternich. Trotzdem lässt er Bach singen. "Meine Mission ist ein bisschen gewesen, die großen Werke der Kirchenmusik, die man sonst überwiegend im Konzertsaal hört, in den Dom zu bringen." Das klinge dann zwar anders. "Aber die Leute nehmen es als Gesamtkunstwerk wahr."
So könnte man auch seine Position der vergangenen 37 Jahre bezeichnen. "Ich empfinde es so, dass ich ein kleines Rädchen in einer Jahrhundertelangen Geschichte bin, denn es hat immer Musik am Dom gegeben", sagt Metternich. Das Kölner Wahrzeichen ist für ihn ein historischer Ort, der ihn immer wieder erhebt und aufbaut. "Deshalb bin ich dem Dom verbunden und werde es auch bleiben." Zum Beispiel mit der Krawatte. Auch einige ehemalige Sänger haben sie in der Christmette um den Hals gebunden. "Wer sie trägt, trägt sie mit Stolz", sagt Metternich.