Experte sieht Chancen für Kirchen in künstlicher Intelligenz

Chatbot könnte die Tür zum Glauben öffnen

Verurteilt nicht, erklärt nur: Chatbots könnten Hemmschwellen abbauen und Glaubensinteresse wecken, meint KI-Experte und Autor Michael Brendel. Warum eine KI den Einstieg in den Glauben erleichtern könnte.

Ein Logo von ChatGPT, offizielle App von OpenAI, ist auf einem Smartphone zu sehen / © Matt Rourke/AP (dpa)
Ein Logo von ChatGPT, offizielle App von OpenAI, ist auf einem Smartphone zu sehen / © Matt Rourke/AP ( (Link ist extern)dpa )

Für einen Erstkontakt mit dem christlichen Glauben könnte ein Chatbot besser geeignet sein als ein menschliches Gespräch, meint der Theologe Michael Brendel. 

In einer Mitteilung des Ludwig-Windthorst-Hauses, der Katholisch-Sozialen Akademie des Bistums Osnabrück in Lingen, sagte er am Freitag: "Gegenüber einem sprachbegabten Computer fällt es leicht, zu bekennen, dass man keine Ahnung von den christlichen Hochfesten hat oder das Vaterunser nicht kennt." Denn eine KI verurteile nicht.

Symbolbild Computer und Kirche / © Robert Przybysz (shutterstock)

Für ein menschliches Gespräch müssten Kirchenferne "erst einmal die meterhohen Kirchenmauern aus Ritualen und sprachlichen Codes erklimmen, die die Kirchen in den letzten 2.000 Jahren um sich herum gebaut haben", sagt der Studienleiter und KI-Experte.

Wenn eine kirchenferne Person gegenüber einer KI keine Angst haben müsse, mit ihren Fragen in ein Fettnäpfchen zu treten, sei dann der Grundstein für eine Begegnung mit einer pastoralen Person gelegt. So könnte eine KI laut Brendel möglicherweise Glaubensinteresse wecken. Für die weitere Glaubensbegleitung brauche es aber das persönliche Miteinander.

KI im Religionsunterricht

Schon jetzt könne KI etwa im Religionsunterricht für kirchliche Belange genutzt werden, sagt Brendel. Er habe eine Seminareinheit "Psalmen im Spiegel von KI - KI im Spiegel von Psalmen" konzipiert.

KI-generierte Bilder und Ein-Satz-Zusammenfassungen einzelner Psalmen werden dabei den passenden Psalmtexten zugeordnet. Das mache Schülerinnen und Schülern wie Erwachsenen Spaß und rege zur Reflexion über den Glauben an, berichtet er. 

"Für uns Gläubige wie für die Kirchen ist Künstliche Intelligenz Provokation und Chance zugleich. Um hier sprach- und handlungsfähig zu sein, müsste die verfasste Kirche aber überhaupt erst einmal die Tragweite und Bedeutung der Technologie anerkennen."

Der Theologe und Autor des jüngst erschienenen Buchs "ChatGPT, Generative KI und wir" betont, Sprache sei für den christlichen Glauben von besonderer Bedeutung: 

"Dass es neben Gott und den Menschen nun eine dritte Entität gibt, die Sprache verwendet - nämlich KI-Computer - kann uns Gläubigen, persönlich wie als Kirche, nicht egal sein." Die Kirchen seien herausgefordert, eine differenzierte Haltung zu der Technologie einzunehmen, so Brendel.

Was ist Künstliche Intelligenz?

Der Begriff Künstliche Intelligenz (KI) wurde vor mehr als 60 Jahren geprägt durch den US-Informatiker John McCarthy. Er stellte einen Antrag für ein Forschungsprojekt zu Maschinen, die Schach spielten, mathematische Probleme lösten und selbstständig lernten. Im Sommer 1956 stellte er seine Erkenntnisse anderen Wissenschaftlern vor. Der britische Mathematiker Alan Turing hatte sechs Jahre zuvor bereits den "Turing Test" entwickelt, der bestimmen kann, ob das Gegenüber ein Mensch ist oder eine Maschine, die sich als Mensch ausgibt.

Symbolbild Künstliche Intelligenz / © maxuser (shutterstock)