Papst Benedikt XVI. geht erneut auf Kritiker ein

"Selbstkritik und Toleranz" vonnöten

Papst Benedikt XVI. hat zum wiederholten Mal seinen tiefen Respekt gegenüber dem Islam bekundet. Bei seiner Generalaudienz im Vatikan bedauerte er am Mittwoch erneut, dass sein Vortrag in Regensburg Missverständnisse ausgelöst habe.

 (DR)

Papst Benedikt XVI. hat zum wiederholten Mal seinen tiefen Respekt gegenüber dem Islam bekundet. Bei seiner Generalaudienz im Vatikan bedauerte er am Mittwoch erneut, dass sein Vortrag in Regensburg Missverständnisse ausgelöst habe. Mit seinem Bayernbesuch und seinen Ansprachen habe er das Christentum zum Dialog mit der modernen Welt und allen Religionen aufgerufen. Das islamkritische mittelalterliche Zitat habe er sich keinesfalls zu eigen gemacht, sondern als Einstieg zu einer Vorlesung über das Verhältnis von Glaube und Vernunft benutzt, betonte das Kirchenoberhaupt unter dem Applaus von rund 40.000 Besuchern aus aller Welt. Pater von Gemmingen bewertet im domradio-Interview die päpstliche Ansprache.

Ansprache auf deutsch
"Liebe Brüder und Schwestern!
Die heutige Audienz gibt mir Gelegenheit, mit euch Rückschau auf meinen Pastoralbesuch in Bayern zu halten. Ich danke dem Herrn, daß er mir diese unvergeßliche Reise in meine bayerische Heimat geschenkt hat, die ich erstmals als Nachfolger Petri besuchen konnte. Mein inniger Dank gilt meinen Landsleuten für die herzliche Aufnahme und vor allem den vielen, die mit Hingabe zum Gelingen dieser Reise beigetragen haben.
Mit meinem Besuch wollte ich die Bande zwischen der Kirche in Deutschland und dem Stuhl Petri festigen; ich wollte die Menschen im Glauben an Jesus Christus stärken, den wir in der Gemeinschaft der Kirche bekennen. Ein besonderes Anliegen war es mir, das Verhältnis von Glaube und Vernunft und die Notwendigkeit des interreligiösen Dialogs sowie des Dialogs zwischen Wissenschaft und Religion aufzuzeigen. Hier bedarf es der Selbstkritik und, wie ich in München hervorgehoben habe, der Toleranz, die „die Ehrfurcht vor dem, was dem anderen heilig ist", einschließt. Mit diesen Worten möchte ich nochmals klar meinen tiefen Respekt vor den Weltreligionen und vor den Muslimen bekunden, mit denen wir gemeinsam eintreten „für Schutz und Förderung der sozialen Gerechtigkeit, der sittlichen Güter und nicht zuletzt des Friedens und der Freiheit für alle Menschen" (Nostra Ætate, 3).
Die Stationen meiner Reise waren Orte, die meinen Lebensweg geprägt haben und mit denen ich verbunden bleibe: München, Altötting, Regensburg und Freising. Die bewegenden Gottesdienste, die frohen Begegnungen mit unzähligen Landsleuten und Pilgern haben mich und viele Menschen zutiefst berührt. Ich habe meine Reise, so wie einst meinen Hirtendienst im Erzbistum München und Freising, unter den Schutz der Patrona Bavariæ gestellt. Der Fürsprache Mariens, der Mutter der Kirche, vertraue ich auch meinen Petrusdienst an. Maria führt uns hin zu ihrem Sohn; sie lehre uns, dem Herrn Ohr und Herz zu öffnen, stets neu auf sein Wort zu hören und seine Botschaft der Liebe in unserer Welt zu verkünden.

Mit diesen Gedanken und Erinnerungen heiße ich alle Pilger und Besucher deutscher Sprache willkommen. Besonders grüße ich die Teilnehmer an der Diözesanwallfahrt des Erzbistums Salzburg mit Erzbischof Alois Kothgasser. Liebe Freunde, wer glaubt, ist nie allein. Geben wir unseren Mitmenschen die Hoffnung weiter, die von Jesus Christus kommt, dem Erlöser der Welt. Der Herr segne euch alle!"

Friedensgipfel plädiert für Dialog der Weltreligionen
Mit einem Appell zum Dialog zwischen den Weltreligionen hat sich in Rom ein interreligiöser Friedensgipfel an die Öffentlichkeit gewandt. Die Alternative zu Terror und Gewalt sei ein Dialog, der den bestehenden Unterschieden Rechnung trägt, betonte Kurienkardinal Paul Poupard bei dem von Bürgermeister Walter Veltroni organisierten Jahrestreffen von Christen, Juden und Muslimen auf dem römischen Kapitol.

Der Chef des islamischen Zentrums, Abdallah Redouane, bezeichnete "Rom als Stadt des Dialogs" und betonte mit Blick auf den Streit um den Regensburger Vortrag Benedikt XVI.: "Wir haben mit Zufriedenheit den Appell des Papstes gehört. Die Anwesenheit von Kardinal Poupard ist ein starkes Signal. Wir laden alle Muslime ein, sich im Dialog zu engagieren".

Demgegenüber sagte Imam Sami Salem, er fühle sich weiterhin von den Worten des Papstes verletzt. Allerdings sei die gemeinsame Teilnahme am Friedensgipfel ein Signal für den Wunsch nach Dialog. Roms Oberrabbiner Riccardo Di Segni bezeichnete die Papst-Äußerungen als "Unfall", der klarmache, dass es unterschiedliche Sensibilitäten gebe". - Der Friedensgipfel der Religionen wird jährlich vom römischen Bürgermeister im Gedenken an die New Yorker Terroranschläge vom 11. September organisiert.

Vatikan plant neue diplomatische Initiative
Mit einer neuen diplomatischen Initiative will der Vatikan dem Vernehmen nach die Emotionen um den Regensburger Vortrag von Papst Benedikt XVI. weiter dämpfen. Vermutlich Ende des Monats sollen die beim Heiligen Stuhl akkreditierten Botschafter aus islamischen Ländern zu einem Treffen eingeladen werden, wo der Vatikan noch ein Mal die Vorlesung des Kirchenoberhaupts zum Thema Glauben und Vernunft vom 12. September erläutert und Missverständnisse zu beseitigen versucht.

Zuvor hatte das Staatssekretariat bereits die Nuntien in der arabischen und islamischen Welt angewiesen, bei ihren Regierungen vorstellig zu werden und den vollständigen Rede-Text in arabischer Übersetzung vorzulegen. Auch solle dort die entsprechende Erklärung von Kardinal-Staatssekretär Tarcisio Bertone vom vergangenen Samstag sowie die Bedauernsäußerung des Papstes vom Sonntag vorgetragen werden. - Die meisten arabischen und islamischen Staaten unterhalten volle diplomatische Beziehungen zum Heiligen Stuhl.

Marokkanischer Vatikan-Botschafter nimmt Arbeit wieder auf
Der im Streit um den Papst-Vortrag zwischenzeitlich zurückbeorderte marokkanische Vatikan-Botschafter Ali Achour nahm am Mittwoch seine Arbeit wieder auf. Marokkos König Mohammed VI. hatte zudem in einem persönlichen Schreiben an Benedikt XVI. gegen die Aussagen protestiert.

Muslime in Deutschland halten an Papst-Kritik fest
Die Muslime in Deutschland haben ihre Kritik an der Regensburger Rede von Papst Benedikt XVI. bekräftigt. Der Papst habe sich "auf Kosten einer anderen Religion profiliert", sagte der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Ayyub Axel Köhler, am Dienstagabend im TV-Sender N24. Benedikt XVI. habe das Christentum unter dem Blickwinkel "Wir, die Guten, und die Bösen, der Islam" herangezogen.

Auch der Vorsitzende des Islamrats in Deutschland, Ali Kizilkaya, bemängelte die Verwendung eines gut 600 Jahre alten schroffen Zitats über Mohammed durch den Papst. Wenn man in "die historische Kiste" greife, könne man den Dialog der Religionen vergessen. Der Papst sei "nicht mehr Professor Ratzinger", der den Akademiker anspreche, meinte er. Heute höre die ganze Welt zu, wenn das Kirchenoberhaupt spreche.

Am 12. September hatte Benedikt XVI. während seiner Bayernreise den byzantinischen Kaiser Manuel II. Palaeologos zitiert, sich aber dessen Aussagen nicht zu eigen gemacht. In dem Zitat vom Ende des 14. Jahrhunderts heißt es, der Prophet Mohammed habe nur "Schlechtes und Inhumanes" gebracht, weil er den Glauben mit dem Schwert verbreiten lassen wollte. Seitdem dauern Proteste von Muslimen in vielen Ländern an. Im Heiligen Land gab es Brandanschläge auf mehrere Kirchen. In Somalia wurde eine italienische Ordensschwester vermutlich im Zusammenhang mit den Muslim-Protesten ermordet.
(RV,KNA,dr)

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