Hunderttausende protestieren gegen Regierungspolitik - Bischof Huber besorgt über sozialen Frieden

"Das geht besser"

Die Gewerkschaften fordern von der Bundesregierung eine sozialere Politik. Dem DGB-Aufruf zu einem Aktionstag unter dem Motto "Es geht besser" folgten nach Gewerkschaftsangaben am Samstag rund 220 000 Menschen.  - Unterdessen ging die Debatte über Armut in Deutschland weiter.

 (DR)

Die Gewerkschaften fordern von der Bundesregierung eine sozialere Politik. Dem DGB-Aufruf zu einem Aktionstag unter dem Motto "Es geht besser" folgten nach Gewerkschaftsangaben am Samstag rund 220 000 Menschen.  - Unterdessen ging die Debatte über Armut in Deutschland weiter. So warnte die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) vor einer nachhaltigen Schädigung des sozialen Friedens in Deutschland. - Lesen Sie hier ein Interview mit dem EKD-Ratsvorsitzenden Bischof Wolfgang Huber in ganzer Länge.

DGB-Proteste in Stuttgart, Berlin, Dortmund, München und Frankfurt am Main
Kundgebungen des DGB fanden in Stuttgart, Berlin, Dortmund, München und Frankfurt am Main statt. DGB-Chef Michael Sommer warnte in Stuttgart: „Wenn die Regierung ihre Reformpolitik nicht am Maßstab sozialer Gerechtigkeit ausrichtet, fürchte ich, dass unsere Demokratie dauerhaft Schaden nimmt." Sommer forderte die Koalition auf, die Proteste als „Warnruf aus der Mitte der Gesellschaft nicht zu ignorieren". Die Proteste richteten sich vor allem gegen die Rente mit 67, Verschärfungen der Regeln für „Hartz IV"-Empfänger und Milliardenentlastungen für die Unternehmen. Sommer kündigte weitere Aktionen der Gewerkschaften an.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) räumte auf dem Deutschlandtag der Jungen Union in Wiesbaden ein: „Wir muten den Menschen was zu". Schwarz-Rot müsse aber sparen, weil Deutschland „nicht Zukunft schon in der Gegenwart verbrauchen" könne. CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla kritisierte die Proteste: „Der DGB hat keinen einzigen Vorschlag gemacht, um die Reformvorhaben der vergangenen zwölf Monate gerechter zu gestalten." CSU-Generalsekretär Markus Söder nannte die Gewerkschaften „das eigentliche Standorthindernis für Deutschland".

Grünen-Parteichef Reinhard Bütikofer betonte dagegen, viele Menschen hätten den Eindruck, „diese Regierung hört ihnen nicht mehr zu". FDP-Chef Guido Westerwelle sagte, es sei richtig, wenn die Gewerkschaften verlangten, die Bürger müssten mehr Geld haben. Der vom DGB vorgeschlagene Weg der Umverteilung sei aber falsch.

Armutsdebatte: Alt-Kanzler wehrt sich
Unterdessen ging die Debatte über Armut in Deutschland weiter. Alt-Kanzler Gerhard Schröder (SPD) wies Vorwürfe einer Mitschuld für steigende Armut als „Unfug" zurück. Die von ihm eingeleiteten Arbeitsmarktreformen gäben Menschen neue Chancen auf dem Arbeitsmarkt.

Der EKD-Ratsvorsitzende, Bischof Wolfgang Huber, kritisierte in einem Interview, die „Schere zwischen Arm und Reich" öffne sich immer weiter. Ein Teil der „Hartz IV"-Empfänger sei von „Verarmungsprozessen" betroffen. Huber nannte Armut in Deutschland „erblich". Für Kinder aus bildungsfernen Elternhäusern sei es schwer, „qualifizierte Schulabschlüsse und damit eine Chance zu angemessener gesellschaftlicher Teilhabe zu erhalten", beklagte Huber. Der Vorsitzende das AWO-Sozialverbandes, Wilhelm Schmidt, forderte ein flächendeckendes Angebot an kostenlosen Kinderbetreuungsplätzen sowie ausreichende berufliche Ausbildungsstellen.
(ddp,dr)