500 Jahre Petersdom, die Regensburger Rede und ein Moscheebesuch

Jahresrückblick im Vatikan

Die Antrittsenzyklika, Papstreisen in die Türkei, nach Polen, Spanien und Bayern - und die Regensburger Rede: Im Vatikan brachte das Jahr 2006 Überraschungen und Erfolge, aber auch Rückschläge. Zu bilanzieren sind ökumenische Highlights, wichtige diplomatische Initiativen und viele Jubiläen. Nach der Polemik um die als anti-muslimisch kritisierte Vorlesung von Benedikt XVI. im September trug schließlich sein gestenreicher Besuch in der Türkei mit der Meditation in der Blauen Moschee wieder zur Beruhigung bei.

 (DR)

Bald nach Jahresbeginn stellte Benedikt XVI. sein mit Beifall aufgenommenes erstes Lehrschreiben "Deus caritas est" vor: Darin entfaltet er die Gottes- und Nächstenliebe als untrennbare und zentrale Dimension des Christentums. Wenige Tage zuvor beging die Schweizergarde, die Schutztruppe des Papstes, ihr 500-jähriges Bestehen, das mit Festakten und Ausstellungen gefeiert wurde.

Denn am 22. Januar 1506 waren die ersten von Papst Julius II.
angeforderten Schweizer Söldner in Rom eingetroffen. Ein weiteres wichtiges Jubiläum: Derselbe Papst legte 1506 auch den Grundstein für den Petersdom - und wenige Monate später eröffnete er nach dem sensationellen Fund der Laokoon-Statue die Vatikanischen Museen. Anlässe für eine Serie hochkarätiger Kulturveranstaltungen.

Vier Mal war der Papst in den vergangenen zwölf Monaten im
Ausland: Dabei war der erste Besuch in Polen eine Hommage an seinen Vorgänger Johannes Paul II., fast genau ein Jahr nach dessen Tod. Und natürlich begab sich der Papst aus Deutschland auch nach Auschwitz. Der Besuch an dieser Stätte der grausamsten Barbarei dürfte bei dieser Reise nicht fehlen, betonte er soeben in seinem Jahresrückblick. Bewegt habe ihn dabei auch der Regenbogen, der während der Gedenkzeremonie plötzlich am Himmel erschien, gleichsam als Antwort und Bestätigung der Anwesenheit Gottes. Benedikt XVI. verband das Bekenntnis zu seiner deutschen Herkunft mit einer eindringlichen Versöhnungsbitte, wies aber den Vorwurf einer Kollektivschuld zurück.

Ein bewegender Heimatbesuch und ein Glaubensfest waren für den Papst im September die sechs Tage auf den eigenen Spuren in Bayern. Er predigte die Botschaft, Gott nicht aus der säkularen Gesellschaft auszuklammern. Er warnte vor einer "Taubheit gegenüber Gott" und Freiheitsrechten, die Forschungserfolge zum ethischen Maßstab hochstilisieren. Und er hielt in der Universität Regensburg jene Vorlesung mit jenem mittelalterlichen Zitat, das auch die moderate islamische Welt aufbrachte.

Dieser Streit stellte zunächst auch die Türkei-Reise Ende November in Frage. Aber nach umfänglicher Klarstellung fand die Fahrt zum Bosporus statt, und glättete schließlich auch die Wogen der islamischen Kritik. Mit seinen Reden und vor allem mit dem Istanbuler Moschee-Besuch erwarb sich Benedikt XVI. die Sympathie vieler Muslime. Im Mittelpunkt dieser Reise stand freilich auch das Ökumene-Treffen mit dem orthodoxen Patriarchen Bartholomaios.
Istanbuler Phanar. Zugleich war der Besuch eine demonstrative Rückenstärkung für die christliche Minderheit, die in der Türkei einen schweren Stand hat.

Das Pontifikat von Benedikt XVI. gilt zwar als weniger politisch als das vorangegangene, aber gerade bei den Auslandsreisen kommt er um politische Aussagen nicht herum. So wurde in der Türkei sein Plädoyer für gemeinsame Werte in Europa von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan einseitig als vatikanisches Placet für einen türkischen EU-Betritt gedeutet - was der Vatikan korrigieren musste. Aber auch sonst trat die diskrete Diplomatie des Heiligen Stuhls wiederholt ins Rampenlicht.

Als besondere Anliegen treten inzwischen immer deutlicher das Engagement für eine Friedenslösung in Nahost und für die Christen im Heiligen Land hervor. Besonders aktiv waren die Vatikan-Diplomaten während des Libanon-Kriegs. Aber auch die Situation in den Entwicklungsländern, insbesondere die großen Probleme Afrikas gehören zu den Anliegen von Papst und Vatikan.
Und sollte sich das Dialogsignal aus Nahost verstärken, dürfte Benedikt XVI. in absehbarer Zeit auch ins Heilige Land reisen.
Dort käme er an einen der politisch brisantesten Punkt der Erde.