SPD Klausurtagung einig über Entlastungen für Geringverdiener und bei der Kinderbetreuung

Nach dem Fordern kommt das Fördern

Mit Initiativen für den Arbeitsmarkt und Familien mit Kindern will die SPD politisch in die Offensive gehen. Die Parteiführung beschloss auf einer Klausursitzung in Bremen „einmütig“ Pläne für eine steuerliche Entlastung von Beschäftigten mit sehr niedrigem Gehalt und einen sozialen Arbeitsmarkt, um die Kluft zwischen Arm und Reich zu verkleinern. Bis 2010 wollen die Sozialdemokraten ferner einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Kinder durchsetzen. Außerdem verabschiedete der SPD-Vorstand den Entwurf für ein neues Parteiprogramm. SPD-Chef Kurt Beck sprach am Sonntag von einem „Meilenstein in der inhaltlichen Positionierung“.

 (DR)

Bekenntnis zum vorsorgenden Sozialstaat
In dem 67-Seiten-Papier mit dem Titel „Soziale Demokratie im 21. Jahrhundert" legt die SPD ein deutlicheres Bekenntnis zu Wachstum und technologischem Fortschritt ab als bisher. Ein vorsorgender Sozialstaat soll die Menschen dazu befähigen, ihr Leben selbst bestimmt zu meistern. Eine zentrale Rolle wird dabei der Bildung zugemessen.

Die SPD formuliert das politische Ziel der „sozialen Demokratie" als Einheit von Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität. Außerdem bekennt sich die Partei zur Idee des „demokratischen Sozialismus", der ihre Geschichte geprägt habe. Der Bremer Programmentwurf wird nun der Basis vorgelegt. Ein SPD-Parteitag in Hamburg wird dann im Oktober 2007 endgültig über das neue Programm entscheiden, welches das Berliner Programm aus dem Jahr 1989 ablösen soll.

Bonus für Arbeit
In einem aktuellen Papier zur Arbeitsmarktpolitik schlägt die SPD vor, dass Geringverdiener eine Steuergutschrift bekommen, um damit ihre Sozialversicherungsbeiträge zu senken. Ein staatlich geförderter „sozialer Arbeitsmarkt" müsse 100 000 schwer vermittelbaren Langzeitarbeitslosen eine dauerhafte und sinnvolle Beschäftigung verschaffen. Ziel ist es, einfache Dienstleistungen attraktiver zu machen und die Anreize für Hartz IV-Empfänger zu erhöhen, sich auf dem regulären Arbeitsmarkt um einen Arbeitsplatz zu bemühen. Im Gegenzug sollen die Zuverdienstmöglichkeiten begrenzt werden.
Beck nannte den „Bonus für Arbeit" einen spannenden Vorschlag, der nun von Fachleuten auf seine Finanzierbarkeit hin geprüft werden müsse. Arbeitsminister Franz Müntefering (SPD) kündigte an, der Vorstoß, der auf Ideen des Wissenschaftlers Peter Bofinger basiert, werde Gegenstand der Verhandlungen in der Koalitionsarbeitsgruppe zum Niedriglohnsektor sein. „Es geht um das Prinzip, dass man so viel wie möglich durch eigene Arbeit verdient", sagte der Vizekanzler.

Die SPD fordert außerdem dort, wo die Tarifpartner sich nicht einigen können, gesetzliche Mindestlöhne. Den Kombilohn-Plänen der Union wolle die SPD nicht zustimmen, bekräftigte Fraktionschef Peter Struck. Diese seien „nicht finanzierbar".

Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung
Bis 2010 streben die Sozialdemokraten einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Kinder an. Dieses Angebot für Kinder vom vollendeten ersten Lebensjahr bis zum Schuleintritt müsse von den Kommunen bereitgestellt werden. „Bei der Finanzierung muss aber auch die Bundesebene finanzielle Unterstützung leisten", heißt es in dem einstimmig beschlossenen Grundsatzpapier zur Familienpolitik. Beginnend mit dem letzten Kita-Jahr wollen die Sozialdemokraten zudem „schrittweise die gesamte Kita-Zeit beitragsfrei stellen". Finanziert werden könne dies unter anderem durch einen Verzicht auf eine Erhöhung des Kindergeldes.

Familienbund der Katholiken gegen Kindergeldkürzung
Der Familienbund der Katholiken sprach sich gegen eine Finanzierung kostenloser Betreuungsplätze durch eine Kürzung des Kindergeldes aus. Familienbunds-Präsidentin Elisabeth Bußmann sagte, Kindergeld sei zum Großteil ein Ausgleich für zu viel gezahlte Steuern der Eltern. Diese hätten somit ein Recht auf Kindergeld in angemessener Höhe. Bußmann forderte zudem, zunächst die qualitative Verbesserung frühkindlicher Bildung in den Mittelpunkt der Diskussion zu rücken.

Evangelische Kirche begrüßt die Pläne
Die rheinische evangelische Kirche hat die SPD-Pläne für eine kostenlose Kinderbetreuung begrüßt. Es sei ein "vernünftiger und richtiger Weg", Familien weniger individuell und mehr über strukturelle Angebote zu fördern, sagte Präses Nikolaus Schneider am Montag vor Journalisten in Bad Neuenahr. Die SPD-Spitze hatte sich am Wochenende auf ihrer Klausurtagung in Bremen dafür ausgesprochen, die Kita-Zeit für Eltern beitragsfrei zu stellen, finanziert werden soll dies durch den Verzicht auf eine Kindergeld-Erhöhung.

Schneider begrüßte auch den Vorschlag, zum Schutz von Kindern vor Verwahrlosung und Gewalt Vorsorgeuntersuchungen zur Pflicht zu machen. "Es ist eine staatliche Aufgabe, bis in die Familie hinein für die Wahrung der Kinderrechte einzutreten", betonte der Theologe. Kinder seien nicht das Eigentum ihrer Eltern.