Präses will beim Kirchentag heiße Eisen der Ökumene anpacken

"Das Tollste wäre, wenn uns der Heilige Geist beflügelt"

Die Ökumene wird ein zentrales Thema des 31. Deutschen Evangelischen Kirchentags vom 6. bis 10. Juni in Köln sein. Die Organisatoren sehen ihn als Station auf dem Weg zum Ökumenischen Kirchentag im Jahr 2010 in München an. Wie sie das strittige Thema Abendmahl anpacken werden und wie sich das Treffen von gut 100.000 Protestanten im überwiegend katholischen Köln gestalten wird, sagte der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Nikolaus Schneider, am Montag in Düsseldorf im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

 (DR)

KNA: Präses Schneider, beim Kirchentag feiern Sie mit Kardinal Meisner einen ökumenischen Gottesdienst im Dom - eine Besonderheit oder längst selbstverständlich?

Schneider: In der Öffentlichkeit wird es immer noch als Besonderheit wahrgenommen. Aber unser Verhältnis ist so, dass es nichts Besonderes mehr ist. Kardinal Meisner hat mich zu dem Gottesdienst eingeladen. Die Geste ging von ihm aus. Wir feiern häufiger ökumenische Gottesdienste, zu besonderen Ereignissen, zum Beispiel am Vorabend des ersten Advents oder des ersten Passionssonntages. Da ist einiges, was wir ganz selbstverständlich miteinander machen.

KNA: Warum überhaupt ein Kirchentag im "katholischen Köln"?

Schneider: Dahinter stecken keine konfessionspolitischen Überlegungen, sondern praktische. Der Kirchentag wandert durch die EKD-Gliedkirchen, nun war das Rheinland dran. Geeignete Räume wie die in der Messe, in denen Hunderttausende untergebracht werden können, finden sich nur in Köln und Düsseldorf. Da dort der letzte rheinische Kirchentag war, gehen wir nun nach Köln.

KNA: In der Innenstadt gibt es nur zwei evangelische Kirchen.
Kein Problem, dass sie in katholische ausweichen müssen?

Schneider: Das ist etwas sehr Gutes. Kardinal Meisner hat Kirchen und Gemeindehäuser gleich freundlich angeboten. Das war Ausdruck einer selbstverständlichen Gastfreundschaft. Ohne diese Hilfe könnten wir den Kirchentag nicht feiern.

KNA: Die Veranstaltungen beginnen ausgerechnet Fronleichnam. Es wird viele Prozessionen von Katholiken geben...

Schneider: Fronleichnam ist immer in der Kirchentagszeit.
Dahinter steckt keine Absicht. Es bedeutet nur, dass wir freundlich aufeinander Rücksicht nehmen werden.

KNA: Die rheinischen Protestanten haben viel Übung im Umgang mit Katholiken. Kann diese Erfahrung in der Ökumene weiterhelfen?

Schneider: Ja, die rheinische Kirche ist eine Diaspora-Kirche.
Das gilt besonders für das Erzbistum Köln. Was wir hier an Gemeinsamkeiten und Routine haben, ist ein Zeichen für die übrige Ökumene. Das kann ausstrahlen. Wir haben etwa schon lange eine Taufvereinbarung, wie sie bundesweit in Magdeburg geschlossen wurde. Außerdem haben viele katholische und evangelische Gemeinden Verträge geschlossen, in denen sie ihre Ökumene vor Ort regeln.

KNA: Kirchentagspräsident Höppner sieht zu viel Fundamentalismus im ökumenischen Gespräch auf höherer Ebene. Hat er Recht?

Schneider: Das mag so wahrgenommen werden. Aber man muss sehen, dass die Bischöfe eine besondere Verantwortung für die Lehre haben. Gerade in der Lehre von der Kirche gibt es erhebliche Unterschiede. Das bestimmt immer wieder die Gespräche. Aber mit Fundamentalismus hat das nichts zu tun. Und ich halte nichts davon, die Ebene der Bischöfe und die der Laien gegeneinander auszuspielen.

KNA: Welche Rolle wird das strittige Thema Abendmahl beim Kirchentag spielen?

Schneider: Bei Abendmahlsgottesdiensten wird natürlich unser protestantisches Verständnis vom Abendmahl leitend sein. Danach ist jeder getaufte Christ eingeladen. Wer in seinem Gewissen frei ist, ist eingeladen. Aber ich möchte keine taktischen Spielchen veranstalten und augenzwinkernd sagen: Liebe Katholiken, kommt in Scharen und zeigt dem Kardinal, was eine Harke ist. So sollten wir nicht miteinander umgehen.

KNA: Worüber wollen Sie mit ihm bei Ihrer Bibelarbeit sprechen?

Schneider: Die Frage des kirchlichen Amtes könnte eine spannende Rolle spielen. Wir haben einen interessanten Text, Jeremia 23, da geht es um wahre und falsche Propheten. Ich bin gespannt, ob wir uns verständigen können, wie man diese identifizieren und ob man die Problematik wahrer und falscher Prophetie dem kirchlichen Amt zuordnen kann. Prophetisch reden heißt ja, den Blick in die Zukunft zu richten und von dort auch die Gegenwart kritisch zu betrachten - auf ihre Verändungsbedürftigkeit hin, wie Gott sie haben möchte. Darin könnte eine Spannung zum kirchlichen Amt gesehen werden. Und: Aus römisch-katholischer Sicht ist das kirchliche Amt anders begründet als aus evangelischer.

KNA: Wenn Sie einen Wunsch frei hätten: Was sollte während das Kirchentags passieren, um die Ökumene voranzubringen?

Schneider: Es wäre natürlich das Tollste, wenn der Heilige Geist so gegenwärtig wäre, dass er uns beflügelt und zu neuen Einsichten führt. Es wäre das Größte, wenn der Heilige Geist uns da weiter treiben würde, wo wir häufig widerständig sind.

KNA: Zum Beispiel?

Schneider: Von unserer Seite würde ich mir ein tieferes Verständnis des Papstamtes wünschen. Der Anspruch des Papstes, theologische Wahrheit festzulegen und juristische Gewalt über die ganze Kirche auszuüben, ist mir sehr fremd. Es wäre gut, das genauer zu verstehen. Ebenso wichtig wäre der gegenseitige Respekt, dass wir beide Kirchen Teil der Kirche Jesu Christi sind - wenn das auch mit katholischer Plausibilität formuliert werden könnte.

Interview: Viola van Melis (KNA)