Einigung im Personalstreit bei der Telekom - Wirtschaftsaufschwung geht an Arbeitnehmern vorbei

Mehr Arbeit bei weniger Geld

Der Konflikt um die Bedingungen der Auslagerung von 50 000 Service-Beschäftigten bei der Deutschen Telekom ist beendet. Die Spitze des Bonner Konzerns und die Gewerkschaft ver.di einigten sich nach siebentägigen Verhandlungen in der Nacht zum Mittwoch auf ein Lösungspaket, wie beide Seiten am Mittwochmorgen im rheinland-pfälzischen Bad Neuenahr mitteilten. Der Kompromiss: 6,5 Prozent weniger Lohn, vier Stunden Mehrarbeit pro Woche.

 (DR)

Zum 1. Juli werden die Gehälter für die rund 50 000 Beschäftigten, die in Tochtergesellschaften ausgelagert werden sollen, um 6,5 Prozent gesenkt. Ursprünglich waren hier neun Prozent geplant. Gleichzeitig werde die Arbeitszeit um vier Stunden ohne Lohnausgleich auf 38 Stunden ausgeweitet. Davon soll eine halbe Stunde auf Weiterbildung entfallen. Bereits in den vergangenen Tagen hatten sich beide Seiten auf einen Kündigungsschutz bis Ende 2012 geeinigt. Zudem dürfen die Tochtergesellschaften bis Ende 2010 nicht ausgelagert werden.

Die Reduzierung der Gehälter soll aus Mitteln eines dafür gebildeten Topfes, ähnlich einem Sozialplan, über einen Zeitraum von 42 Monaten stufenweise sozialverträglich abgefedert werden. Für die ersten 18 Monate betrage die Ausgleichszahlung 100 Prozent, für die nächsten zwölf Monate 66 Prozent und für die folgenden zwölf Monate 33 Prozent. Die Ausgleichszahlungen enden am 31. Dezember 2010.

"Wir haben eine Lösung, mit der sich die Deutsche Telekom, aber auch ver.di nicht verstecken muss", sagte Telekom-Personalvorstand Thomas Sattelberger. Von den angestrebten Einsparungen zwischen 500 Millionen und 900 Millionen Euro im Jahr 2010 liege man "gut im Zielkorridor". Auch ver.di-Verhandlungsführer Lothar Schröder zeigte sich zufrieden. Noch am Mittwochvormittag will die ver.di-Verhandlungskommission der Großen Tarifkommission in Köln das rund 70-seitige Tarifwerk zur Annahme empfehlen.

Bei den Telekom-Mitarbeitern kommt nur wenig Freude über den Tarifkompromiss von ver.di auf
Während die Gewerkschaft ver.di den gefundenen Tarifkompromiss als Erfolg sieht, beurteilen die Beschäftigten die gefundene Lösung eher skeptisch. Die Mienen der Mitarbeiter, die sich am Mittwoch in Koblenz weiter im Streik befinden, sind nachdenklich. "Für uns heißt das doch, dass wir weniger verdienen werden und dazu noch mehr arbeiten müssen", meint eine der Streikenden. "Wir müssen erst einmal wissen, was genau in der Vereinbarung steht", sagt eine Kollegin. Auch im Detail könne noch der eine oder andere Nachteil stecken. Ob sie in der Urabstimmung dem gefundenen Kompromiss zustimme werde, weiß sie noch nicht.

"Seit der Umwandlung des Konzerns in eine Aktiengesellschaft mussten wir schon zahlreiche Kröten schlucken", berichtet eine 47-Jährige, die für die Telekom in einem Call-Center arbeitet. Als die 34-Stunden-Woche bei der Telekom eingeführt wurde, habe sie auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld verzichten müssen. Und jetzt solle sie 38 Stunden in der Woche für das gleiche oder weniger Geld arbeiten. Dies sei alles nicht fair. Sie habe sich von der Vereinbarung in Bad Neuenahr ein besseres Ergebnis erhofft.

"Ich bin stinkesauer", gibt ein 53-jähriger Fernmeldetechniker seine Gefühle deutlich zu erkennen. Auch er gehört zu den 240 Telekom-Mitarbeitern, die noch wenigstens bis Donnerstag in Koblenz streiken wollen. Die Regelung, dass es vor Ende 2012 zu keiner betriebsbedingten Kündigung kommen darf, stimmt ihn wenig fröhlich. "Für mich heißt das, 2013 sind wir an der Reihe rausgeschmissen zu werden", ist er sich sicher. "Dann bin ich 58 Jahre alt, und wer will mich dann noch als Arbeitnehmer haben?", fügt er resigniert hinzu.

"Anders als in anderen Berufssparten müssen wir schon seit zehn Jahren auf eine Lohnerhöhung verzichten", meint ein weiterer Kollege. Er habe ein Haus gebaut und wisse nicht, ob er es im nächsten Jahr noch abbezahlen kann. "Alles wird teurer und wir sollen weiterhin auf eine Gehaltserhöhung verzichten, die beim Kredit für das Haus eigentlich schon eingeplant war", berichtet er. Der getroffenen Vereinbarung werde er in der Urabstimmung in keinem Fall zustimmen. Er sei bereit, notfalls bis Dezember weiter zu streiken.

"Früher gab es einmal ein tolles Arbeitsklima bei der Telekom", blickt er zurück. Seine Kollegen und er seien bereit gewesen, wenn es abends mal etwas länger dauerte, unentgeldliche Überstunden zu leisten und, "wenn mal Not am Mann war", auch am Wochenende einzuspringen. Es sei selbstverständlich gewesen, dass man sich gegenseitig im Sinne des Kunden half. "Früher haben wir die Telekom als eine große Familie gesehen, doch damit ist es endgültig vorbei".