Schon das Motto "Gottes Macht - unsere Hoffnung" provozierte die staatliche Seite - galt doch offiziell die "Machtfrage" als endgültig geklärt. Mindestens genauso sehr ärgerten sich die SED-Funktionäre darüber, dass die Bischöfe nicht daran dachten, sich das "rein kirchliche" Vorhaben "genehmigen" zu lassen. Diese hatten nach den guten Erfahrungen bei der Elisabeth-Wallfahrt 1981 in Erfurt mit insgesamt 65.000 Teilnehmern bereits im Herbst 1983 eine zentrale Großveranstaltung für Dresden beschlossen. Den zuständigen Staatssekretär für Kirchenfragen, Klaus Gysi, informierten sie erst im darauf folgenden Sommer beiläufig.
Die Veranstaltung fand nach endlosen Verhandlungen dann etwa so statt, wie es sich die Berliner Bischofskonferenz vorgenommen hatte. Sie wurde ein "Tag der Begegnung" und kein Katholikentag nach westdeutschem Vorbild. Inhaltliche Diskussionen, die sich auch viele Katholiken an der Basis gewünscht hatten, blieben einem vorgeschalteten "Kleinen Katholikentreffen" vorbehalten - mit einer begrenzten Zahl von 3.000 Delegierten in 10 Arbeitsgruppen unter Ausschluss der Presse. Der Grund dafür war vor allem politischer Art: Die Bischöfe wollten dem permanenten Bemühen der Staatsorgane um "Differenzierung" - gemeint war "Spaltung" - nicht durch öffentliche Kontroversen Vorschub leisten. Vom "Kleinen Katholikentreffen" ging eine Reihe innerkirchlicher Reformen aus; zahlreiche Teilnehmer fanden sich ab 1990 in politischer Verantwortung wieder.
Der Hauptakzent lag gleichwohl auf dem abschließenden "Wallfahrtstag". Statt der vorab für das Protokoll festgelegten Zahl von 80.000 Teilnehmern wurden mehr als 100.000 Menschen gezählt, und das bei offiziell einer Million Katholiken in der DDR - eine hohe Teilnehmerquote, da es tatsächlich wohl weniger als 800.000 Katholiken in der DDR gab. Der damalige Berliner Bischof und Bischofskonferenz-Vorsitzende Kardinal Joachim Meisner brachte die Stimmung mit seinem viel zitierten Satz auf den Punkt: "Die Christen in unserem Land möchten ihre Begabungen und Fähigkeiten in unsere Gesellschaft einbringen, ohne dabei einem anderen Stern folgen zu sollen als dem von Betlehem. (...) Wir Christen wollen keine Privilegien, sondern nur die Möglichkeit für unseren christlichen Weltdienst."
Hinter den Kulissen hatte es eine jahrelange Diskussion gegeben, ob Papst Johannes Paul II. nach Dresden eingeladen werden sollte. Die staatliche Seite wollte dies nicht und knüpfte daran so viele Bedingungen, dass die Kirche schließlich darauf verzichtete. Der Papst schickte als Vertreter den damaligen Kurienkardinal Joseph Ratzinger. Dieser feierte beim ersten Tag des Katholikentreffens, dem "Pastoraltag" mit 1.200 Priestern, Diakonen und Laien-Mitarbeitern eine Messe und hielt zwei Vorträge zum Leitwort des Treffens. Johannes Paul II. selbst betonte in einem schriftlichen Grußwort: "Wer Gott zu seinem Herrn erwählt hat, ist nicht mehr Sklave von Menschen, Systemen oder Dingen." Der politische Gehalt dieses Satzes wurde ebenso verstanden wie die Aufforderung: "Wie die Welt Christus braucht, so braucht Euer Land die Christen."
Im Nachhinein erstaunt, was in diesen Tagen alles politisch brisant war. So wurde die eigenmächtige Herstellung von Papstpostern beanstandet. Die "Exodusfeier" der Jugend unter freiem Himmel stieß auf größte Bedenken - dachten doch die Funktionäre bei dem Begriff gleich an Ausreiseanträge. Dabei ging es eher um das Symbol für die Befreiung aus der Knechtschaft - was die Sache für die Staatsvertreter auch nicht besser machte. Schließlich durfte unter den eingeladenen "ausländischen Gästen" auf gar keinen Fall der damalige Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Joseph Höffner, sein; akzeptiert wurde nur sein Stellvertreter, der Mainzer Bischof Karl Lehmann, der sich aber dezent im Hintergrund halten sollte.
Für die katholische Kirche in der DDR war das Katholikentreffen eine große Ermutigung und ein weiterer Schritt auf dem seit Anfang der 80er Jahre eingeschlagenen Kurs der Öffnung und Erneuerung. Allerdings haben sich viele der damals brennenden Fragen heute erledigt. Vielleicht ist das ein Grund dafür, dass zum 20. Jahrestag keinerlei Veranstaltung in den ostdeutschen Bistümern an das Ereignis erinnert.
Vor 20 Jahren gab es das einzige DDR-weite Katholikentreffen
Große Ermutigung
Die katholische Kirche in der DDR stand für die Öffentlichkeit im Schatten der größeren und nach außen aktiveren evangelischen Kirche. Eine Ausnahme gab es vor 20 Jahren: Die Rede ist vom Katholikentreffen in Dresden vom 10. bis 12. Juli 1987. Die Katholiken präsentierten sich dort selbstbewusst und hoffnungsvoll. Sie bereiteten damit - ohne dies damals bereits ahnen zu können - auch in ihren Reihen die Grundlage für die zwei Jahre später einsetzenden Veränderungen im Land.
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