In den USA lebt die Debatte über Todesstrafen erneut auf

Pannen bei "schmerzfreien Hinrichtungen"

In den USA ist die Todesstrafe wieder einmal in die Diskussion geraten. Auslöser sind diesmal allerdings - zumindest vordergründig - nicht die ethischen Bedenken, sondern Frustration und Empörung über die Ausführung. Denn es zeigt sich, dass die von Befürwortern der Todesstrafe propagierten "humanen Methoden" der Tötung in der Realität so human nicht sind.

 (DR)

Der Fall liegt schon einige Monate zurück: Am 13. Dezember wurde der wegen Mordes verurteilte Angel Diaz in Florida hingerichtet. Allerdings unterlief den in den Medien als "Gefängnis-Angestellte" bezeichneten Personen, die dem Delinquenten die tödliche Injektion setzten, jenes Missgeschick, das Medizinstudenten in klinischen Praktika leidvoll bekannt ist: Die Nadel, über die der tödliche "Cocktail" in die Venen des Häftlings fließen sollte, lag nicht in der Vene, sondern durchstach die Venenwand. Das Gift versickerte im Gewebe, ohne in ausreichender Dosis zum Herzen und von dort in den Körperkreislauf zu gelangen.

Diaz litt erkennbar, aber er starb nicht. Eine zweite Kanüle musste gelegt werden. Diesmal erfüllte der Eingriff seinen Zweck, und der Mörder starb - 34 Minuten, nachdem seine Hinrichtung begonnen hatte. Nach diesem Vorfall hat nun ein Bezirksrichter in Ocala/Florida die Exekution des nächsten Todeskandidaten ausgesetzt. In der Zwischenzeit müsse sicher gestellt werden, dass das zuständige Ministerium ein Protokoll zum Handlungsablauf erstellt hat, das eine kompetente Ausführung sicherstellt. Die Behörde zeigte sich zuletzt zuversichtlich, dass diese Auflage bald erfüllt sein kann - und der Verurteilte, Deco Lightburne, seine Strafe erhalten werde.

Der Staat Florida hat sich nach dem Fiasko im Fall Diaz intensiv mit dem Problem befasst. Auf Anordnung des damaligen Gouverneurs Jeb Bush wurde eine Kommission aus Ärzten, Anwälten, Vollzugsexperten und Technikern gebildet, die 37 Verbesserungsvorschläge einbrachte. So soll das Personal besser geschult werden; die "Todeskammer" ist nun doppelt so groß angelegt, so dass mehr Bedienstete Platz finden, die bei Problemen helfen sollen.

Florida ist einer der Staaten mit den meisten Hinrichtungen: 64 in den vergangenen 30 Jahren. Mit weitem Abstand Spitzenreiter ist Texas mit 398 seit 1976 vollstreckten Todesstrafen. Dort regierte ebenfalls acht Jahre lang ein Bush-Gouverneur.

Probleme mit der Giftspritze gibt es auch außerhalb von Florida. In Missouri (66 Hinrichtungen seit 1976) brachte der mit der tödlichen Infusion betraute Arzt in rund 50 Fällen die zur Tötung notwendigen Dosierungen durcheinander. Als der Skandal ans Licht kam, erklärte der Mediziner, er leide an Dyslexie, einer Leseschwäche, und habe so die exakte Zusammensetzung des Giftcocktails und andere Details nicht richtig verstanden. Der Gouverneur von Missouri unterschrieb jetzt als Folge dieses befremdlichen Geständnisses ein neues Gesetz. Es legt allerdings keineswegs Richtlinien für die Kompetenz des oder der Henker fest. Vielmehr erklärt es die Presigabe der Identität eines Henkers zum Verbrechen - der Fall des Arztes war durch Veröffentlichung der Zeitung "The St. Louis Post-Dispatch" bekannt geworden.

Die "New York Times", erklärte Gegnerin der Todesstrafe, schrieb zu dem Vorgehen in Missouri empört: "Unter diesem neuen Geheimhaltungsgesetz wird Missouris System der Kapitalstrafen tiefer in die Inkompetenz und Grausamkeit abdriften, und für seine Bürger wird es schwerer werden, dies zu stoppen."

Die Warnung kam zu einem historisch symbolträchtigen Zeitpunkt:
Der 6. August war der Jahrestag der ersten Hinrichtung auf dem elektrischen Stuhl. Mit diesem Gerät, das später durch die angeblich humanere Giftspritze verdrängt wurde, beförderte man 1890 einen William Kemmler wegen Mordes an seiner Freundin vom Leben zum Tod. Der erste Stromstoß tötete ihn nicht. Zahlreiche Zeugen verließen damals das New Yorker Auburn-Gefängnis, schockiert über seinen Todeskampf. (Ronald Gerste, KNA)