Über den Bruder des Papstes gibt es eine autorisierte Biografie

"Der Ratzinger bin ich!"

Georg Ratzinger sind in seinem Leben viele Wünsche erfüllt worden, doch diese Rolle hatte er sich nicht ausgesucht: Am 19. April 2005 begann für den damals 81-Jährigen das Leben noch einmal von vorn. An diesem Tag stieg der frühere Regensburger Domkapellmeister ganz ohne eigenes Zutun zum "Bruder des Papstes" auf. Als einziger lebender enger Verwandter von Benedikt XVI. musste er sich damit arrangieren, dass das Scheinwerferlicht nun auch auf ihn fällt. Ab Donnerstag liegt eine von ihm autorisierte Biografie vor.

 (DR)

Das Porträt zeichnet das Bild eines geraden Weges
Nur wenige Wochen nach dem Konklave fragte der Buch- und Fernsehautor Anton Zuber ("Weißblaue Geschichten", "Die Fallers") bei dem zurückgezogen in Regensburg lebenden Ruheständler an - und gewann sein Vertrauen. Zuber nahm Einsicht ins Archiv der Domspatzen, die Ratzinger 30 Jahre lang geleitet hat. Außerdem durfte er sich zu Illustrationszwecken im privaten Fotoalbum bedienen. Brisante Enthüllungen aus der engsten Umgebung des Papstes darf man sich aber nicht erwarten.

Das Porträt zeichnet das Bild eines geraden Weges. Der Ältere der Ratzinger-Brüder zeigte von Kindesbeinen an gleich starkes Interesse am religiösen und musikalischen Leben. Die Karriere als geistlicher Kirchenmusiker war einzig gefährdet durch den Kriegseinsatz. Dabei trug der Soldat an der italienischen Front einen Armdurchschuss davon, der aber so verheilte, dass Klavier- und Orgelspiel wieder möglich wurden.

Fast die Hälfte der Darstellung dreht sich um die erste Rolle seines Lebens: 1964 wird Georg Ratzinger, damals einfacher Kaplan in Traunstein mit kirchenmusikalischen Aufgaben, an die Spitze der berühmten Domspatzen berufen - ein Traumjob, dem er aber in den ersten Wochen nicht gewachsen zu sein scheint. Ungeschminkt beschreibt Zuber Ratzingers Schwierigkeiten mit Verwandten seines verstorbenen Vorgängers Theobald Schrems, die ihre Positionen im Getriebe des Chors in Gefahr sehen.

Ratzinger mehrt das Ansehen der Domspatzen
Nachdem sich Ratzinger etabliert hat, erweitert er behutsam den Radius des Ensembles mit seiner tausendjährigen Tradition. Mit evangelischen Komponisten wie Bach und Schütz kennt er keine Berührungsängste. Die von ihm geschätzten Romantiker bereichern das Repertoire der Singknaben. Gezielt führt der Domkapellmeister den Chor an Rundfunk- und Schallplattenaufnahmen heran. Mit ausgedehnten Tourneen in alle Welt mehrt er das Ansehen der Domspatzen - und ist doch froh, wenn er wieder in seine bayerische Heimat zurückkehrt.

Den jungen Sängern begegnet er im Probenbetrieb streng, in der Freizeit mild. Legendär sind seine Wutausbrüche, in denen sein Stuhl krachend zu Boden geht. Im Musikinternat steckt der stets nur "Chef" Genannte seinen Schützlingen Bonbons zu und diskutiert mit ihnen die aktuellen Bundesligaergebnisse. In vielen Anekdoten blitzt Ratzingers spezieller Humor durch. Auf die Frage eines Ausflüglers, ob am Sonntag auch die Domspatzen in der Messe singen, antwortet er: "Geplant ist's. Aber Gott ist auf jeden Fall da." Wenige Wochen nach der Papstwahl wird er in Regensburg von Schülerinnen angesprochen: "Gell, Sie sind doch der Bruder vom Ratzinger?" Der Prälat: "Nein, der Ratzinger bin ich!"

"A bisserl dermatscht"
Am dichtesten geraten ist die Schilderung, wie Georg Ratzinger um Fassung rang, als ihn die Nachricht vom Ausgang des Konklaves erreichte: Kreidebleich sei er minutenlang wie erstarrt dagesessen - "a bisserl dermatscht", befindet seine Haushälterin. Dem Papst gelingt es an diesem Abend nicht mehr, ihn zu sprechen. Der Telefonhörer des Domkapellmeisters liegt neben der Gabel.

Heute verfügt Ratzinger über eine eigene Leitung zum jüngeren Bruder. Die Bedeutung dieses Drahtes für die päpstliche Lagebeurteilung in Deutschland bleibt aber im Ungefähren. Jeweils nicht länger als sieben Minuten "ratsche" er mehrmals in der Woche mit dem Papst, den er weiter Joseph nennt, erzählt Georg. Um kirchliche oder politische Geschehnisse gehe es da nur am Rande.

Von KNA-Redakteur Christoph Renzikowski