Diskussion um Umgang der Politik nach Hetzjagd von Sachsen - Polizei erkennt keinen Rechts-Hintergrund

"Empörend, wie jetzt reagiert wird"

Bei einem Stadtfest im sächsischen Mügeln sind in der Nacht zu Sonntag mehrere Inder angegriffen und von einer großen Gruppe Deutscher gejagt worden. Erst Polizisten konnten den Übergriff beenden. Weder Polizei noch Politik wollen einen rechtsradikalen Hintergrund bestätigen. Viele Fakten sprechen aber dafür, meint auch Anetta Kahane, Vorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung gegen Rechts, im domradio-Interview: "Empörend - die Tat und wie dumm jetzt reagiert wird."

 (DR)

Ausländerfeindliche Parolen
Mügelns Bürgermeister Gotthard Deuse hatte zunächst einen rechtsradikalen Hintergrund vermutet. Inzwischen aber ist Deuse von seiner Einschätzung abgerückt. Er könne nicht bestätigen, dass der Zwischenfall einen rechtsradikalen Hintergrund gehabt habe, da er selbst nicht in der Nähe gewesen sei.

Doch Rechtsradikalismus sei in dieser Region ein Problem, das ignoriert werde, sagt Anetta Kahane, Vorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung im domradio-Interview. Man müsse anfangen, sich damit zu beschäftigen und auseinanderzusetzen. "Wenn man das nicht macht, findet man auch keine Heilung", so Kahane.

Ein Augenzeuge berichtete von Parolen wie "Ausländer raus" und "Hier regiert der nationale Widerstand". Zahlreiche Schaulustige schauten zu - und applaudierten anstatt einzugreifen.

Polizei sieht keinen rechten Hintergrund
Die Polizei geht trotz bezeugter ausländerfeindlicher Parolen nicht von einem rechtsradikalen Hintergrund aus. Zwar seien im Laufe der Verfolgung und Schlägerei Sätze wie "Ausländer raus" zu hören gewesen, sagte eine Polizeisprecherin am Montag in Leipzig auf ddp-Anfrage.

Ein Anhaltspunkt für ein generell fremdenfeindliches Motiv ergebe sich daraus aber nicht. Auslöser für die Ausschreitungen sei nach bisherigen Erkenntnissen eine Rangelei auf einer Tanzfläche gewesen. Wie es dazu gekommen sei, stehe noch nicht fest. Einige der Angreifer hätten von den Beamten identifiziert werden können. Es werde nun in alle Richtungen ermittelt.

Zu der Spekulation, die Polizei sei zuvor über mögliche Ausschreitungen gewarnt worden, sagte die Sprecherin, es habe eine E-Mail an den Jugendklub des Ortes gegeben, in der vor einem Überfall auf den Klub gewarnt worden sei. Der Jugendklub habe aber mit den Ausschreitungen der Nacht "überhaupt nichts zu tun gehabt". Die betreffende Mail habe die Polizei aber bis Montag nicht zu sehen bekommen.

Polizei verhinderte Schlimmeres
Wie die Polizei mitteilte, verfolgte die etwa 50-köpfige Gruppe die Inder vom Festgelände bis in eine Pizzeria und beschädigte dort Scheiben sowie ein Auto des Ladenbesitzers.

"Wäre die Polizei nicht gekommen, hätte hier noch viel Schlimmeres passieren können", sagte der Pizzeria-Besitzer der "Leipziger Volkszeitung" (Montagausgabe). Es wurden 14 Personen verletzt, darunter alle acht Inder und vier Deutsche. Auch zwei Polizisten erlitten Verletzungen. Insgesamt waren der Zeitung zufolge 69 Polizeibeamte im Einsatz.

"Ich finde es am schlimmsten, dass die Leute dabei gestanden und die Hilfe unterlassen haben und sogar applaudieren. Das ist eine ganz besonders perfide Form von Hass", findet Anetta Kahane. Diese Tatsache sei geradezu "gruselig".