Der Artikel im Economist beschreibt die Arbeit der Botschafter des Heiligen Stuhls und die Schwierigkeiten, die sich aus der Doppelrolle des Vatikans als Staat und als Kirche ergeben. Der Vatikan genieße die Privilegien eines Staates, obwohl er eine Religion vertrete.
Der Autor kommt zu dem Schluss, dass in einem Zeitalter, in dem die Stärke unabhängiger Organisationen von Tag zu Tag zunähme, der Vatikan seine Autorität stärken solle, indem er den eigenen Status kläre. Statt eine Form von zwischenstaatlicher Diplomatie zu betreiben, könne der Vatikan seinen speziellen diplomatischen Status aufgeben und sich selbst als das bezeichnen was er sei - die größte Nicht-Regierungsorganisation der Welt.
Diplomaten des Vatikan kämpfen für das Gute im Menschen
Der Economist zitiert einen ehemaligern "Außenminister" des Vatikan, Kardinal Jean-Louis Tauran. Dieser sagte kürzlich, der Heilige Stuhl "versucht nicht nur die Freiheit und die Rechte der katholischen Gemeinden zu fördern und zu verteidigen, er fördert auch gewisse Prinzipien, ohne die es keine Zivilisation gibt". Der Vatikan habe aber auch eine politische Haltung, er bemühe sich um die internationale Anerkennung Jerusalems und erkenne Taiwan als Teil Chinas an, so der Kardinal. Das Recht auf Leben in allen Stadien der biologischen Entwicklung betont er als wichtigstes Ziel der Außenpolitik des Vatikan. Anders als Staaten, könnten die Diplomaten des Vatikan nicht nur für die Rechte der Katholiken eintreten, sondern auch für Humanität.
Der Vatikan beschränke sich in der UN eher auf die Rolle eines permanenten Beobachters. Als Unterzeichner der UN-Menschenrechtsconventionen, zum Beispiel für die Rechte von Kindern oder gegen Rassismus, habe der Vatikan dort aber eine Plattform, um für seine Ideen zu werben: Gewaltfreiheit, gerechte Wirtschaftsabkommen für arme Nationen, die Ausweitung internationalen Rechts, die Unterstützung der Ehe und des ungeborenen Lebens sowie der Kampf gegen Abtreibung und Euthanasie.
Kirche nutzt ihren Sonderstatus nicht aus
Der Präsident des EU-Parlaments, Hans-Gert Pöttering (CDU), hat die Forderung kritisiert, den völkerrechtlichen Sonderstatus des Heiligen Stuhls aufzuheben. Die katholische Kirche nutze ihre staats- und völkerrechtliche Position "nicht zu Zwecken der Vorherrschaft und der Dominanz", sagte er in einem von Radio Vatikan am Montag veröffentlichten Interview. Der EU-Politiker widersprach damit Forderungen mehrerer afrikanischer Staaten, den Vatikan wie andere Nichtregierungsorganisationen zu behandeln.
Zuvor hatte bereits Erzbischof Bruno Forte von der Internationalen Theologenkommission des Vatikans die Forderung, den Sonderstatus aufzugeben, zurückgewiesen. Er sieht dahinter "ideologische Vorurteile", die die Kirche auf eine "Sozialagentur" reduzieren wollten. Der Vatikanstaat ist der kleinste allgemein anerkannte Staat der Welt. Er untersteht der Autorität des Heiligen Stuhls, der ein internationales nichtstaatliches Völkerrechtssubjekt ist. Der Vatikan unterhält diplomatische Beziehungen zu rund 170 Ländern.
RV-Interview mit Bruno Forte
Radio Vatikan sprach mit dem Erzbischof von Chieti-Vasto, Bruno Forte, über die Vorschläge des Economist, die auch von einigen afrikanischen Staaten vertreten werden.
Bruno Forte: "Diese Forderungen speisen sich aus einer ganz klar ideologischen Sichtweise der Kirche. In einer solchen Perspektive ist es absolut unmöglich, das tiefe Geheimnis zu erkennen, diesen letzten Sinn, den jeder Gläubige erfasst, der die Erfahrung der Gnade lebt. In den Augen der Mächtigen dieser Welt gleich welcher Art, besonders der ökonomischen, kann die Kirche nicht anders als eine Organisation unter anderen im Spiel der Kräfte zu erscheinen. Die Kirche allerdings in dieser Art zu reduzieren bedeutet, ihre tiefste Seele zu verraten."
Zur Frage, was hinter diesen Vorstößen steckt, sagt der als einer der wichtigsten italienischen Theologen der Gegenwart geltende Bischof:
Bruno Forte: "Ich zögere nicht, hinter diesen Versuchen ideologische Vorurteile zu erkennen; aber wer die Kirche von innen erlebt, muss diesen Versuchen widerstehen, weil die Kirche eben nicht einfach eine Sozialagentur ist - sie ist es auch: und unzählig ist das Gute, das sie in der Welt tut - aber all dies tut sie aus einem tieferen Grund, einer Kraft, einer Hoffnung, einer Liebe, die nicht reduziert werden kann auf die simplen Koordinaten der Wirtschaft oder der politischen Macht."
Auch für den Papst sei der Grund für den "Sonderstatus" ein theologischer, so Bischof Forte:
Bruno Forte: "Eine Konstante der Lehrverkündigung von Papst Benedikt XVI. ist seine Hinweis auf die übernatürliche und mystische Sicht der Kirche. Auch die Enzyklika „Deus Caritas est" ist in dieser Hinsicht sehr stark: In ihr betont Benedikt, dass die pure, wahre und selbstlose Liebe von Gott kommt und zu Gott zurückkehrt und darin das Herz des Menschen einbezieht. Die Kirche, die die Kirche der Liebe ist, und das Volk derer, die sich vom Geliebten als geliebt erkennen, kann nicht auf eine einfache Sozialagentur reduziert werden, wo der Dienst am Nächsten nur aus beruflichen oder wirtschaftlichen Gründen heraus oder von allgemeinen humanitären Prinzipien her motiviert ist. Die Kirche ist die Gemeinschaft derer, die die Quelle der Liebe erkennen, die sie zu handeln drängt, nicht aus sich selbst heraus, sondern in Gott."
Zur Diskussion um den diplomatischen Status des Vatikans - Pöttering: Kirche nutzt Sonderstatus nicht aus
Größte NGO der Welt?
Es mehren sich Forderungen, dass die Katholische Kirche ihren völkerrechtlichen Status aufgibt. So fordert die britische Wochenzeitung "The Economist", der Heilige Stuhl soll seinen "diplomatischen Sonderstatus" aufgeben und sich vielmehr als die "größte NGO der Welt" verstehen. Solche Vorstellungen werden dem Wesen der Kirche nicht gerecht, meint dagegen der Erzbischof von Chieti-Vasto, Bruno Forte.
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