Umstrittene Lesung mit Lammert und Flimm im Bochumer Schauspielhaus

"'s ist leider Krieg"

Bevor Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) und Theatermacher Jürgen Flimm am Sonntagabend im Bochumer Schauspielhaus ihre Lesung unter dem Titel "'s ist leider Krieg" absolvierten, hagelte es erst einmal Kritik von Gegnern der Veranstaltung. Das Bochumer Friedensplenum mit Ralf Feldmann an der Spitze nannte Lammert einen "Friedensheuchler", "Luzifer der Kultur" und einen "Paten der Hochrüstung".

 (DR)

Bochums Alt-Intendant Frank-Patrick Steckel hatte sich zwei Wochen vor der Lesung von Berlin aus zu Wort gemeldet und an das Theater appelliert, die Veranstaltung abzusagen. "Die Bühnen eines Schauspielhauses sind der Vorstellungskunst der Schauspieler vorbehalten - für die Heuchelei von Berufspolitikern und Kunstfunktionären ist da kein Platz", hatte Steckel erklärt. In zwei offenen Briefen hatte er die beiden Vortragenden zudem als "zweifelhafte Existenzen" tituliert, deren Auftreten im Bochumer Schauspielhaus "jede aufrichtige Theaterarbeit kontaminiere".

Kunst oder Imagepflege?
Flimm, in den letzten drei Jahren Leiter des renommierten Kulturfestivals RuhrTriennale und seit Oktober 2006 Intendant der Salzburger Festspiele musste sich vom Friedensplenum den Vorwurf gefallen lassen, er sei "Impresario" für den Bundestagspräsidenten und sorge mit dem gemeinsamen Auftritt für "politische Imagepflege" des Bochumer CDU-Bundestagsabgeordneten. Zwei große Transparente mit Zitaten von Bertolt Brecht wurden ausgerollt, dann setzten sich die etwa 40 Friedensfreunde zu den übrigen Zuschauern. Weder Lammerts Leibwächter noch die Mitarbeiter eines privaten Sicherheitsdienstes mussten einschreiten.

Flimm wies zu Beginn der Veranstaltung vor etwa 200 Zuhörern darauf hin, dass die Lesung als Bestandteil der RuhrTriennale in enger Verbindung zu der Inszenierung "Courage" stand, die im Rahmen des Festivals Uraufführung hatte und vom Leben einer Frau im 30-Jährigen-Krieg erzählte. Alle Texte, die Lammert und Flimm dann zu Gehör brachten, handelten von den Grausamkeiten des Krieges und den Hoffnungen auf Friedensschluss. Dabei erwies sich Lammert als exzellenter Rezitator auf der Theaterbühne. Nur zweimal wurden die beiden Protagonisten kurz durch Zwischenrufe unterbrochen.

Literaturbegeisterter Politiker
Nach knapp zwei Stunden stellten sich Lammert und Flimm dann den Fragen der Zuschauer. Es waren fast ausschließlich Kritiker des Vortragsabends, die sich zu Wort meldeten. Lammert verteidigte dabei seine Zustimmung zum Bundeswehr-Einsatz im Kosovo, weil sich dort "erneut ein Völkermord abgespielt" habe. Im Übrigen outete sich der CDU-Politiker "als jemand, der sich länger mit Kunst als mit Politik befasst hat". Den Vorwurf, als literaturbegeisterter Politiker nicht auf eine Theaterbühne zu gehören, wies er zurück.

Nicht glaubwürdig?
Auch Bochums Intendant Elmar Goerden, der Lammert und Flimm eingeladen hatte, gab zu bedenken, dass schließlich auch Kulturschaffende wie Regisseure oder Intendanten auf der Bühne politisch agierten. Doch davon wollten die Mitglieder des Bochumer Friedensplenums nichts wissen. Sie nannten Lammert "nicht glaubwürdig" und warfen ihm vor, er sei kein Anhänger antimilitaristischer Friedenspolitik. "Hier steht kein Nelson Mandela auf der Bühne, sondern ein CDU-Politiker, der 1991 den Irak-Krieg gut geheißen hat", polterte einer der Friedensbewegten kurz vor Ende der Veranstaltung.

Die Protagonisten auf der Bühne lasen übrigens Gedichte, Lieder, Briefe, Essays und Zeitzeugenberichte zum Thema Krieg - und Frieden.

Rudolf Alexander (ddp)