Im Interview bezog Sarkozy wiefolgt Stellung: "Es ist immens wichtig, dass die Religionen sich an die neuen Gegebenheiten in Frankreich anpassen. Die großen Stadtrandgebiete sind religiöse Wüsten geworden. Das ist nicht gut, und deshalb halte ich Anpassungen des Gesetzes von 1905 für notwendig. Aber ich habe gesagt: Anpassungen kann man auf der Basis eines Konsenses vornehmen, und nur mit einem derartigen Konsens können wir Entwicklungen vorantreiben."
Das Recht, sich zu Wort zu melden, müsse den Religionen im laizistischen Staat zugesichert werden. "Die großen Religionen, auch der Islam in Frankreich, müssen sich auf ruhige Weise äußern, mit einer Botschaft der Liebe und des Friedens. Für mich ist es wichtig, dass sie das tun können. Es fehlt an intellektuellen Christen, an großen Stimmen, die die gesellschaftlichen Debatten vorantreiben und zeigen, dass das Leben nicht ein Konsumgut ist, wie jedes andere. Man braucht keine Angst vor den Religionen zu haben; die großen religiösen Bewegungen sind Zeugen der Hoffnung. Ich sehe nicht ein, warum Hoffnung dem republikanischen Ideal widersprechen sollte…"
Christen müssten darin bestärkt werden, sich öffentlich zu Wort zu melden, so Sarkozy: "Die Botschaft Christi ist eine sehr ermutigende Botschaft, denn sie verkündet einen verzeihenden Gott und ein Leben nach dem Tod. Ich denke nicht, dass diese Botschaft voll Mut und vollkommener Hoffnung gedämpft werden darf."
Zurückhaltend äußerte Frankreichs Präsident sich zum Islam. Laut Umfragen bezeichnen sich rund zehn Prozent der Franzosen als Moslems.
"Trotz des Gleichheitsprinzips will ich keinen ,Islam in Frankreich' sondern einen ,französischen Islam'. Hier geht es um die Frage eines europäisierten Islams, der mit den Werten der europäischen Gesellschaft vereinbar ist."
Im Exklusivinterview von Radio Vatikan und Osservatore Romano äußerte sich Sarkozy auch zu außenpolitischen Fragen Frankreichs und Europas. Zur Türkei und den Beitrittsverhandlungen zur EU sagte er:
"Ich bin zwar nicht der Pressesprecher des Heiligen Stuhls, aber wir haben darüber gesprochen: Die Türkei ist nicht in Europa, das ist eine geographische Tatsache. Die Türkei ist in Kleinasien. Dennoch braucht es enge Verbindungen. Ich will einen Partnerschaftsvertrag zwischen der Türkei und Europa, keinen Beitritt. Meiner Meinung nach darf sie nicht in Europa sein, weil sie nicht europäisch ist."
Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy war am Donnerstag zum ersten Mal mit Papst Benedikt XVI. zusammengetroffen. In der 25-minütigen Unterredung unter vier Augen ging es vor allem um die aktuelle Situation in Frankreich sowie internationale Themen wie Europa, Afrika und Nahost, wie der Vatikan anschließend mitteilte. Dieses mal noch nicht an seiner Seite: Seine neue Freundin, Ex-Top-Modell Carla Bruni.
Sarkozy schenkte dem Papst drei Bücher
Als Geschenk überreichte der französische Staatspräsident dem Papst drei Bücher; darunter das 2004 von ihm mitverfasste Werk "Die Republik, die Religionen, die Hoffnung". Die beiden Koautoren, der Philosoph Thibaud Collin und der Dominikanerpater Philippe Verdin, gehörten zur Delegation des Präsidenten. "Mein Geschenk ist bescheidener", sagte der Papst als er sich mit einer goldenen Pontifikats-Medaille revanchierte.
Zur Begleitung des französischen Präsidenten gehörten auch der als "Rocker-Priester" bekannte französischen Geistliche Guy Gilbert, mit dem Benedikt XVI. sich lange unterhielt, sowie der Komiker Jean-Marie Bigard. Sarkozy dankte dem Papst für das Treffen und lobte dessen Französischkenntnisse. Nach der Papstaudienz begab sich der französische Staatspräsident zu einem Gespräch mit Kardinal-Staatssekretär Tarcisio Bertone.
Anschließend war ein Mittagessen in der Residenz des französischen Botschafters im römischen Palazzo Farnese vorgesehen. Nach einem Besuch bei Staatspräsident Giorgio Napolitano wird Sarkozy zum Ehren-Kanoniker der Lateran-Basilika ernannt - ein Titel, der seit 1604 den französischen Königen zusteht und in der Neuzeit von den meisten Präsidenten übernommen wurde. Außerdem standen für den Nachmittag und Abend politische Gespräche mit Ministerpräsident Romano Prodi und dessen spanischem Amtskollegen Jose Luis Rodriguez Zapatero auf dem Programm.
Das Interesse der italienischen Medien am ersten Besuch des französischen Präsidenten war ungewöhnlich groß. In ganzseitigen Berichten gingen die großen Tageszeitungen auf das Debüt Sarkozys in Italien ein. Alle Blätter bedauerten, dass der Präsident diesmal noch ohne seine neue Freundin, Ex-Top-Modell Carla Bruni, nach Rom gekommen war.
Sarkozy zu erster Audienz bei Benedikt XVI. - "positive Laizität"
Ein Besuch mit weitreichenden Folgen?
Nicolas Sarkozy denkt über eine Änderung des Gesetzes zur strikten Trennung von Staat und Kirche nach. Die Gesellschaft brauche die Religionen, betonte Frankreichs Staatspräsident nach seinem Antrittsbesuch bei Papst Benedikt. Die von ihm vertretene "positive Laizität" gebe jedem das Recht, seinen Glauben zu leben und weiterzugeben, sagte Sarkozy im Gespräch mit Radio Vatikan.
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