Ausschlaggebend seien neben Familienbanden und niedrigeren Bestattungskosten im Ausland vor allem rechtliche Hindernisse für islamische Beisetzungen in deutscher Erde, wie Thomas Lemmen, Geschäftsführer der Christlich-Islamischen Gesellschaft, bei einer Fachtagung am Wochenende in Kassel erklärte. Deutsche Bestattungsordnungen und islamische Grabriten vertragen sich in vielen Punkten nicht. So gilt hierzulande, dass Tote im Sarg beerdigt werden. Muslime werden jedoch nur im Leichentuch beigesetzt.
Auch lassen sich deutsche Reihengräber nicht ohne weiteres nach Mekka ausrichten, wie im Islam vorgeschrieben. Darüber hinaus lehnen viele Muslime die hier übliche Einebnung eines Grabes nach 15 oder 20 Jahren ab. Ein muslimisches Grab müsse zwar nicht ewig bestehen, aber wenigstens bis zur völligen Verwesung einer Leiche, sagt Firouz Vladi vom Moscheeverband Schura Niedersachsen.
Bundesländer und Kommunen kommen Muslimen entgegen
Mittlerweile kommen einige Bundesländer und Kommunen den Muslimen entgegen und ermöglichen Grabriten, die dem islamischen Rechtssystem Scharia zumindest nahe kommen. Lemmen zufolge gibt es inzwischen mehr als hundert islamische Grabfelder auf deutschen Friedhöfen. Außerdem gestatten nun einige Länder auf Antrag eine Ausnahme von der Sargpflicht. "Damit ist die Scharia integraler Bestandteil deutscher Rechtsordnung geworden, ohne dass sich irgendwer groß darüber aufregt", sagt der katholische Theologe und Islamwissenschaftler unter Bezug auf die Grabriten.
Nach Ansicht von Reiner Sörries, Direktor des Kasseler Museums für Sepulkralkultur, beharren immer mehr gesellschaftliche Gruppen nicht nur Muslime auf eigenen Grabfeldern und -riten. Dahinter stehe der Wunsch, auch über den Tod hinaus die eigene Identität deutlich zu machen. Eine erzwungene Anpassung an die deutsche Friedhofskultur mit Stiefmütterchen auf den Reihengräbern steht Sörries zufolge der gewünschten Integration entgegen. "Integrieren kann sich nur, wer seine eigene Identität bewahrt", sagt der Museumsleiter.
"Das wird sich ändern"
Eine islamische Bestattung zu ermöglichen, ist für Christoph Dahling-Sander, Leiter der Islam-Arbeitsstelle der evangelischen Landeskirche von Hannover, Aufgabe kommunaler Friedhöfe. Kirchliche Gräberfelder sollten dagegen nur in Ausnahmefällen für muslimische Bestattungen offen stehen. "Kirchliche Friedhöfe sind Orte christlicher Verkündigung", betont der evangelische Theologe.
Zwar gibt es laut Dahling-Sander auch auf Kirchfriedhöfen schon mal Beerdigungen von Muslimen. Dies sei der Fall, wenn ein Partner einer christlich-islamischen Ehe sterbe oder sich im Umkreis kein anderer Friedhof finde. Allerdings gelte auch dann die bestehende Friedhofsordnung der Kirchengemeinde. "Das bedeutet, dass ein Grabfeld nicht nach Mekka ausgerichtet werden kann", sagt der Pastor.
So lange islamische Bestattungen in Deutschland noch mit Schwierigkeiten verbunden sind, werden weiter viele Leichname in die Türkei und andere Länder ausgeflogen. Vladi ist jedoch überzeugt: "Das wird sich ändern." Er begrüßt, dass die Bestattungsgesetze einiger Länder nun auf die Bedürfnisse von Muslimen mehr Rücksicht nehmen. Außerdem werden sich Vladi zufolge zukünftig mehr und mehr Muslime auch durch die Wahl ihrer Grabstätte mit der neuen Heimat identifizieren. Für Lemmen gilt: "Dort, wo die Toten begraben werden, ist man auch angekommen."
Von Andreas Gorzewski (epd)
Islamische Bestattungen in Deutschland
Noch immer die Ausnahme
Islamische Beerdigungen sind in Deutschland noch keine Selbstverständlichkeit. Die große Mehrzahl der hierzulande verstorbenen Muslime wird in der Türkei und anderen Herkunftsländern von Muslimen beigesetzt. Dafür gibt es mehrere Gründe.
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