Letzter Gottesdienst für Leipziger Pfarrer Führer

In den Unruhestand

Mit einem festlichen Gottesdienst hat Leipzig am Sonntag Pfarrer Christian Führer in den Ruhestand verabschiedet. Er gehörte zu den Begründern der Friedensgebete. Über die Grenzen Sachsen hinaus wurde er 1989 bekannt. Sein Abschied war bewegend - und sicher keiner in ein beschauliches Rentner-Dasein.

 (DR)

Pfarrer Christian Führer ist keiner, der ein Blatt vor den Mund nimmt. Das beweist er einmal mehr am Sonntag bei seinem Abschiedsgottesdienst in der Leipziger Nikolaikirche. Ein letztes Mal steht der 65-Jährige, der zum April nach 40 Dienstjahren als Pfarrer die Amtsgeschäfte an seinen Nachfolger Bernhard Stief übergibt, an diesem Tag in der Kanzel, um in seiner gewohnt offenen und schonungslosen Art zu predigen. "In der gnadenlosen Diktatur des Kapitals zu leben, macht weder froh nach frei", ruft er den Menschen in dem übervollen Gotteshaus zu.

Worte wie diese sind typisch für den in vielerlei Hinsicht außergewöhnlichen Geistlichen. Nicht nur seine Jeanswesten, die er jahrzehntelang trug und die zu seinem Markenzeichen wurden, prägten den Mann, der ab Dienstag im (Un-)Ruhestand ist. Er habe so manche Diskussion ausgelöst, sagt Superintendent Martin Henker in seiner Abschiedsrede. Führer habe die friedliche Revolution in der DDR als "Wunder biblischen Ausmaßes" bezeichnet. Ein Wunder, an dem er durch die von ihm initiierten Friedensgebete in der Nikolaikirche selbst keinen geringen Anteil hat. Mit Führer sei das Gotteshaus auch nach der Wende ein Ort des Trostes und der Zuversicht geblieben, betont Henker. "Die Nikolaikirche ohne Pfarrer Führer - ich weiß, dass sich viele das in unserer Stadt kaum vorstellen können", sagt er.

"Bleiben Sie so, wie Sie sind"
Tatsächlich fällt diese Vorstellung während des bewegenden Gottesdienstes am Sonntag noch schwer. In die Nikolaikirche, die 28 Jahre lang Führers Wirkungsstätte war, sind mehrere Hundert Menschen gekommen, um dem Mann mit der grauen Stoppelfrisur Adé zu sagen. Sogar der frühere Leipziger Oberbürgermeister, Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD), war als Überraschungsgast gekommen.

Auch der 12-jährige Felix Spengler will dem scheidenden Pfarrer die Hand drücken und ihm dann seinen ganz persönlichen, handgeschriebenen Abschiedsbrief geben. Darauf steht in großen Lettern: "Bleiben Sie so, wie Sie sind." Der Junge hat Führer zwar nur wenige Male getroffen, ist aber dennoch restlos begeistert von ihm. "Für mich ist das etwas Bewegendes, wenn er in den Ruhestand geht", sagt er.

Die vor ihm liegende Zeit geht Führer seinem Glauben entsprechend zuversichtlich an. "Wenn etwas aufhört, fängt gleichzeitig etwas Neues an", sagt er. Wenn das Neue ihn beflügelt, falle ihm das Loslassen umso leichter. Die "wunderbaren Jahre" als Pfarrer der Nikolaikirche seien für ihn schön und schwer zugleich gewesen, gesteht der Mann, der bereits als "Rätsel" und "Pfarrer mit jesusähnlicher Radikalität" bezeichnet wurde. Führer dankt seiner Gemeinde, dem Kirchenvorstand und der Landeskirche, "dass sie es so lange mit diesem Rätsel ausgehalten haben".

So ganz ruhig wird es um Führer aber nicht werden. Am Montag hält er sein letztes Friedensgebet. Führer wird sich zudem in verschiedenen Ehrenämtern weiter für seine Kirche engagieren. Außerdem will der "Pfarrer im Ruhestand", wie sich Führer ab Dienstag nennt, ein autobiografisches Sachbuch über seine bewegtes Theologenleben schreiben.

Von ddp-Korrespondentin Susann Huster